Achter Tag Waco, Texas
Für Dan Wayne war dies kein schöner Tag. Tatsächlich war es ein miserabler Tag. Er war eben von dem fürs Waco County zuständigen Gericht zurückgekommen, wo das Konkursverfahren gegen ihn eröffnet worden war. Und seine Frau, die ihn mit ihrem jungen Arzt betrogen hatte, hatte die Scheidung eingereicht und verlangte nun die Hälfte seines Besitzes, der möglicherweise demnächst bei einer Zwangsversteigerung unter den Hammer kommen würde. Jetzt saß er in seinem Arbeitszimmer und grübelte über seine unerfreulichen Zukunftsaussichten nach.
Dan Wayne war ein stolzer Mann. Er kannte all die Witze, die Texaner als lärmende, großmäulige Angeber charakterisierten, aber er war der ehrlichen Überzeugung, auf seine Heimat stolz sein zu können. Er stammte aus Waco, der modernen und zugleich ein wenig altmodischen Stadt inmitten des fruchtbaren
Gebiets im Brazos River Valley. Er liebte Waco mit allen Fasern seines Herzens und hatte kürzlich bei einer Busrundfahrt in der Schweiz einem italienischen Geistlichen fast fünf Stunden lang von seiner Heimatstadt vorgeschwärmt.
Und der kleine Priester hatte gelächelt und genickt, und Wayne hatte sich später gefragt, ob er wirklich alles verstanden hatte, was ihm der Rancher in seinem texanischen Englisch erzählt hatte.
Dan Waynes Vater hatte ihm 4000 Hektar Ranchland hinterlassen, und der Sohn hatte den Viehbestand von 2000 Rindern auf 10000 Tiere erhöht, hielt sechs Zuchttiere und besaß einen Hengst, der einmal ein Vermögen wert sein würde. Und jetzt wollten die Schweinehunde ihm alles wegnehmen. Dabei war es nicht seine Schuld, daß die Viehpreise in den Keller gefallen waren, so daß er mit den Hypothekenzahlungen in Verzug geraten war. Die Banken waren auf eine Zwangsversteigerung aus, und Waynes einzige Chance bestand darin, selbst einen Käufer für die Ranch zu finden, um die Ansprüche seiner Gläubiger befriedigen und einen kleinen Gewinn erzielen zu können.
Wayne hatte von einem reichen Schweizer gehört, der in Texas eine Ranch suchte, und war nach Zürich geflogen, um mit ihm zu verhandeln. Er hätte sich diese Mühe sparen können. Unter einer Ranch verstand der Kerl ein bis zwei Hektar Land mit einem hübschen kleinen Gemüsegarten. Scheiße!
Und während seines Aufenthalts in der Schweiz hatte Dan Wayne an jener Busrundfahrt teilgenommen, bei der diese verrückte Sache passiert war. Unmittelbar nach seiner Rückkehr hatte er den Redakteur eines Lokalblatts angerufen.
«Du wirst’s nicht glauben, Johnny, aber ich hab’ eine echte Fliegende Untertasse mit zwei toten Außerirdischen gesehen!«
«Yeah? Hast du sie fotografiert, Dan?«
«Nein. Ich hab’ ein paar Aufnahmen gemacht, aber die Bilder sind nichts geworden.«
«Macht nichts. Wir schicken unseren Fotografen hin. Ist sie auf deiner Ranch?«
«Äh, nein. Die ganze Sache hat sich in der Schweiz abgespielt. «
Am anderen Ende herrschte zunächst Schweigen. Dann meinte Johnny:»Ach so… Weißt du, am besten rufst du mich noch mal an, Dan, wenn du auf deiner Ranch eine siehst.«
«Warte! Ich kriege ein Foto von einem Mann, der auch alles gesehen hat!«Aber Johnny hatte bereits aufgelegt.
Und das war’s gewesen.
Eigentlich hätte Wayne gar nichts dagegen einzuwenden gehabt, wenn eine Invasion von Außerirdischen die Erde heimsuchen würde. Vielleicht würden sie ihn ja von seinen verdammten Gläubigern befreien.
Draußen hielt ein Auto. Der Rancher stand auf und trat ans Fenster. Der Mann sah wie ein Yankee aus. Wahrscheinlich noch ein Gläubiger.
Dan Wayne öffnete die Haustür.
«Guten Tag. Sind sie Daniel Wayne?«fragte Robert.
«Meine Freunde nennen mich Dan. Was kann ich für Sie tun?«
«Haben Sie vielleicht ein paar Minuten Zeit für mich?«
«Das ist ungefähr das einzige, was ich noch habe«, meinte Wayne.»Oder sind Sie etwa ein Gläubiger?«
«Ein Gläubiger? Nein.«
«Gut. Kommen Sie bitte ‘rein.«
Die beiden Männer gingen in das große behagliche Wohnzimmer, das im Westernstil möbliert war.
Nachdem sie auf den weichen Ledersesseln Platz genommen hatten, fragte Robert:»Sie haben letzte Woche in der Schweiz eine Busrundfahrt mitgemacht, nicht wahr?«
«Richtig. Läßt meine Exfrau mich beobachten? Sie arbeiten doch nicht etwa für sie?«
«Nein, Sir.«»Ah!«Wayne verstand plötzlich.»Sie sind wegen des UFOs hier. Ein verrücktes Ding. «Er schauderte.»Von denen träume ich noch jetzt manchmal!«
«Mr. Wayne, können Sie mir irgend etwas über die anderen Fahrgäste des Busses erzählen?«
Dan Wayne überlegte einen Augenblick.»Nun, einer ist ein italienischer Geistlicher gewesen. Mit ihm habe ich mich lange unterhalten. Er ist ein netter Kerl gewesen. Die Sache mit der Fliegenden Untertasse hat ihn ziemlich mitgenommen.«
«Mit wem haben Sie sonst noch geredet?«
Wayne zuckte mit den Schultern.»Eigentlich mit keinem… Augenblick! Ich habe kurz mit einem Kerl gesprochen, dem in Kanada eine Bank gehört. «Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen.»Ehrlich gesagt, habe ich ein kleines finanzielles Problem mit dieser Ranch. Wahrscheinlich gehört sie mir nicht mehr lange. Ich hasse die gottverdammten Bankiers! Lauter Blutsauger! Jedenfalls hab’ ich gehofft, dieser Kerl sei vielleicht anders, und versucht, ihn für eine Umschuldung zu gewinnen. Aber er hat genauso reagiert wie alle anderen. Mein Anliegen hat ihn überhaupt nicht interessiert.«
«Sie sagen, er kam aus Kanada?«
«Yeah, aus Fort Smith in den Northwest Territories. Mehr kann ich Ihnen nicht erzählen, fürchte ich.«
Robert bemühte sich, seine Aufregung zu verbergen.»Danke, Mr. Wayne, Sie haben mir sehr geholfen. «Er stand vom Sofa auf und verabschiedete sich.
«General Hilliard?«
«Ja, Commander?«
«Ich habe einen weiteren Zeugen aufgespürt. Er heißt Dan Wayne. Ihm gehört die Ranch >Ponderosa< bei Waco, Texas.«
«Ausgezeichnet! Ich sorge dafür, daß Leute unserer Außenstelle Dallas mit ihm reden.«
BLITZMELDUNG
TOP SECRET ULTRA NSA AN DIREKTOR DCI PERSÖNLICH 1. AUSFERTIGUNG VON 1 AUSFERTIGUNG(EN) BETREFF: OPERATION DOOMSDAY
6. DANIEL WAYNE — WACO TEXTENDE
Die beiden Männer kamen mit einem dunkelblauen Kleinbus auf die Ranch. Sie parkten im Hof und sahen sich beim Aussteigen vorsichtig um.
Dan Wayne, der sie schon vom Fenster aus beobachtet hatte, öffnete ihnen die Haustür.
«Dan Wayne?«
«Ja. Was kann ich…?«
Weiter kam er nicht.
Der kleinere Mann war blitzschnell hinter ihn getreten und hatte ihn mit seinem Gummiknüppel auf den Hinterkopf geschlagen.
Der Größere der beiden trug den bewußtlosen Rancher über den Hof in den Pferdestall. In den ersten acht Boxen standen nur Stuten. Die Männer gingen an ihnen vorbei zur letzten Box weiter, in der ein prachtvoller schwarzer Hengst stand.
«Das ist er«, sagte der Große. Er ließ Wayne zu Boden gleiten.
Der andere hob einen elektrischen Viehtreiberstock vom Boden auf, trat an die Box und schlug den Hengst damit über die Kruppe. Als das Pferd den Stromstoß fühlte, bäumte es sich laut wiehernd auf. Der Mann schlug wieder zu. Der Hengst keilte mit gefletschten Zähnen und wild mit den Augen rollend aus. Seine Hufe krachten gegen die Holzwände der Box.
«Los!«sagte der kleinere Mann. Sein Begleiter hob den Bewußtlosen hoch und warf ihn in die enge Pferdebox. Die beiden beobachteten die blutige Szene einige Augenblicke lang, bevor sie sich zufrieden abwandten, um zu gehen.
BLITZMELDUNG
TOP SECRET ULTRA DCI AN DIREKTOR NSA PERSÖNLICH 1. AUSFERTIGUNG VON 1 AUSFERTIGUNG(EN)
BETREFF: OPERATION DOOMSDAY
6. DANIEL WAYNE — LIQUIDIERT TEXTENDE
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