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»Wird das wieder geschehen?«

Ich weiß es nicht, mein Schwertmeister. Ich habe mich auf ein unbekanntes Schlachtfeld gewagt, und ich fürchte, ich habe verloren. Sie … sie verweigert sich mir. Die Kinder hätten längst geboren sein müssen … Fast scheint es, als würden sie auf etwas warten.

»Was sollte das sein?«

Plötzlich war er da. Aus den Schatten geboren, die ihn auch jetzt nur zum Teil preisgeben wollten. Zum ersten Mal war sein schmales, blasses Gesicht von Sorgen gezeichnet, mit dunklen Ringen unter den Augen und Falten, die sich tief in den Mundwinkeln eingenistet hatten. Nodon war erschrocken, seinen Gebieter so zu sehen.

Ihr sollt zu ihr gehen, Schwertmeister. Vielleicht wartet sie ja auf Euch? Mich will sie nicht sehen. Ich spüre, meine Nähe schadet ihr.

»Warum dieses Haus?«

Ich wollte, dass die Dame Nandalee nahe bei mir ist und … Nein, das ist nur ein vorgeschobener Grund. Die anderen Drachenelfen sollten die Dame nicht sehen. Sie würden nie mehr aufhören, darüber zu reden …

»Was ist denn los?« Voller Sorge blickte er auf die schwere Tür, den Riegel, das fensterlose Mauerwerk. »Was …?«

Ich werde nicht darüber sprechen. Ihr sollt unvoreingenommen sein, wenn Ihr sie seht. Ihr seid meine letzte Hoffnung. Wenn sich nichts ändert, dann … Ich werde die Kinder holen müssen, gegen ihren Willen. Sie selbst will sie nicht gehen lassen. Sie hält sie gefangen!

Nodon sagte nichts, aber er war anderer Meinung, wer hier wen gefangen hielt. »Wer kümmert sich um die Dame Nandalee?«, fragte er schließlich.

Firaz, eine meiner Seherinnen. Ich konnte sie überreden zu bleiben, obwohl sie sich vor der Dame fürchtet.

Nodon wollte keine weiteren Andeutungen hören. Er wollte sehen, was geschehen war! Entschlossen riss er den schweren Riegel zurück. Firaz stand in der Tür. Hatte der Dunkle die Gazala in Gedanken vorgewarnt? Schwülwarme Luft schlug Nodon aus dem Inneren des Hauses entgegen. Heißer und stickiger noch, als es hier im Felsgarten inmitten der Wüste war.

»Schnell!«, die Gazala griff nach seiner Hand und zog ihn herein. Dann schloss sie die Tür. »Nandalee mag es nicht, wenn es kühler wird. Sie … sie ist unheimlich!«

Das kleine Haus bestand nur aus einem einzigen Raum, der von Dutzenden Öllämpchen in strahlendes Licht getaucht wurde. Nandalee saß in der Mitte der Kammer auf dem Boden. Sie war nackt. Um sich herum hatte sie Decken und zerknüllte Kleidungsstücke versammelt. Mitten darin thronte sie. Es wirkte auf Nodon fast so, als hätte die Drachenelfe sich ein Nest gebaut.

Sie saß völlig still im Lotussitz und hatte ihm den Rücken zugewandt. Ihre Hände ruhten auf ihren Knien, die Handflächen nach oben. Die Haare hatte sie zu einem unordentlichen Knoten hochgesteckt, sodass die Tätowierung auf ihrem Rücken fast vollständig zu sehen war. Zwei einander belauernde Drachen – kein anderer Drachenelf trug das Bild zweier Herren!

Es herrschte eine erstickende, schwüle Hitze in dem kleinen Haus. Dem Eingang gegenüber gab es eine große, gemauerte Feuerstelle, neben der sich ein Stapel Brennholz an der Wand auftürmte. Gleich mehrere Töpfe, in denen Wasser kochte, standen in den Flammen.

»Nandalee?«

Die blinde Gazala schüttelte den Kopf. »Sie hört nicht. Nur ihr Körper ist hier, ihr Geist weilt in weiter Ferne. Wenn er denn überhaupt noch mit diesem Körper verbunden ist …«

»Wie meinst du das?«

»Ich bin blind, aber ich spüre, wie sie sich immer mehr von dieser Welt löst … Was ich sehe, ist ihre Aura, all das, was mir mein Verborgenes Auge enthüllt. Ihre Traurigkeit, ihren Zorn und – was ihr vielleicht am meisten zu schaffen macht – ihre Hilflosigkeit. Sie hat Angst davor, Mutter zu sein … Davor läuft sie fort. Und sie ist schon sehr weit von uns.«

Nodon eilte zu Nandalee und ging vor ihr in die Hocke. Das Gesicht der Drachenelfe war ausgezehrt und von Schweiß überströmt. Die Augen nur einen Spalt weit geöffnet und zur Decke hin verdreht, sodass nur das von roten Adern durchzogene Weiß zu sehen war. Ihr ganzer Leib war abgemagert. Arme und Beine kaum mehr als Haut und Knochen. Nur ihr Bauch formte eine geradezu grotesk große Kugel.

»Sie isst kaum noch«, flüsterte Firaz ihm zu. »Und von dem wenigen, das sie zu sich nimmt, erbricht sie das meiste. Ich fürchte, wenn der Dunkle kommt, die Kinder zu holen, dann wird sie das nicht überleben. Sie ist zu schwach. Schon eine natürliche Geburt wird sie in Lebensgefahr bringen …«

Nodon erhob sich, um Nandalee mit etwas Abstand zu betrachten. Wie hatte es so weit kommen können? Jetzt verstand er, was Firaz, obwohl sie blind war, so unheimlich fand. Nichts war hier mehr normal. So sollte eine Elfe keine Kinder bekommen. Er hatte kaum Erfahrungen mit Schwangerschaften, aber das hier … Nandalee hatte so gar nichts mit den wenigen schwangeren Elfen gemeinsam, die er in seinem Leben gesehen hatte. So wie sie da im Lotussitz saß, fast von der Welt losgelöst, wirkte sie, als würde sie brüten.

Dazu noch die schwüle Hitze in dieser seltsamen Kammer. Wenn es Fenster gäbe, würde er sie aufreißen. Er sah zur Tür hin und dachte daran, wie eilig Firaz ihn hereingezerrt hatte. Was würde Nandalee tun, wenn er sie von hier fortholte? Das konnte doch unmöglich ihre Idee gewesen sein, sich hier zu verkriechen.

Nodon kniete wieder vor ihr nieder und legte ihr sanft eine Hand auf den Arm. »Du musst von hier fort. Dieser Ort schadet dir.«

Die blinde Seherin hockte sich neben Nodon und tupfte erstaunlich geschickt den Schweiß von Nandalees Antlitz. »Sie hört dich nicht«, sagte sie traurig. »Auf Worte reagiert sie schon lange nicht mehr.«

Er strich ihr über den Arm. »Es wird alles gut. Komm zurück und hilf uns.«

Nandalee reagierte nicht. Sie schien ihn nicht wahrzunehmen, ganz wie Firaz es gesagt hatte.

»Bitte, komm zu uns zurück. Tu es für die Kinder«, sagte er ein wenig lauter und drängender.

Nichts. Nandalee saß wie versteinert.

Es schmerzte ihn, sie so zu sehen, die stolze, rebellische Drachenelfe, die vor nichts Angst gehabt hatte, die sich jedem entgegenstellte, ohne sich vor den Konsequenzen zu fürchten. Er war oft nicht einer Meinung mit ihr gewesen, und doch hatte sie ihn zutiefst beeindruckt. Er hatte etwas in ihr gesehen, was ihm immer gefehlt hatte. Die Gabe, die Welt, wie sie war, nicht als gegeben und unveränderlich anzusehen. Wie hatte ausgerechnet sie kapitulieren können?

»Du läufst davon«, sagte er vorwurfsvoll. »Das weißt du, nicht wahr? Dieser Kampf, den du aufgegeben hast, ist der wichtigste, den du je austragen wirst. Es ist der Kampf um deine Kinder. Wie kannst du die beiden verloren geben?«

»Es ist fast, als wäre sie schon tot«, sagte Firaz mit belegter Stimme.

Nodon sah die Gazala schweigend an, dann legte er Nandalee die Hände auf die Wangen. »Warum? Du bist eine Drachenelfe. Wir geben niemals auf zu kämpfen. Was ist mit dir geschehen? Was hat dich so sehr verändert?«

»Die Liebe zu Gonvalon«, sagte die Seherin in die Stille. »Kannst du es nicht sehen? Er hat ihr Herz mit sich genommen, als er starb.«

»So ein Unsinn!«, zischte Nodon.

»Das macht es so schwer mit euch Männern, dass ihr die Liebe für Unsinn haltet, wir aber nicht.«

Was sollte er darauf sagen? Verblendeter, romantischer Unsinn! Das war das Letzte, was sie jetzt weiterbrachte. Nodon betrachtete die spröden Lippen Nandalees, die dicken Schweißperlen in ihrem Gesicht, die golden im Licht der Öllampen glänzten. Sie war einmal schön gewesen. Gonvalon hatte alles für sie gegeben. Ja, er war für sie gestorben, davon war er überzeugt. War es das, was sie nicht verwand? Dass ein anderer den höchsten Preis für sie gezahlt hatte?

Nodon hatte sie nie schön gefunden, aber doch anziehend. Es war ihr Wesen. Sie war so anders, als er es war.

Wieder betrachtete er sie eindringlich. Sie hatte sich noch nie von einem Weg, den sie einmal eingeschlagen hatte, abbringen lassen. So würde es auch diesmal sein. Selbst der Dunkle war gegen ihren Dickkopf machtlos. Sie würde bei der Geburt der Kinder sterben, wenn der Erstgeschlüpfte sie holen käme. Weil sie es so wollte!