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»Mit Verlaub, mein Gebieter, das überlassen wir nicht dem Zufall. Es wird viel geredet über uns, ja, aber wir streuen die Gerüchte. Manche Einwohner halten uns für Fürstenkinder, die vor den Aushebungen für den Krieg in Nangog geflohen sind, einige gar für Piraten.« Bidayn lachte leise. »Andere sind überzeugt, ich sei eine Erbschleicherin und wolle den armen Shanadeen ausnehmen. Und wieder andere dichten mir eine Affäre mit Asfahal an. Die meisten dieser Gerüchte haben wir in Umlauf gebracht. Sie sind zu einem dichten Schleier vor der Wahrheit geworden.«

»Ich rieche Asfahal an dir.« Zum ersten Mal, seit sie durch die Tür getreten war, wirkte sie unangenehm berührt.

»In den besten Lügen ist stets ein wenig Wahrheit enthalten«, sagte sie leise.

Eine Weile schwiegen sie beide. Er war überrascht, sich eingestehen zu müssen, dass es ihm nicht gefiel, dass sie mit Asfahal das Lager teilte. Mit Shanadeen war das etwas anderes. Der Goldene war sich ganz sicher, dass sie nichts für den Handelsfürsten empfand. Aber Asfahal … Seine stärkste Magie lag in seinem Lächeln.

»Ich bin offen zu Euch, Dame Bidayn. Eure Taten hier erfüllen mich mit Missvergnügen.«

»Dann lasst mich beweisen, dass es der richtige Weg war. Sie haben wochenlang geprobt. Sie sind gut. Bitte, Erhabener, gebt uns Gelegenheit, uns zu beweisen. Der Plan, den ich entworfen habe, ist gut. Bitte gebt uns ein Ziel, und wir beweisen es Euch.«

»Ihr seid vier Drachenelfen. Die Weiße Halle gibt es nicht mehr. Vielleicht wird für lange Zeit nicht mehr die Möglichkeit bestehen, neue Drachenelfen auszubilden. Wenn Ihr Euch irrt, meine Dame, und wir vier Drachenelfen verlieren, wäre dies eine empfindliche Niederlage.«

»Wir werden nicht versagen!«

Sie war wirklich überzeugt, dachte er. »Nandalee hat ihre Kinder bekommen.« Er beobachtete Bidayn scharf. Sie zeigte keinerlei Regung. Offensichtlich hatte sie wirklich mit ihrer früheren Freundin gebrochen.

»Doch noch ist Nandalee nicht unser Ziel. Sie wird gut bewacht. Ihr sollt Euch an anderer Stelle beweisen.« Er dachte an seinen Bruder. Daran, was die verdammten Devanthar ihm angetan hatten. Er vegetierte in einem Teich auf Nangog, tief unter der Erde verborgen, ein Teil eines makaberen Rituals. Er war tot, und doch schafften sie es, seinen Leib weiterleben zu lassen. Sich mit einer Devanthar einzulassen war dumm gewesen, aber dieses Schicksal hatte sein Nestbruder nicht verdient. Die Devanthar und ihre engsten Diener, die Unsterblichen, sollten lernen, was es hieß, den Zorn der Himmelsschlangen herauszufordern.

»Ich kann Euer Verlangen, Euch zu beweisen, gut nachvollziehen, meine Dame.« Er ließ sie spüren, dass sie keinen ihrer Gedanken vor ihm verbergen konnte. Er wusste nun, was mit Asfahal gewesen war, und kämpfte gegen seinen Ärger an. Bidayn war zu kostbar und trotz ihres selbstbewussten Auftritts noch nicht innerlich gefestigt. Dieses Mal würde er darauf verzichten, sie zu bestrafen. »Ihr habt bereits Pläne, meine Dame. Ihr möchtet einen der Unsterblichen töten?«

Bidayn nickte ernsthaft. »Ja, mein Gebieter. Ich kenne die Lage aller Paläste und aller bedeutenden Tempel in der Goldenen Stadt. Wenn wir dort zuschlagen, würde ich mich auf vertrautem Terrain bewegen.«

»Ich hoffe, Euer Ehrgeiz übersteigt nicht Eure Möglichkeiten, geschätzte Bidayn.«

»Ganz gewiss nicht, mein Gebieter«, entgegnete sie voller Leidenschaft.

»Nun, so sei es. Ich möchte den Menschenkindern eine Botschaft schicken. Und Ihr werdet meine Botin sein. Nur zwei Unsterbliche weilen in diesen Tagen in der Goldenen Stadt. Die Herrscher Arams und Drusnas. Wählt Euch einen als Ziel, meine Dame, stürmt seinen Palast, tötet den Unsterblichen und möglichst viele seiner hohen Beamten, Priester und Leibwächter. Das Ziel dieses Angriffs ist es, Schrecken zu verbreiten. Die Menschenkinder sollen sich an keinem Ort mehr sicher fühlen. Und sie sollen beginnen, an ihren Göttern zu zweifeln, weil sie nicht von ihnen beschützt werden. Werdet Ihr diese Aufgabe erfüllen können?«

Bidayn verneigte sich vor ihm. »Euer Vertrauen ehrt mich, Erhabener. Wir werden Eure Befehle in die Tat umsetzen. Sofort! Ohne zu zögern! Wir sind Drachenelfen!«

»Nun, ich hoffe, Ihr erfüllt mich dieses Mal mit Stolz, Dame Bidayn. Meinem Befehl, hier in Uttika unsichtbar zu bleiben, seid Ihr nicht nachgekommen.« Er spürte ihren Zorn, auch wenn sie äußerlich völlig ruhig blieb.

»Ich bitte um Erlaubnis, etwas zu sagen, Erhabener.«

Er nickte.

»Ich war niemals unsichtbar in dieser Stadt. Auch als ich nur ein unscheinbares Kindermädchen war, wurde über mich geredet. Uttika ist zu klein, und es gibt hier zu wenige Elfen. Jeder aus unserem Volke erweckt Aufmerksamkeit. Als noch vier weitere Elfen kamen, mussten sie Stadtgespräch werden. Aber bitte glaubt mir, Herr, was wir wirklich sind, ist tief verborgen. Geht durch die Stadt und lauscht auf die Gespräche der Albenkinder. Viele reden über uns. Doch niemand, nicht einmal der argwöhnische Kentaurenfürst Sekander, würde uns je für Drachenelfen halten.«

»Eure Versuche, Euer Scheitern zu rechtfertigen, verärgern mich, Dame Bidayn. Geht nun.«

Sie verbeugte sich erneut und zog sich zurück. Deutlich spürte er, dass ihr Ärger in Verzweiflung umgeschlagen war. Doch nun war er sich sicher, dass sie in der Goldenen Stadt ihr Bestes geben würde. Ein Unsterblicher würde ausgelöscht werden, dort, wo sich die Menschenherrscher am sichersten fühlten.

Der Goldene verließ die Gasse. Bidayn hatte recht gehabt. In dieser Stadt unsichtbar zu bleiben war für Elfen unmöglich. Sie hatte zwar keinen guten, aber doch einen durchaus akzeptablen Weg gefunden, um mit diesem Problem umzugehen. Doch das würde er ihr nicht sagen. Sie war ihm ein wenig zu selbstbewusst geworden.

Er schlenderte zu den Anlegestellen am Hafen und lauschte erneut den Gesprächen ringsherum.

»Unsere Männer sollen einen großen Sieg auf Nangog errungen haben, und es waren vor allem Kentauren, die sich dabei hervorgetan haben.«

»Der Preis für Salzheringe wird steigen. Ich sag es dir! Sie werden sie als haltbare Vorräte für die Feldzüge zu schätzen wissen.«

»Dieses Weib von Shanadeen. Ich bin mir sicher, sie schon einmal gesehen zu haben. Sie war eine Hure in einem sehr teuren Freudenhaus in Mylal. Ganz gewiss hat Shanadeen sie dort gefunden.«

Der Goldene musste lächeln. Tatsächlich hielt niemand in der Stadt Bidayn für eine Drachenelfe. Er sollte gnädiger mit ihr sein, wenn sie sich in der Goldenen Stadt bewährte. Und dennoch neigten sich seine Sympathien gerade eher Lyvianne zu. Er wusste, dass der schnelle Aufstieg ihrer Schülerin ihr zu schaffen machte. Und das hatte sie dazu beflügelt, über sich hinauszuwachsen. Wenn sie das Komplott Ištas aufdeckte, dann würde dies der Sache der Devanthar mehr Schaden zufügen als der Tod von zehn Unsterblichen.

Der letzte Kampf

Die Nacht hatte bereits den östlichen Horizont verschlungen. Im letzten Abendlicht des Westens schnitten schwarze Sicheln durch den Himmel, der mit Gold und Purpur prunkte. Mauersegler auf ihrem letzten Flug vor der Nacht.

Lyvianne war zu den Ruinen des Tempels zurückgekehrt, über denen sich in der Nacht der Palast aus Mondenlicht erheben würde. Schnell wuchsen die Schatten zwischen den geborstenen Mauern. Der Ort, an dem einst der Purpurne und Anatu über den Frieden der Welten verhandelt hatten, füllte sich mit Dunkelheit. Es war beklemmend still. Das Lied der Grillen fehlte an diesem Abend.

Die Elfe stieg zwischen Disteln mit lila Blüten den trockenen Hang hinauf. Er war schon hier, sie konnte es spüren. Der Ebermann erwartete sie irgendwo dort oben zwischen den Schatten. Diesmal hatte sie ihr Schwert mitgenommen. Jene mächtige Klinge, geschmiedet im Feuer der Himmelsschlangen, der die Eigenschaft innewohnte, jeden ihrer Zauber noch zu stärken. Und dieses Mal hatte sie sich weder in raue Wolle noch in schlecht gegerbtes Leder gekleidet oder die Gestalt eines verschwitzten Kriegers angenommen. Diesmal kam sie als das, was sie war, eine Drachenelfe. Denn sie würde an der Seite eines Devanthar reisen, auf Wegen, weitab von jenen, die die Menschenkinder nutzten. Gemeinsam würden sie das Rätsel Iyalis ergründen. Vielleicht wusste er ja, was ihre Worte zu bedeuten hatten: Der purpurne Herr des Himmels begegnete Anatu zum ersten Mal im Netz der goldenen Wege, meine Herrin aber traf ihn zum ersten Mal in ihrem Palast aus Mondenlicht.