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Die Maschine war langsamer geworden und ließ sich nur mit Mühe steuern.

«Schneller«, verlangte Edward nervös,»sonst kommen wir zu spät zum Mittagessen!«

Robert sah auf den Höhenmesser, dessen Nadel rasch fiel.»Basis, hier Romeo. Wir haben ‘nen Treffer abgekriegt.«

«Romeo, hier Basis. Wie schlimm sieht’s aus?«

«Schwer zu sagen. Ich glaube, daß ich’s bis zurück schaffe.«

«Augenblick. «Sekunden später meldete die Stimme sich wieder.»Sie haben Charlie bei Ankunft.«

Das bedeutete die Freigabe zur sofortigen Landung auf dem Flugzeugträger.

«Roger.«

«Alles Gute!«

Die Intruder begann zu gieren. Robert kämpfte dagegen an und versuchte, Höhe zu gewinnen.»Los, komm schon, Baby, du schaffst es!«Aber sie verloren zuviel Höhe.»Unsere voraussichtliche Ankunftszeit?«

Edward sah auf seine Karten und rechnete.»Bei dieser Geschwindigkeit in vierzehn Minuten.«

«Okay, du sollst dein Mittagessen pünktlich kriegen.«

Robert hielt die Maschine unter Einsatz seines ganzen Könnens in der Luft und versuchte, sie mit Seitenruder und Leistungshebeln auf geradem Kurs zu halten. Die Höhenmessernadel fiel noch immer. Dann sah er endlich weit vor ihnen die blau glitzernden Gewässer des Golfs von Tonking.

«Gleich haben wir’s geschafft, Kumpel«, sagte Robert.»Nur noch ein paar Minuten.«

«Riesig! Ich hab’ nie bezweifelt, daß du…«

Und dann waren sie da: zwei scheinbar aus dem Nichts kommende MiGs. Feuerstöße aus ihren Maschinenkanonen zerfetzten den Rumpf der flügellahmen Intruder.

«Eddie! Aussteigen!«Er sah zu seinem Bombenschützen hinüber. Edward hing regungslos in seinem Gurtzeug. Seine rechte Seite war aufgerissen, und die Cockpitverglasung vor ihm war voller Blut.

«Nein!«kreischte Robert.

Dann spürte er plötzlich einen lähmenden Schlag gegen die Brust. Seine Fliegerkombi war sofort blutdurchtränkt. Die Maschine geriet ins Trudeln. Robert spürte, daß er das Bewußtsein verlor, umklammerte mit letzter Kraft den Auslösegriff seines Schleudersitzes und blickte noch einmal zu Eddie hinüber.»Tut mir leid«, murmelte er.

Er konnte sich später nicht mehr erinnern, wie er mit dem Schleudersitz ausgestiegen und am Fallschirm im Wasser gelandet war. Über ihm kreiste ein SH-3A-SeaKing des Flugzeugträgers Yorktown, um ihn an Bord zu nehmen. In der Ferne waren chinesische Dschunken zu sehen, die sich auf die Absturzstelle zubewegten… doch sie sollten sie diesmal zu spät erreichen.

Als Robert in den Rettungshubschrauber gehievt wurde, warf ein Sanitäter einen Blick auf seine Verletzungen und sagte:»Jesus, der arme Kerl schafft’s wahrscheinlich nicht mal bis ins Lazarett!«

Robert bekam eine Morphiumspritze, erhielt einen Druckverband um den Brustkorb und wurde ins Lazarett auf dem Stützpunkt Cu Chi geflogen.

Als Robert auf einem Wagen in die Intensivstation hineingefahren wurde, hinterließ er eine hellrote Blutspur auf dem Fußboden.

Ein überlasteter Chirurg schnitt seinen Brustverband auf, untersuchte Robert flüchtig und sagte müde:»Der kommt nicht durch. Den könnt ihr gleich in den Kühlraum bringen.«

Damit ging der Arzt weiter.

Robert, der nur ab und zu bei Bewußtsein war, hatte seine Stimme wie aus weiter Ferne gehört. Jetzt ist’s also soweit, dachte er. Was für ein schäbiges Ende.

«Los, wach schon auf, Seemann! Du willst doch nicht sterben?«

Er öffnete mühsam die Augen und sah eine weiße Uniform und darüber ein Frauengesicht. Die Gestalt sagte noch etwas, das er jedoch nicht mehr verstand. Um ihn herum war es zu laut: Verwundete stöhnten und schrien durcheinander, Ärzte brüllten Befehle, Krankenschwestern hasteten hin und her.

Erst später erfuhr Robert, daß Susan Ward, die Krankenschwester, einen Chirurgen dazu überredet hatte, ihn zu operieren, und sogar Blut für ihn gespendet hatte. Denn Robert hatte so viel Blut verloren, daß er drei Transfusionen brauchte.

«Mit dem haben wir nur unsere Zeit vergeudet«, meinte der Chirurg nach der Notoperation seufzend.»Seine Überlebenschance liegt bei zehn Prozent.«

Aber der Arzt kannte Robert Bellamy nicht. Und er kannte Susan Ward nicht. Bei Robert festigte sich der Eindruck, daß jedesmal, wenn er die Augen aufschlug, Susan an seinem Bett saß, seine Hand in ihrer hielt, seine Stirn abtupfte… und ihn durch reine Willenskraft ins Leben zurückbrachte. Die meiste Zeit befand er sich im Delirium. Susan saß in einsamen Nächten im abgedunkelten Krankensaal an seinem Bett und hörte sich geduldig seine Fieberphantasien an.

«… die Zielbeschreibung ist falsch, man kann nicht aus hundertsechzig Grad anfliegen, sonst trifft man den Fluß… sag ihnen, daß sie den Anflugwinkel um mindestens zehn Grad ändern müssen… sag’s ihnen…«:, murmelte er.

«Wird gemacht. Versuch jetzt zu schlafen.«

«… die Halterungen sind anfangs blockiert gewesen. Weiß der Teufel, wohin die Bomben gefallen sind.«

Häufig verstand Susan gar nicht, worüber ihr Patient phantasierte.

Susan Ward, die in Cu Chi das OP-Schwesternteam leitete, war allen ein Vorbild. Sie stammte aus einer Kleinstadt in Idaho, wo sie mit dem Jungen von nebenan — Frank Prescott, dem Sohn des Bürgermeisters — aufgewachsen war. Die ganze Stadt rechnete damit, daß die beiden eines Tages heiraten würden. Susan hing sehr an ihrem jüngeren Bruder Michael. Er meldete sich an seinem 18. Geburtstag freiwillig zur Army und wurde prompt nach Vietnam geschickt. Sie schrieb ihm fast täglich. Drei Monate nach seiner Einberufung erhielten die Angehörigen ein Telegramm. Noch bevor sie den Umschlag aufriß, wußte Susan, welche Nachricht es enthielt.

Als Frank Prescott erfuhr, daß Michael gefallen war, kam er sofort herüber.»Es tut mir schrecklich leid, Susan. Ich hab’ Michael echt gerngehabt. «Dann machte er den Fehler, ihr vorzuschlagen:»Was hältst du davon, wenn wir jetzt heiraten?«

Und Susan hatte ihn angeschaut und eine Entscheidung getroffen.»Nein«, antwortete sie.»Ich will etwas Nützliches mit meinem Leben anfangen.«

«Himmel! Was ist wichtiger, als mich zu heiraten?«

Die Antwort war: Vietnam.

Susan Ward ließ sich zur Krankenschwester ausbilden.

Sie war seit elf Monaten in Vietnam und dort unermüdlich im Einsatz, als Korvettenkapitän Robert Bellamy hereingefahren und — zum Tode verurteilt wurde. In den hoffnungslos überfüllten Lazaretten untersuchten die Ärzte zwei oder drei Patienten gleichzeitig und entschieden dann, wen sie zu retten versuchen würden.

Susan hatte nie genau begriffen, warum sie nach einem einzigen Blick auf den schwerverwundeten Robert Bellamy gewußt hatte, daß sie diesen Mann nicht sterben lassen konnte. Hatte er sie an ihren Bruder erinnert? Oder gab es irgendein anderes Motiv? Sie war abgespannt und erschöpft, aber anstatt ihre Erholungspausen zu nutzen, verbrachte sie jeden freien Augenblick damit, Robert zu pflegen.

Susan hatte die Personalakte ihres Patienten eingesehen. Als hervorragender Pilot und Fluglehrer bei den Marinefliegern war er mit dem Distinguished Service Cross ausgezeichnet worden. Er stammte aus Harvey, Illinois, einer Kleinstadt südlich von Chicago, war nach dem College zur Navy gegangen und hatte seine Ausbildung in Pensacola absolviert. Und er war unverheiratet.

Während Robert Bellamy darum kämpfte, den schmalen Grat zwischen Tod und Leben zu überschreiten, flüsterte Susan ihm täglich zu:»Weiter so, Seemann! Ich warte auf dich.«

Sechs Tage nach seiner Einlieferung ins Lazarett befand sich Robert immer noch im Delirium. Doch plötzlich setzte er sich im Bett auf, starrte Susan an und sagte laut und deutlich:»Das ist kein Traum. Sie gibt’s wirklich.«

Susans Herz machte einen kleinen Freudensprung.»Ja«, bestätigte sie leise,»mich gibt’s wirklich.«