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Zerberus klopfte mit dem Schwanz auf den Boden, aber er rührte sich nicht.

«Darf ich Ihnen Mr. William Higgs vorstellen», übertönte Poirot das Klopfen von Zerberus’ Schweif. «Ein Meister seines Faches. Während des Chaos heute nacht hat Mr. Higgs Zerberus aus der Hölle hierher gelockt.»

«Sie haben ihn herausgelockt?» Die Gräfin starrte das mausartige Männchen ungläubig an. «Aber wie? Wie?»

Mr. Higgs senkte verschämt die Augen.

«Das kann ich vor einer Dame nicht sagen. Aber es gibt Dinge, denen kein Hund widerstehen kann. Wenn ich will, folgt mir ein Hund überallhin. Natürlich, wissen Sie, wirkt es bei Hündinnen nicht – nein, das ist etwas ganz anderes.»

Die Gräfin Rossakoff wandte sich an Poirot.

«Aber warum? Warum?»

Poirot erklärte langsam:

«Ein Hund, der für diesen Zweck abgerichtet ist, wird einen Gegenstand so lange im Maul behalten, bis er den Befehl bekommt, ihn loszulassen. Wollen Sie ihrem Hund jetzt den Befehl geben, das, was er im Maul hält, loszulassen?»

Vera Rossakoff machte große Augen, wandte sich um und äußert zwei scharfe Worte.

Zerberus’ großes Maul öffnet sich, und dann wurde es wirklich beängstigend. Zerberus’ Zunge schien ihm aus dem Maul zu fallen …

Poirot trat vor. Er hob ein kleines, in rosa Kautschuk eingewickeltes Paket auf. Drinnen war ein Päckchen weißen Pulvers.

«Was ist das?»fragte die Gräfin scharf.

Poirot sagte ruhig:

«Kokain. Dem Anschein nach eine so kleine Menge – aber genug, um jenen, die gewillt sind, dafür zu bezahlen, Tausende Pfunde wert zu sein … Genug, um Hunderten Jammer und Elend zu bringen …»

Sie schnappte nach Luft.

«Und Sie glauben, daß ich – aber das ist nicht wahr», rief sie.«Ich schwöre Ihnen, es ist nicht wahr! In der Vergangenheit habe ich mich mit den Schmuckstücken, den bibelots, den kleinen Kuriositäten amüsiert – all das hilft einem zu leben, wissen Sie. Und ich denke mir, warum nicht? Warum soll ein Mensch eine Sache eher besitzen als ein anderer?»

«Ganz wie ich bei den Hunden denke», warf Mr. Higgs ein.

«Sie können Recht und Unrecht nicht unterscheiden», sagte Poirot bekümmert zu der Gräfin.

Sie fuhr fort:

«Aber Rauschgifte – das nicht! Denn die bringen Elend, Schmerzen und Verfall. Ich hatte keine Ahnung, daß meine reizende, unschuldige, entzückende kleine Hölle zu diesem Zweck mißbraucht wird!»

«Ich bin ganz Ihrer Meinung, was die Rauschgifte betrifft», sagte Mr. Higgs. «Das Dopen von Windhunden – das ist eine Gemeinheit. Ich möchte nie mit so etwas zu tun haben, und ich habe nie mit so etwas zu tun gehabt.»

«Oh, sagen Sie, daß Sie mir glauben, mein Freund», flehte die Gräfin.

«Natürlich glaube ich Ihnen. Habe ich mir nicht Zeit und Mühe genommen, um den wirklichen Organisator des Rauschgifthandels zu überführen? Habe ich nicht die zwölfte Arbeit des Herkules vollbracht und Zerberus aus der Hölle herausgeholt, um meinen Fall zu beweisen? Und eines möchte ich Ihnen sagen: ich sehe meine Freunde nicht gerne eingesperrt – ja, eingesperrt – denn Sie waren als Sündenbock ausersehen, wenn die Sache schiefgehen sollte. In Ihrer Handtasche wären die Smaragde gefunden worden, und wenn jemand so klug gewesen wäre wie ich, um im Maul eines bissigen Hundes ein Versteck zu vermuten – eh bien, er ist Ihr Hund, nicht wahr? Sogar wenn er la petite Alice soweit akzeptiert hat, um auch ihr zu gehorchen. Ja, machen Sie nur die Augen auf.

Vom ersten Augenblick an konnte ich diese junge Dame mit ihrem wissenschaftlichen Jargon und ihrem Kostüm mit den großen Taschen nicht leiden. Ja, Taschen. Es ist unnatürlich, daß eine Frau so wenig auf ihr Äußeres gibt! Und was sagt sie mir – daß es nur auf die Tiefe ankommt. Aha! Und was ist tief? Taschen sind tief, in denen sie Rauschgifte verbergen und Schmuck wegtragen kann – ein kleiner Austausch, der sich leicht bewerkstelligen läßt, während sie mit ihrem Komplizen tanzt, den sie angeblich als psychologischen Fall betrachtet. Aber welcher Deckmantel. Niemand verdächtigt die ernste Psychologin, das Fräulein Dr. med. Sie kann Rauschgifte einschmuggeln und sie ihren reichen Patienten angewöhnen und sie überreden, das Geld für einen Nachtklub herzugeben und ihn dann von jemandem führen lassen – der, sagen wir, in der Vergangenheit eine kleine Schwäche hatte. Aber sie verachtet Hercule Poirot, sie glaubt, sie kann ihn mit ihrem Geschwätz über Kindermädchen und Hemden täuschen. Eh bien, ich war auf das vorbereitet. Die Lichter gehen aus. Ich stehe schnell von meinem Tisch auf und stelle mich neben Zerberus. In der Dunkelheit höre ich sie kommen. Sie öffnet ihm das Maul und zwängt das Päckchen hinein, und ich – ganz zart, von ihr unbemerkt, zwicke mit einem Scherchen ein Stückchen Stoff von ihrem Ärmel ab.»

Er zog schwungvoll die Trophäe hervor.

«Sie sehen – genau das gleiche karierte Tweedmuster – und ich werde es Japp geben, damit er es dort einfügt, wohin es gehört, und die junge Dame verhaftet – und sagt, wie klug Scotland Yard wieder einmal gewesen ist.»

Die Gräfin Rossakoff starrte ihn entgeistert an. Plötzlich ertönte aus ihrem Mund ein Klageton wie von einem Nebelhorn:

«Aber mein Niki – mein Niki. Das wird furchtbar für ihn sein!» Sie hielt inne. «Oder glauben Sie nicht?»

«Es gibt eine Menge anderer Mädchen in Amerika», sagte Hercule Poirot.

«Und ohne Sie wäre seine Mutter jetzt im Gefängnis – im Gefängnis – mit abgeschnittenen Haaren – in einer Zelle sitzend – und nach Karbol duftend! Ah, aber Sie sind großartig – großartig.»

Sie erhob sich majestätisch, schloß Poirot in ihre Arme und küßte ihn mit slawischer Glut. Mr. Higgs sah entzückt zu. Der Hund Zerberus klopfte mit dem Schweif auf den Boden.

Mitten in diese Freudenszene ertönte eine Glocke.

«Japp», rief Poirot und befreite sich aus den Armen der Gräfin.

«Ich gehe lieber ins andere Zimmer», sagte die Gräfin.

Sie schlüpfte durch die Verbindungstür.

Poirot wollte zur Eingangstür eilen.

«Chef», keuchte Mr. Higgs ängstlich, «schauen Sie zuerst in den Spiegel.»

Poirot gehorchte und fuhr zurück. Lippenstift und Mascara verzierten sein Gesicht in wildem Durcheinander. «Wenn das Mr. Japp von Scotland Yard ist, wird er bestimmt auf das Ärgste gefaßt sein», erklärte Mr. Higgs.

Als die Glocke wieder läutete und Poirot fieberhaft versuchte, grellrotes Fett von seinen Schnurrbartspitzen zu entfernen, fügte das Männchen hinzu:

«Was soll ich tun? – auch verduften? Und was geschieht mit diesem Höllenhund hier?»

«Wenn ich mich recht entsinne», sagte Hercule Poirot, «so kehrt Zerberus in die Hölle zurück.»

«Ganz wie Sie wünschen», sagte Mr. Higgs. «Eigentlich hatte ich ein Auge auf ihn geworfen … aber er ist nicht der Hund, den ich klauen möchte – nicht für immer – zu auffallend, wenn Sie mich verstehen. Und stellen Sie sich vor, was er mich an Koteletts und Pferdefleisch kosten würde. Frißt soviel wie ein junger Löwe, denke ich.»

«Vom Nemischen Löwen zur Gefangennahme des Zerberus», murmelte Poirot, «die Prüfungen sind beendet.»

Eine Woche darauf brachte Miss Lemon ihrem Chef eine Rechnung.

«Entschuldigen Sie, Monsieur Poirot, stimmt es, daß ich das bezahlen soll? Leonora, Blumenhandlung. Rote Rosen. Elf Pfund, acht Schilling und Sixpence. Abgegeben bei Gräfin Vera Rossakoff, ‹Hölle›, 13 End. Str., W. C. I.»

Wie die Farben der Rosen, so waren Hercule Poirots Wangen.

Er errötete bis unter die Haarwurzeln.

«Es stimmt vollkommen, Miss Lemon. Ein kleiner Tribut – hm – zu – zu einem Anlaß. Der Sohn der Gräfin hat sich gerade in Amerika verlobt mit der Tochter seines Chefs, eines Stahlmagnaten. Rote Rosen sind – wenn ich mich recht erinnere – ihre Lieblingsblumen.»