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Er beugte sich vor und küsste sacht die rauen Lippen. »Lebe wohl, meine stolze, dumme Kriegerin. Ich wünsche dir eine gute Wiedergeburt.«

Zum ersten Mal, seit er die Hütte betreten hatte, wagte Firaz es nicht, irgendetwas zu sagen. Er selbst war überrascht von dem, was er getan hatte. Er hatte Respekt vor Nandalee. Und er hatte sich mit mehr als nur ein paar Worten verabschieden wollen, die sie ohnehin nicht hörte.

Müde richtete er sich auf und ging zu der schweren Tür. Nie zuvor hatte ihn eine Mission so erschöpft wie der Winterkrieg auf Nangog und nun der Abschied von Nandalee. Er fuhr sich an die Stirn. Da war ein plötzlicher, stechender Schmerz. Seit einer Weile suchte ihn dieser Kopfschmerz fast täglich heim.

»Schwertmeister!«

»Was?« Nodon ließ seine Hand schwer gegen die Tür sinken. Er würde klopfen müssen, damit er aus diesem Kerker entkam.

»Ihre Lippen zittern!«

»Und?«

»Ich glaube, sie versucht zu sprechen …«

Mit zwei Schritten war Nodon wieder bei ihr. Tatsächlich, Nandalee kämpfte darum, etwas zu sagen. Ihre Augen waren immer noch verdreht, doch jetzt weit aufgerissen. Tränen rannen über ihre Wangen.

Firaz nahm seine Hand und legte sie Nandalee auf den Arm. Sie glühte vor Fieber.

»Gonvalon«, hauchte sie, und Nodon hatte das Gefühl, das eine Wort müsse ihr die Kehle zerschneiden, so viel Leid und zugleich auch Hoffnung lagen darin.

Er wollte etwas sagen, wollte ihren Irrtum aufklären, als Firaz ihm eine Hand auf die Lippen legte und den Kopf schüttelte.

»Gonvalon«, flüsterte Nandalee noch einmal, leiser nun.

Seine Hand strich ihren Arm hinab, und er spürte sie erschauern. Dann legte er sie auf ihre offene Handfläche. Sie verschränkte ihre Finger in die seinen, hatte aber keine Kraft, die Hand zu schließen.

Plötzlich stieß sie einen tiefen Seufzer aus. Ihr ganzer Leib erzitterte, und sie kippte zur Seite.

Nodon fing sie auf. Hielt sie fest in den Armen.

»Es hat begonnen«, rief Firaz. »Sie hat Wehen! Sie hat sich eingenässt. Die Kinder. Sie wird ihre Kinder bekommen. Halt fest. Halt sie ganz fest!« Sie beugte sich dicht zu ihm. »Und zerstöre nicht ihren Glauben«, flüsterte sie ihm ins Ohr.

Wie konnte er Nandalee vorspielen, was er nicht war? Sie hatte ihre Kinder nicht in eine Welt ohne Gonvalon gebären wollen. Durfte er sie so sehr betrügen?

Nandalee krümmte sich unter Krämpfen. »Alles wird gut«, sagte er, ohne länger nachzudenken, während Firaz der Drachenelfe die Beine spreizte.

Ein Mörder und eine blinde Seherin als Geburtshelfer. Das konnte nicht gut gehen. »Wir müssen Hilfe holen«, flüsterte er.

»Warum?« Die Gazala klang beleidigt. »Die Natur hat es so eingerichtet, dass Frauen ihre Kinder auch ganz alleine bekommen können. Du hältst sie fest, streichelst sie und flüsterst ihr irgendwelchen netten Unsinn ins Ohr, bis ich dir sage, dass du damit aufhörst. Um den Rest kümmere ich mich. Und glaube mir, starke, schmale Hände, die wissen, was sie tun, sind dabei wichtiger als Augenlicht.«

»Aber der Dunkle … Sollte er nicht hier sein?«

»Hast du denn gar nichts begriffen? Um seinetwillen will sie die Kinder nicht bekommen. Nandalee will nicht, dass ein Drache in Elfengestalt ihnen den Vater vorspielt. Wenn er dieses Haus betritt, dann weiß ich nicht, was geschehen wird. Er darf hier nicht herein. Und das weiß er auch. Diese Geburt zu schaffen ist allein unsere Sache! Und jetzt streng dich an und mach deine Sache gut, Gonvalon.« Den Namen sagte sie laut und mit großem Nachdruck, und so verwirrt Nandalee auch war, schien sie dies zumindest verstanden zu haben, denn sie drückte ihm schwach die Hand.

Nodon schluckte. Er konnte nicht mehr fortlaufen. Auch wenn er einen Kampf wie diesen nie hatte bestehen wollen. Wieder bäumte Nandalee sich unter Krämpfen auf.

»Alles wird gut«, flüsterte er und strich ihr das strähnige, schweißnasse Haar aus dem Gesicht. Ein leichtes Lächeln spielte um ihre Lippen, doch ihre Augen waren immer noch verdreht.

»Versuch zu pressen!«, befahl ihr Firaz. »Sie werden nicht von alleine kommen. Du musst deinen Kleinen helfen.« Die Seherin griff Nandalee zwischen die Schenkel.

Nodon wandte sich ab. Er wollte das nicht sehen.

»Du schaffst das«, sagte er mit Nachdruck. »Bald ist es vorüber.« Er hatte zwar keine Ahnung, wie lange es dauern würde, aber er war sich sicher, dass Nandalee das gerne hören würde, wenn sie denn überhaupt etwas von dem verstand, was er ihr zuraunte. Sie war nach wie vor nicht wirklich bei sich, aber ihr Körper schien auch ohne ihre Hilfe zu wissen, was bei einer Geburt zu tun war.

Nodon hatte das Gefühl, dass es sich Stunden hinzog. Immer wieder kamen die Krämpfe. Immer kräftiger krallten sich ihre Finger in die seinen. Er tupfte ihre Stirn mit Wasser ab, gab ihr zu trinken und wiederholte sich endlos mit den beruhigenden Worten, die er ihr zuflüsterte.

Die fensterlose Kammer, getaucht in das goldene Licht der Öllampen, war zeitlos. Er konnte nicht sagen, ob es draußen Nacht oder Tag war. Er aß zwischendurch ein wenig Obst, ohne wirklich Hunger zu haben, und dann endlich war es so weit, und plötzlich ging alles schnell. Firaz hielt ein kleines Knäuel mit verkniffenen Augen und nassem, dunkelblondem Haar in ihren blutverschmierten Händen.

»Ein Mädchen«, verkündete die Seherin stolz. »Nimm sie, Nodon. Leg sie Nandalee auf die Brust und achte darauf, dass sie nicht herunterrutscht.«

Der kleinen Elfe schien es nicht zu gefallen, aus dem Schoß ihrer Mutter gerissen worden zu sein. Sie begann mit erstaunlich kräftiger Stimme zu schreien. Nodon nahm sie nur zögerlich an sich. Sie war so federleicht, so zerbrechlich. Schnell legte er sie auf Nandalees Brust. Firaz durchtrennte die Nabelschnur.

Für einen Augenblick verzaubert, betrachtete Nodon das winzige Mädchen. Weinend, mit geballten Fäusten lag es dort, und seine Mutter regte sich nicht. Immer noch waren Nandalees Augen so verdreht, dass sie nur das Weiß zeigten. Sie tastete nicht nach dem Kind, sagte kein Wort. Sie lag wie tot, während das Neugeborene um ihre Liebe kämpfte.

Hilflos blickte Nodon zu Firaz, doch die Gazellenfrau beachtete ihn nicht. Sie wirkte angespannt, ihre Hände waren in Nandalees Schoß versunken. Leise murmelte die Seherin etwas Unverständliches vor sich hin. Ein Bittgebet? Eine Beschwörung?

Sie hatte das zweite Kind aus dem Leib geholt, doch wirkte sie jetzt verstört. Nodon beugte sich zu ihr herüber und rang um Atem, als er sah, was zwischen Nandalees Schenkeln lag. Aus der blutigen Nachgeburt ragten dicke Eierschalen und Leichenteile. Es hatte noch ein Kind gegeben? Wie hatte es verborgen bleiben können? War es schon tot gewesen, als Nodon Nandalee aus ihrem Tal holen wollte?

Er sah zu Firaz auf, die das zweite Kind nun an sich drückte. Einen Jungen, dem ein Arm fehlte. Hatte der Dunkle nicht alles in Ordnung gebracht? Grässliche Narben verunstalteten den Körper des Neugeborenen. Hatte ihm das sein unheimlicher Bruder angetan, den der Dunkle Nandalee entrissen hatte? Und wie konnte es sein, dass das kleine Mädchen völlig unversehrt geblieben war?

»Sag ihr niemals, was du hier gesehen hast«, befahl Firaz streng und drückte ihm den Jungen in den Arm. »Es muss für immer ein Geheimnis bleiben.« Die Seherin bückte sich und sammelte die Nachgeburt in ein besudeltes Tuch, das sie mitten in die Flammen der Feuerstelle warf.

»Was wird mit dem Jungen?« Nodon betrachtete den Kleinen unsicher, der ihn aus großen Augen aufmerksam musterte. Er war anders als das Mädchen, wirkte verständig, als würde er schon jetzt, in der Stunde seiner Geburt, begreifen, was um ihn herum vor sich ging. Er atmete ruhig. Seine Lunge schien kräftig und unverletzt zu sein. Er gab keinen Laut von sich. Schaute nur auf eine Art, die Nodon zutiefst berührte und zugleich auch unheimlich war.