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Der alte Krieger gab einen grunzenden Laut von sich.

»Er ist mein Leibwächter. Er hat geschworen, nicht von meiner Seite zu weichen.«

Bei diesen Worten blickte Kolja auf und schenkte dem Zapote ein herausforderndes Lächeln.

Barnaba griff nach einer der Decken aus kratziger Wolle. »Danke für deine Gastfreundschaft …« Er sah den Alten an.

»Chullunku Walla«, entgegnete dieser. Nun ließ auch er sich nieder. »In deiner Sprache heißt das so viel wie Krieger aus dem Eis. Wie die meisten Männer hier komme ich aus den Bergprovinzen Zapotes, und ich fürchte, es war mein Name, der mir die zweifelhafte Ehre einbrachte, der Statthalter in dieser Stadt im ewigen Eis zu sein.« Er nahm eines der Fischstücke und reichte es Barnaba.

Der Priester versuchte, die leicht gelbliche Salzkruste zu ignorieren, und biss einfach hinein. Als er auf dem zähen Fisch kaute, hatte er das Gefühl, seine Zunge müsse verdorren. Jeder Tropfen Speichel wurde von dem Salz gebunden, und er vermochte kaum zu schlucken.

Chullunku reichte ihm eine Kürbisflasche. »Trink das.« Er lächelte. »Fisch muss schwimmen.«

Das Gebräu war wie flüssiges Feuer. Aber es tilgte den Salzgeschmack. Mit einiger Überwindung aß Barnaba weiter. Als er das Fischstück hinunter hatte, nickte Chullunku anerkennend. Kolja schien weniger Schwierigkeiten zu haben. Er nahm sich gerade ein zweites Stück und winkte nach der Kürbisflasche.

»Dein Leibwächter führt sich auf, als wäre er ein großer Herr.«

»Das Privileg der Krieger. Er ist gut.«

»Gut darin, sich schlagen zu lassen? Er sieht aus, als hätte er eine Menge abbekommen.«

»Weniger als die Männer, die mich herausgefordert haben«, sagte der Drusnier schneidend.

Legte der alte Zapote es etwa darauf an, sich mit Kolja zu prügeln? Barnaba hatte in seinem Leben genug Beispiele für absurden Kriegerstolz gesehen, um beunruhigt zu sein. »Du fragst dich sicherlich, warum wir hier sind, Chullunku.«

»Stimmt«, entgegnete er, ohne Kolja aus den Augen zu lassen.

Barnaba hatte den ganzen Weg darüber nachgesonnen, was er antworten sollte, denn die Frage nach dem Grund ihrer Reise war unausweichlich. Er hatte zwischen dreisten Lügen und einer Geschichte geschwankt, die der Wahrheit zumindest nahe kam. Niemals könnte er sich als Priester der Göttin Nangog vorstellen. Jeder halbwegs loyale Diener der Unsterblichen hätte gar keine andere Wahl, als sein Feind zu sein. Und die Zapote waren nicht gerade dafür berühmt, zögerlich zu sein. Es musste also eine Halbwahrheit sein …

»Wir sind auf einer Schatzsuche. Der Unsterbliche Aaron schickt uns.«

»Der Unsterbliche Aaron?«

Kolja verdrehte die Augen, als hätte er Chullunku gerade etwas Falsches gesagt.

»Der Aaron, der die Tempel meines Volkes in der Goldenen Stadt angreifen ließ?« Chullunku schnaubte. »Ich dachte, ihr wärt Händler. Ich hätte euch draußen auf dem Wolkenschiff lassen sollen, als Fraß für die Sturmgeister.«

»Wir werden weiter nach Norden reisen«, sagte Barnaba so leise, dass es außer Kolja keiner seiner Männer hören konnte. »Wenn ich deinen Worten glaube, werden wir ohnehin alle sterben. Du kannst ja behaupten, du hättest uns nicht gewarnt und in den Tod geschickt. Vielleicht würde es deinen Priestern gefallen, das zu hören.«

»Ganz sicher würde es das. Doch du hast Glück, Himmelsreisender, noch höher schätzen wir hier das Gesetz der Gastfreundschaft. Ihr werdet heute mit allem versorgt. Und ich wünsche, dass ihr morgen sehr früh aufbrecht.«

Barnaba nickte und nahm noch ein Stück Salzfisch. Schweigend kaute er vor sich hin und betrachtete die winzige, tanzende Flamme der Öllampe.

»Wo findet ihr denn das Weiße Gold?«, fragte Kolja nach einer Weile.

Der Zapote legte den Kopf schief und sah den vernarbten Krieger eindringlich an. »Du interessierst dich für das Gold von Wanu?« Ein süffisantes Lächeln spielte um die Lippen des Alten. »Willst du uns helfen, es abzubauen? Du siehst kräftig aus. Auch wenn du nur einen Arm hast, wärst du eine willkommene Hilfe. Wir bringen das Weiße Gold über die Brücke zu einem Weltentor auf der anderen Seite des Flusses. Es ist ein Marsch von zehn Meilen. Wenn die Tage so kurz sind, ist das gefährlich. Wir müssen das Tor vor Einbruch der Nacht erreichen. Vor drei Monden haben wir eine ganze Karawane verloren.« Er hob die Kürbisflasche an die Lippen und nahm einen tiefen Schluck. »Ihr solltet nicht weiter in den Norden reisen.« Chullunku sah Barnaba eindringlich an. »Ein Anführer trägt die Verantwortung für das Leben seiner Männer. Kehr um!«

»Wie können du und deine Männer dann hierbleiben?«

»Wir alle sind Freiwillige. Unser Land braucht uns hier.« Er sah wieder zu Kolja. »Wegen des Weißen Goldes. Du hast breite Schultern, Krieger. Wenn du mir drei Monde dienen willst, bekommst du am Ende einen Sack mit so viel vom Weißen Gold, wie du tragen kannst.«

Die Augen des Drusniers weiteten sich.

»Du hast mir geschworen, mit mir nach Norden zu reisen«, erinnerte Barnaba ihn.

»Wenn ich wiederkomme …«, begann Kolja, als plötzlich hinter ihnen eine Stimme ertönte.

»Pass auf, du machst gerade ein Scheißgeschäft!« Nabor, der Lotse, war zu ihrem Lagerplatz gekommen. »Ich hatte dich doch gewarnt, dass Zapote einen eigenwilligen Sinn für Humor haben, du Depp. Schlag bloß nicht ein! Weißt du, was Wanu bedeutet? Es ist das Wort für Vogelscheiße in ihrer Sprache. Ihr Weißes Gold ist nichts als Berge von Scheiße. Schau mich nicht so an. Das ist buchstäblich wahr!«

»Stimmt das?«, brauste Kolja auf.

Chullunku prostete ihm mit der Kürbisflasche zu. »Jedes Wort. Und doch ist Wanu auch unser Weißes Gold. Keine Woche vergeht hier, in der nicht Arbeiter sterben, um es zu gewinnen. Fünfhundert Sack füllen wir jeden Tag. Auch bei Schneesturm oder wenn uns die verdammten Geister bedrohen. Wir kämpfen für Scheiße …« Er begann auf eine Art zu kichern, dass Barnaba sich fragte, ob er noch bei Verstand war.

»Wozu, zum Henker, braucht man Vogelscheiße?«, polterte Kolja los und nahm dem Zapote die Flasche ab.

»Als Dünger, Narbengesicht. Die Felder in den Bergen, dort, wo ich herkomme, geben nicht allzu viel her. Und auch die Böden im Dschungel sind nicht gut. Wenn wir Wanu benutzen, dann bringt ein Feld, auf dem früher zehn Sack Mais geerntet wurden, vierzehn Sack. Es ist das größte Geschenk Nangogs für uns. Einen halben Tagesmarsch entfernt, an der Flussmündung, liegen Felsinseln, auf denen das ganze Jahr über Vögel leben. Im warmen Wasser finden sie reiche Nahrung, und es hält den ärgsten Frost fern. Seit Jahrtausenden kommen die Vögel schon dorthin. Möwen, aber auch komische Viecher, die nicht mehr fliegen können, dafür aber gute Taucher sind. Ihre Scheiße liegt viele Schritt hoch auf den Felsen. Ein Teil meiner Arbeiter fährt dort in Lederbooten hinaus, um es zu ernten. Wusstest du, dass Wanustaub blind macht, wenn man ihn zu oft in die Augen bekommt? Und immer wieder kommt es vor, dass Schnabelwale ihre Boote angreifen. Aber sie halten durch, genauso wie meine Lastenträger. Weil sie hier leiden, stirbt in Zapote niemand mehr vor Hunger.« Er sah Kolja herausfordernd an. »Sag selbst, ist das nicht viel besser als eine Goldmine?«

»Du wolltest mich mit einem großen Sack voll Scheiße bezahlen?«

»Weißes Gold, mein Freund!« Chullunku kicherte erneut. »Weißes Gold! Denk noch einmal darüber nach. Mein Lohn ist viel großzügiger als alles, was der Diener des Unsterblichen Aaron dir zu bieten hat. Wenn du für ihn weiter nach Norden gehst, dann findest du nur den Tod!«

Es war still geworden in dem weiten Kellergewölbe. Der Zapote hatte die letzten Worte so laut gesprochen, dass jeder sie hatte hören können.

»Alles nur Aberglaube«, sagte Barnaba mit fester Stimme. »Es gibt einen tödlichen Feind dort draußen, das will ich nicht leugnen. Es ist die Kälte! Aber dagegen werden wir uns wappnen.« Er wagte es nicht, in Anwesenheit der Zapote von der Großen Göttin zu sprechen. »Ihr werdet Helden sein, wenn wir mit unserem Schatz heimkehren. Und ein jeder von euch wird seinen Anteil vom Schatz bekommen.«