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Der Junge beäugte ihn mißtrauisch.»Womit?«

Robert zog einen vorbereiteten Zettel aus der Tasche und reichte ihn dem Jugendlichen zusammen mit drei FünfzigFranc-Scheinen.

«Du gehst zum Matin und gibst diese Anzeige auf. Der Rest des Geldes ist für dich.«

«D’accord.«

Robert beobachtete, wie der Junge das Gebäude betrat. Die Anzeige würde in der Morgenausgabe erscheinen. Ihr Text lautete: Tilly! Vater ist sehr krank und braucht dich. Bitte triff dich bald mit ihm. Mutter.

Danach konnte Robert nur noch abwarten. Er wagte nicht, sich ein Hotelzimmer zu nehmen. Ganz Paris erschien ihm wie eine tickende Zeitbombe.

Zweiundzwanzigster Tag Paris, Frankreich

Robert unternahm eine Stadtrundfahrt und verbrachte einige Stunden im Bois de Boulogne. Anschließend nahm er an einer Lichterfahrt auf der Seine teil und schloß sich danach einer Gruppe von Touristen an, die zur Mitternachtsshow ins Moulin Rouge fuhr. Die Show endete gegen zwei Uhr. Den Rest der Nacht verbrachte er mit einem Kneipenbummel durch Montmartre.

Die Morgenzeitungen würden nicht vor fünf Uhr in den Straßenverkauf kommen. Kurz vor fünf Uhr wartete Robert bereits an einem Zeitungskiosk. Ein roter Lieferwagen fuhr vor, und ein junger Mann warf einen Packen Zeitungen auf den Gehsteig. Robert verlangte den Matin und schlug den Anzeigenteil auf. Seine Anzeige stand unter Verschiedenes.

Mittags betrat Robert einen kleinen Tabakladen, in dem an einer Pinnwand private Kleinanzeigen hingen — Stellenangebote für Hauspersonal. Mietgesuche. Angebote von Wohngemeinschaften. Fahrradverkäufe. Ziemlich in der Mitte fand Robert die Nachricht, auf die er gewartet hatte: Tilly erwartet dringend deinen Besuch. Bitte 58 74 76 80 anrufen.

Li Po meldete sich beim ersten Klingeln.»Robert?«

«Zao, Po.«

«Mein Freund, du hältst mehr Leute auf Trab als der französische Präsident. Was hast du angestellt? Nein, sag’s mir lieber nicht. Jedenfalls ist die Sache verdammt ernst. Mein Telefon in der Botschaft wird überwacht, mein Privatanschluß wird abgehört, meine Wohnung wird observiert. Ich bin systematisch nach dir ausgefragt worden.«

«Po, hör zu, ich…«

«Nicht am Telefon! Weißt du noch, wo Me-ying wohnt?«

Li Pos Freundin.

«Ja.«

«Wir treffen uns dort in einer halben Stunde.«

«Danke. «Robert war sich sehr wohl darüber im klaren, in welche Gefahr Li Po sich damit begab.

Das Apartment lag in einem ruhigen Pariser Arrondissement in der Rue Benouville. Als Robert dort ankam, hatte der Himmel sich mit dunklen Regenwolken bedeckt, und er hörte fernes Donnergrollen. Er fuhr in den dritten Stock hinauf und klingelte an der Wohnungstür. Li Po machte ihm sofort auf.

«Herein mit dir«, sagte er.»Schnell!«Er sperrte die Tür hinter Robert ab.

Die beiden Männer schüttelten sich die Hand.

«Po, weißt du, was eigentlich los ist, verdammt noch mal?«

Der Chinese musterte ihn einen Augenblick.»Hast du schon mal von der Operation Doomsday gehört?«

Robert runzelte die Stirn.»Nein. Hat sie denn irgendwas mit UFOs zu tun?«

«Sie hat fast ausschließlich mit UFOs zu tun. Die Welt steht vor einer Katastrophe, Robert.«

Li Po begann zwischen Tür und Fenster auf und ab zu gehen.

«Außerirdische Lebewesen kommen auf unseren Planeten, um uns zu vernichten. Vor fünf Jahren sind sie auf der Erde gelandet und haben in Gesprächen mit Regierungsvertretern gefordert, die Industrienationen müßten alle Kernkraftwerke abschalten und die Verwendung fossiler Brennstoffe einstellen. Sie behaupten, wir vergifteten die Atmosphäre, die Böden und die Meere… Sie fordern, daß wir aufhören, Waffen herzustellen und Kriege zu führen.«

«Po.«

«Eine Gruppe von einflußreichen Männern aus einem Dutzend Staaten hat sich zusammengeschlossen — führende Industrielle aus den USA, Japan, Europa, Rußland und China… Ein Mann mit Decknamen Janus hat die Operation Doomsday — die Zusammenarbeit von Geheimdiensten in aller Welt — organisiert, um die Außerirdischen zu stoppen. «Er blieb stehen und drehte sich nach Robert um.»Du weißt, was man unter SDI versteht?«

«Reagans >Strategic Defense Initiative««, antwortete Robert.»Ein Satellitenabwehrsystem im Weltraum gegen sowjetische Raketen.«

Li Po schüttelte den Kopf.»Nein, das wurde nur zur Tarnung behauptet. SDI ist nicht zur Abwehr russischer Raketenangriffe entwickelt worden. Es wird speziell zur Bekämpfung von UFOs aufgebaut. Das ist unsere einzige Chance, die Außerirdischen zu stoppen.«

Robert schwieg benommen und versuchte die Tragweite dessen zu begreifen, was sein Freund gesagt hatte. Das Donnergrollen wurde immer lauter.»Soll das heißen, daß die Regierungen hinter diesem…?«:

«Nein, aber die Verschwörer sitzen in allen Regierungen. Die Operation Doomsday ist eine private Initiative. Begreifst du jetzt, was gespielt wird?«

«Großer Gott! Die Regierungen wissen nicht, daß. «Er sah zu Li auf.»Po, wie… woher weißt du das alles?«

«Ganz einfach, Robert«, sagte Li gelassen,»weil ich China im Koordinationsausschuß vertrete. «Er hielt plötzlich eine Beretta in der Hand.

Robert starrte auf die Waffe.»Po…!«:

Ein Blitz erhellte den Himmel, als Li Po abdrückte. Der Knall des Schusses ging in einem ohrenbetäubenden Donnern unter.

48

Die ersten Tropfen klaren Regenwassers weckten sie. Sie lag auf einer Parkbank und war zu erschöpft, um sich zu bewegen. In den vergangenen zwei Tagen hatte sie gefühlt, wie ihre Lebensenergie verebbte. Ich werde auf diesem Planeten sterben. Sie versank in einen Schlaf, aus dem sie, wie sie glaubte, nicht mehr erwachen würde.

Und dann kam der Regen. Dieser segensreiche Regen. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Sie hob ihr Gesicht dem Himmel entgegen und spürte, wie die kühlen Tropfen über ihre Haut rannen. Und der Regen wurde stärker, immer stärker. Frisches, sauberes Wasser. Nun stand sie mit erhobenen Armen auf und ließ das Wasser, das ihr neue Kraft gab und sie ins Leben zurückbrachte, über ihren Leib strömen. Ihr ganzer Körper sog sich mit Regenwasser voll, und ihre Müdigkeit schwand. Sie fühlte, wie ihre innere Kraft wuchs, bis sie zuletzt dachte: Ich bin bereit. Ich kann wieder klar denken. Ich weiß, wer mir helfen kann, den Rückweg zu finden. Sie holte ihren Minisender heraus, schloß die Augen und begann sich zu konzentrieren.

49

Der herabzuckende Blitzstrahl rettete Robert Bellamy das Leben. In dem Augenblick, in dem Li Po abdrückte, lenkte der gleißend hell aufflammende Blitz ihn für eine Zehntelsekunde ab. Robert warf sich zur Seite, so daß die Kugel statt seiner Brust seine rechte Schulter traf.

Als Li die Waffe hob, um erneut abzudrücken, schlug ihm

Robert mit dem Fuß die Pistole aus der Hand. Li warf sich auf ihn, und seine Faust krachte gegen Roberts verletzte Schulter. Robert fühlte einen stechenden Schmerz, doch er biß die Zähne zusammen und rammte Li seinen linken Ellbogen ins Gesicht. Der Chinese stöhnte auf. Er holte zu einem Handkantenschlag auf den Nacken seines Gegners aus… doch Robert konnte dem tödlichen Hieb ausweichen.

Die beiden Männer umkreisten einander schweratmend, jeder suchte eine Lücke in der Deckung des anderen. Sie kämpften lautlos nach einem uralten Ritual. Beide wußten genau, daß nur einer von ihnen diesen Zweikampf überleben würde. Robert fühlte, daß seine Kräfte zu schwinden begannen. Die Schmerzen in seiner Schulter wurden immer unerträglicher, und er sah, wie sein Blut auf den Teppichboden tropfte.