Auf der Erde — achtunddreißig Kilometer unter der Bahn des Raumschiffs — rief Robert aus der Telefonzelle eines winzigen Dorfes, die ganz bestimmt nicht abgehört wurde, General Hilliard an.
«Guten Tag, Commander. Gibt’s was zu berichten?«Aye, aye, Sir. Melde gehorsamst, daß Sie ein verlogener Hundesohn sind.»General, es geht um diesen Wetterballon… Er scheint sich in ein UFO verwandelt zu haben. «Robert verstummte und wartete auf Hilliards Reaktion.
«Ja, ich weiß. Aus wichtigen Sicherheitsgründen habe ich Ihnen nicht gleich alles mitteilen können.«
Aha. Die übliche Ausrede aller Bürokraten. Robert hüllte sich weiterhin in abwartendes Schweigen.
«Ich will Ihnen etwas anvertrauen, das streng geheim bleiben muß, Commander«, fuhr General Hilliard fort.»Vor drei Jahren sind Außerirdische auf einem US-Luftwaffenstützpunkt gelandet. Wir haben Verbindung mit ihnen aufnehmen können.«
Robert stockte der Atem.»Was… haben sie gesagt?«
«Daß sie vorhaben, uns zu vernichten.«
«Uns vernichten?«
«Ja! Sie haben angekündigt, daß sie zurückkehren würden, um die Erde in Besitz zu nehmen und uns zu Sklaven zu machen — ohne daß wir sie daran hindern könnten. Aber wir sind dabei, Abwehrmittel zu entwickeln. Um Zeit zu gewinnen, müssen wir deshalb unter allen Umständen eine Panik in der Öffentlichkeit vermeiden. Bestimmt verstehen Sie jetzt, weshalb es so wichtig ist, den Augenzeugen einzuschärfen, daß sie ihre Beobachtungen für sich behalten müssen. Würden sie bekannt, wäre eine Katastrophe unvermeidlich.«
«Halten Sie’s nicht für besser, die Öffentlichkeit zu informieren und…?«:
«Commander, im Jahre 1938 wurde im amerikanischen
Rundfunk das Hörspiel >Krieg der Welten< von Orson Welles gesendet, in dem die Erde durch eine Invasion von Außerirdischen heimgesucht wird. Innerhalb weniger Minuten ist in zahlreichen Großstädten Amerikas eine Panik ausgebrochen. Hysterische Menschen flüchteten vor den angeblichen Invasoren, das Telefonnetz brach zusammen, die Überlandstraßen waren verstopft, und es hat Tote und Verletzte gegeben. Nein, unsere Abwehr gegen die Außerirdischen muß stehen, bevor wir mit dieser Sache an die Öffentlichkeit gehen. Deshalb sollen Sie die Zeugen ausfindig machen — und zwar zu ihrem eigenen Schutz! Sonst gerät diese Sache außer Kontrolle.«
Robert spürte, daß ihm der Schweiß ausbrach.»Ja, ich… ich verstehe.«
«Gut. Haben Sie schon mit einem der Zeugen gesprochen?«
«Ich habe zwei gefunden.«
«Ihre Namen?«
«Hans Beckermann, der Fahrer des Rundfahrtbusses. Er lebt in Kappel.«
«Und der zweite?«
«Fritz Mandel. Er betreibt in Bern eine kleine Autowerkstatt und hat den liegengebliebenen Wagen eines dritten Augenzeugen abgeschleppt.«
«Der Name dieses Zeugen?«
«Den kenne ich noch nicht. Aber ich bleibe dran. Soll ich die Zeugen auffordern, keinem Menschen von ihrer Beobachtung zu erzählen?«
«Nein. Ihr Auftrag besteht lediglich darin, die Zeugen aufzuspüren. Alles weitere überlassen wir den Regierungen ihrer Länder. Wissen Sie schon, wie viele Zeugen es gewesen sind?«
«Ja. Sieben Fahrgäste und der Fahrer, der Mechaniker und ein vorbeikommender Autofahrer.«
«Sie müssen alle aufspüren. Jeden einzelnen der zehn Augenzeugen des Absturzes. Verstanden?«
«Ja, General.«
Langsam ließ Robert den Hörer auf die Gabel sinken. In seinem Kopf drehte sich alles. UFOs waren also kein Hirngespinst. Die Außerirdischen waren Feinde. Eine Horrorvision!
Und da war wieder jenes Unbehagen — das Gefühl, daß man ihm etwas verschwieg…
Robert stürmte in das Genfer Büro der Autovermietung Avis und schoß auf die Angestellte hinter der Theke los.
«Was kann ich für Sie tun, Monsieur?«
Robert knallte den Zettel mit dem Kennzeichen des Renaults vor ihr auf die Theke.»Diesen Wagen haben Sie letzte Woche vermietet. Ich brauche den Namen des Kerls, der ihn gemietet hat!«Seine Stimme klang wütend.
Die Angestellte wich einen Schritt zurück.»Tut mir leid, Monsieur, über unsere Kunden geben wir grundsätzlich keinerlei Auskünfte.«
«Pech für Sie!«schnaubte Robert.»Wenn das so ist, muß ich eben Ihre Firma auf Schadenersatz verklagen.«
«Das verstehe ich nicht, Monsieur. Wo liegt das Problem?«
«Ich will Ihnen sagen, wo es liegt, Mademoiselle. Letzten Sonntag hat dieses Auto beim Ausparken meinen Wagen angefahren und ziemlich beschädigt. Sein Kennzeichen haben wir noch erkennen können, aber der Mann hat Fahrerflucht begangen, bevor wir ihn anhalten konnten.«
«Ah, ich verstehe. «Die Angestellte musterte Robert prüfend.»Einen Augenblick, Monsieur. «Sie verschwand und kam kurz darauf mit einem Hängeordner zurück.»Laut unseren Unterlagen ist der Wagen mit einem Motorschaden liegengeblieben, aber ein Unfall ist nicht gemeldet worden.«
«Schön, dann melde ich ihn eben jetzt! Und ich mache Ihre Firma für den Schaden an meinem nagelneuen Porsche verantwortlich. Das kostet Sie ein Vermögen!«
«Bedaure sehr, Monsieur, aber da dieser Unfall nicht gemeldet worden ist, können wir keine Verantwortung dafür über-nehmen.«
«Hören Sie, Mademoiselle«, sagte Robert in ruhigerem Tonfall,»ich will nur, daß dieser Mann den Schaden an meinem Wagen bezahlt. Er hat Fahrerflucht begangen. Dafür könnte ich ihn anzeigen. Aber wenn Sie mir seinen Namen und seine Adresse geben, kann ich direkt mit ihm sprechen und diese Sache aus der Welt schaffen, ohne Ihre Firma hineinzuziehen. Ist das nicht ein fairer Vorschlag?«
Die Angestellte überlegte kurz und nickte dann.»Ja, das wäre uns natürlich lieber. «Sie zog den Vertrag aus dem Hängeordner.»Es handelt sich um einen Mr. Leslie Mothers-hed.«
«Und seine Adresse?«
«213A Grove Road, Whitechapel, London E 3.«
Kurz darauf saß Commander Robert Bellamy in einem Airbus der Swissair, der nach London flog.
Er saß allein im Dunkeln, überlegte, arbeitete pedantisch genau jede Phase ihres Plans durch und vergewisserte sich selbst, daß nichts schiefgehen konnte. Das Telefon summte leise.
«Janus«, meldete er sich.
«Hier General Hilliard. Commander Bellamy hat die beiden ersten Zeugen ausfindig gemacht.«
«Sehr gut! Veranlassen Sie sofort alles weitere.«
«Ja, Sir.«
«Wo ist der Commander jetzt?«
«Auf dem Flug nach London. Er dürfte Nummer drei bald gefunden haben.«
«Ich informiere den Ausschuß über seine Fortschritte. Sie halten mich weiter auf dem laufenden. Die Geheimhaltungsstufe dieses Unternehmens bleibt weiter Nova Rot.«
«Verstanden, Sir. Ich möchte vorschlagen.«
Am anderen Ende wurde aufgelegt.
BLITZMELDUNG
TOP SECRET ULTRA NSA AN DIREKTOR SCHWEIZER NACHRICHTENDIENST PERSÖNLICH 1. AUSFERTIGUNG VON 1 AUSFERTIGUNG(EN) BETREFF: OPERATION DOOMSDAY
1. HANS BECKERMANN — KAPPEL
2. FRITZ MANDEL — BERN TEXTENDE
13
Gegen Mitternacht wurde die Familie Lagenfeld auf ihrem kleinen Bauernhof einige Kilometer nördlich von Uetendorf durch einige merkwürdige Ereignisse aufgeschreckt. Ein gelber Lichtschein vor dem Schlafzimmerfenster weckte die ältere Tochter. Als sie jedoch aufstand, um hinauszusehen, verschwand das Licht.
Im Hof begann der Schäferhund Tozzi wütend zu kläffen. Widerwillig erhob sich der alte Lagenfeld von seinem Bett und tappte hinunter, um den Hund zu beruhigen. Als er aus dem Haus trat, hörte er, wie die Schafe sich gegen ihren Pferch warfen und ängstlich durcheinanderblökten. Als Lagenfeld am Wassertrog vorbeikam, den die Regenfälle der letzten Zeit randvoll gefüllt hatten, fiel ihm auf, daß er völlig trocken war.