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»Bitte … ich … Es wäre nicht klug, es zu überstürzen.« Shanadeen wirkte nun etwas gefasster. »Versteh mich nicht falsch. Ich bitte nur um Zeit, damit unsere Geschichte glaubwürdiger erscheint. Ich weiß nicht, was dich hierher nach Uttika geführt hat, und ich will es auch gar nicht erfahren, aber ich vermute doch, dass du kein Aufsehen erregen willst. Ich habe hier viele Geschäftsfreunde, und sie kennen mich als einen Mann, der schon seit Langem den Frauen nicht mehr zugetan ist. Wenn ich nun plötzlich heirate, dann mag das einigen seltsam vorkommen.«

»Du bevorzugst also meinen anderen Vorschlag?« Bidayn genoss es, ihn erneut erbleichen zu sehen. »Ich glaube, ich könnte recht überzeugend deinen Platz einnehmen.«

»Es genügt nicht, allein auszusehen wie ich!«, entgegnete Shanadeen überraschend kämpferisch. »Ohne zu wissen, was ich weiß, wirst du keinen Tag bestehen. Meine Geschäftsfreunde werden schnell merken, dass sich Shanadeen plötzlich nicht mehr an vergangene Gespräche und an alte Absprachen erinnert. Und sie werden sich fragen, warum das so ist. Und dann werden sie deinen Geruch bemerken …«

Bidayn schürzte die Lippen. »Es ist nicht nett, immer auf dem Duft deiner Zukünftigen herumzureiten. Und was das Übrige angeht: Hast du vergessen, was ich bin? Ich nehme mir nicht nur dein Aussehen. Ich werde auch jede deiner Erinnerungen stehlen. Wir Drachenelfen sind die auserwählten Diener der Himmelsschlangen. Wir sind vollkommen in allem, was wir tun. Und glaube mir, Shanadeen, du kannst dir nicht einmal in deinen wildesten Albträumen ausmalen, wozu wir in der Lage sind. Also reize mich nicht! Ich werde meine Warnung nicht wiederholen.« Sie bedachte ihn mit einem freundlichen Lächeln. »Genug der Unerfreulichkeiten. Gehen wir nun hinaus und lassen wir deine Dienerschaft von unserem neuen Liebesglück wissen. Mach nicht so ein Gesicht. Bedenke, du hast mir gerade dein Herz geschenkt. Du willst doch überzeugend sein, nicht wahr?«

»Natürlich!« Der Kaufherr zwang sich zu einem recht kläglichen Lächeln und ging zur Tür.

»Du schätzt Graumur, nicht wahr? Er steht schon lange in deinen Diensten und trägt die Narben mancher Schlacht auf seinen Armen und in seinem Gesicht. Er ist einer, der bei Gefahr nicht davonläuft. Warne ihn nicht! Es täte mir leid, ihn zu töten.«

Shanadeen richtete sich auf.

Hatte sie mit ihrem Verdacht richtiggelegen? Die Tür schwang auf. Helles Morgenlicht überflutete den Hinterhof. Der Minotaur stand an die gegenüberliegende Mauer gelehnt. Er hielt seine massige Streitaxt lässig gegen die Schulter gelehnt, doch Bidayn vermochte er nicht zu täuschen. Sie sah seine Anspannung. Den fragenden Blick. Nie zuvor hatte jemand seinen Herrn in dessen Schatzkammer stören dürfen. Jeder im Haus wusste, dass für dieses Vergehen die schwersten Strafen angedroht worden waren.

»Morgen, Graumur«, sagte Shanadeen steif. »Schöner Tag, nicht wahr?«

Der Minotaur legte den Kopf schief. Es war offensichtlich, dass sein Herr ihn so noch nie begrüßt hatte.

Shanadeen reichte ihr den Arm, und Bidayn hakte sich überrascht ein. Der Alte machte seine Sache besser, als sie erwartet hatte.

»Bald wird sich im Haus einiges ändern«, erklärte der Kaufherr dem sichtlich verwunderten Krieger. »Es wird ein großes Fest geben, und ich verspreche dir ein Fass Met für dich ganz allein.«

Graumur sah ihnen verwundert nach, während sie durch die kleine Tür traten, hinter der ein langer Flur tief ins Herrenhaus führte. Shanadeen löste seinen Arm. Es war hier zu eng, als dass sie bequem hätten nebeneinander gehen können.

Er hielt sich noch immer sehr gerade. Keine Geste verriet, was er dachte, doch Bidayn war sich ganz sicher, dass er sie hintergehen würde, sobald sich Gelegenheit dazu bot. Über kurz oder lang würde sie ihn loswerden müssen. Aber erst einmal würden sie eine Weile das verliebte Paar spielen.

Sie erreichten die Tür zur Küche. Die Mädchen frühstückten meist hier. So oft hatte Bidayn in den letzten Wochen hier gesessen und den immer gleichen kindlichen Scherzen gelauscht. Über Kruppa, die kleine, rundliche Koboldköchin, die die unumschränkte Herrscherin der Küche war, über Maya, ihre zierliche Tochter, die seit sie Kentauren in den Weg gekommen war, die sich in den engen Gassen der Stadt ein wildes Wettrennen geliefert hatten, ein Holzbein besaß. Über Graumur, der durch das kleine Fenster zum Hof jeden Morgen schweißüberströmt nach einem Humpen Bier fragte, wenn er seine Schattenkampfübungen mit der großen Axt abgeschlossen hatte. Und jeden Morgen zeterte Kruppa, dass er ein nichtsnutziger Säufer sei, nur um ihm zuletzt doch seinen Humpen zu geben.

Bidayn war ein Teil von alldem geworden. Es war fast ein Zuhause. Sie schob den sentimentalen Gedanken zur Seite. Dies alles hier war nur ihre Tarnung. Etwas, das sie und ihre wirklichen Absichten verbarg, so wie sie ein dunkler Umhang bei Nacht verbarg. Sie sollte keine Gefühle für diesen Ort und seine Bewohner empfinden.

Shanadeen trat als Erster in die Küche und wurde mit Gekicher und fröhlichen Morgengrüßen von Lydaine und Farella empfangen. »Ich habe euch eine wichtige Mitteilung zu machen«, unterbrach er seine Töchter in feierlichem Tonfall. »Ich weiß nicht, ob es den wachsamen Augen meines Personals nicht ohnehin schon offenbar wurde.« Bei diesen Worten bedachte er die Köchin Kruppa mit einem scharfen Blick. »Seit einigen Wochen sind Bidayn und ich uns sehr zugetan, und ich gestehe freimütig, dass es weniger ihre Referenzen als vielmehr ihre Schönheit war, die mich dazu veranlasst hatte, ihr eine Anstellung in diesem Hause zu geben.«

Kruppa und ihrer Tochter Maya klappte vor Staunen der Mund auf, wohingegen die beiden Mädchen noch nicht begriffen, worauf diese Rede hinauslaufen würde.

»Wie ihr wisst, bin ich kein Mann vieler Worte, und Heimlichkeiten sind mir ein Gräuel. Bevor es Gerede darüber gibt, ob ich zärtliche Bande zu unserem Kindermädchen unterhalte, sage ich es lieber offen heraus: Wir sind verliebt und werden heiraten.«

»Wunderbar! Ganz wunderbar!«, platzte es aus Maya heraus, die auf ihrem Holzbein quer durch die Küche stakste und sich erst im letzten Augenblick bewusst wurde, dass es einer Kobolddienerin nicht zustand, begeistert die Beine ihres Elfenherren zu umarmen.

Bidayn war zufrieden. Shanadeen hatte tatsächlich schauspielerisches Talent bewiesen. Kruppa musterte sie zwar misstrauisch, wagte aber kein Wort zu sagen.

»Sie wird dann unsere Mutter?« Die blonde Lydaine ließ den Löffel in ihre Schale mit Hirsebrei fallen und schnitt eine Grimasse. »Du kannst sie nicht heiraten, Vater. Sie stinkt schlimmer als ein toter Fisch. Ich möchte nicht, dass sie in deinem Bett liegt und du auch so riechst.«

Shanadeen räusperte sich verlegen und suchte noch nach Worten, als Bidayn ihm zuvorkam. »Weißt du, meine Kleine, es sind Lügen, die uns hässlich machen und manchmal sogar stinken lassen. Von nun an sagen wir uns immer nur noch die Wahrheit.« Sie ging in die Hocke und weitete die Arme. »Komm her, und du wirst feststellen, dass mein Gestank verflogen ist.«

Lydaine schüttelte den Kopf. »Du bist nicht meine Mutter. Ich will dich nicht!«

»Und du, Farella?« Bidayn stand auf. Das Mädchen saß an der ihr zugewandten Seite des großen Küchentischs. Sie war die stillere der beiden, mit schwarzem Haar und Augen wie Abgründe. Sie liebte es, Weiß zu tragen, wohingegen Lydaine sich gar nicht bunt genug anziehen konnte. Bidayn hatte Farella immer lieber gemocht. Sie trat an ihre Seite und strich ihr sanft übers Haar. »Und, stinke ich noch?«

Das Mädchen schnupperte übertrieben laut, als wäre sie ein Jagdhund, der Witterung aufgenommen hatte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Du riechst gut«, sagte sie verblüfft. »Sehr gut!« Sie legte den Kopf an ihre Brust und schnupperte weiter. »Toll!«

Offenbar haftete ihr noch etwas von dem Wohlgeruch des Goldenen an, dachte Bidayn zufrieden. Nun stand auch Lydaine auf und kam zu ihr herüber. Obwohl sie sonst immer eher stürmisch war, näherte sie sich vorsichtig, übertrieben laut atmend. Verwundert runzelte sie die Stirn. Schließlich umarmte sie Bidayn, vergrub das Gesicht unter ihrer Achsel und gab gurrende Laute, wie eine zufriedene Taube, von sich. »Du riechst wirklich so gut!«