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Da der Fluß am Ufer für unser Klangexperiment nicht tief genug war, stapften wir durch den stärker werdenden Regen auf die Docks zu, um nach einer tieferen Stelle zu suchen.

Wir erwiderten die gelegentlichen, hartnäckigen Rufe von Fahrradrikschas mit einem Kopfschütteln, schon viel zu tief in unsere düstere Stimmung versunken, um eine Erleichterung überhaupt noch in Betracht ziehen zu können.

Wir fanden eine vorübergehend verlassene, am knarrenden Dock herumlungernde Passagierfähre und stapften mühsam über die Gangway. Die Fähren sind große, klotzige Fünfdecker-Keile, die sich tagtäglich – jeweils mit mindestens tausend eingeklemmten, Richard-Clayderman-beschallten Passagieren an Bord – wie monströse, fleckige Zitronentortenstücke den Yangtse rauf- und runterquälen. Durch eine Reihe von Schotten gelangten wir auf ein über dem Wasser liegendes Deck, von dem aus Chris einige hoffnungslose Versuche unternahm, das kleine rosa Ding mit dem Knopfmikrofon in die trüben Fluten zu schlenkern. Zunächst kam es, vom Winde verweht, überhaupt nicht bis nach unten und trieb dann, als es endlich ins Wasser fiel, dreist auf der Oberfläche.

Unter uns war ein weiteres Deck, das jedoch, wie sich herausstellte, nicht ganz leicht zu finden war – das Innenleben des Bootes leitete uns ununterbrochen mit verriegelten Türen um. Am Ende entkamen wir dem Irrgarten und betraten erneut ein über dem Wasser gelegenes Deck, diesmal einige Meter tiefer.

Das Mikrofon weigerte sich weiterhin beharrlich, in den dickflüssigen, braunen Fluten zu versinken, bis wir es mit meinem Hotelzimmerschlüssel aus Peking beschwerten, den ich versehentlich mitgenommen hatte. Das Mikro machte sich, in sein Kondom gehüllt, auf den Weg in die Tiefe, und Chris begann mit der Aufnahme.

Ein Boot nach dem anderen kroch donnernd an uns vorbei über den Fluß. Es waren größtenteils sechs bis zehn Meter lange, rußgeschwärzte Dschunken, deren kleine Besatzungen uns manchmal mit verwirrter Neugier und manchmal überhaupt nicht ansahen. Am Heck jeder Dschunke rüttelte und brüllte ein betagter Dieselmotor, der schwarze Wolken in die Luft stieß und die Schraube im Wasser antrieb.

Nachdem wir einige Minuten auf Deck verbracht hatten, tauchte plötzlich ein Mitglied der Fährenbesatzung auf und zeigte sich überrascht, uns dort anzutreffen. Wir verstanden natürlich kein Mandarin, aber die Frage »Was, zum Teufel, macht ihr denn da?« hat in jeder Sprache einen vertrauten Klang.

Allein die Vorstellung, einen Erklärungsversuch für unser Verhalten zu unternehmen, gab uns den Rest. Wir einigten uns darauf, ihm mit Hilfe von eindeutigen mimischen Bemühungen und symptomatischem Gelächter klarzumachen, daß wir völlig irre wären. Es klappte. Er schluckte es, hing aber trotzdem weiterhin im Hintergrund herum, um uns im Auge zu behalten. Schließlich zerrte Chris unsere Vorrichtung aus dem Wasser nach oben, trocknete sie ab und zeigte sie ihm. Als der Matrose erkannte, daß es ein Kondom war, das wir im Wasser hatten herumbaumeln lassen, schien ihm ein Licht aufzugehen.

»Ah!« sagte er. »Ficky ficky!« Er grinste glückselig und stieß sich den rechten Zeigefinger ein paarmal in die geballte linke Hand. »Ficky ficky!«

»Ja«, stimmten wir ihm zu. »Ficky ficky.«

Hocherfreut über diese endgültige Klärung, marschierte er davon und ließ uns mit der Aufnahme allein, die wir uns abwechselnd über Kopfhörer anhörten.

Was wir hörten, waren nicht genau die Geräusche, die wir erwartet hatten. Da sich Wasser bestens zur Ausbreitung von Schallwellen eignet, hatte ich damit gerechnet, den schweren, hämmernden Widerhall der Boote deutlich zu hören, die an uns vorbeigestampft waren. Aber weil das Wasser den Schall so gut überträgt, hörten wir mehr, das heißt alles, was; in der Umgebung von vielen, vielen Meilen im Yangtse passierte. Es war ein grandioses, kakaphonisches Durcheinander.

Was wir statt des Dröhnens jeder einzelnen Schiffsschraube hörten, war ein unaufhörliches, gellendes Schmettern, in dem man nichts, überhaupt nichts auseinanderhalten konnte.

Zum Glück existierte Professor Zhou wirklich. Und er existierte nicht nur, sondern war, als Mark ihn an der Universität von Nanking besuchen ging (ich war an dem Tag krank), sogar anwesend und erklärte sich bereit, vorbeizukommen und mit uns im Jing-Ling-Hotel zu Abend zu essen (bis dahin ging es mir wieder besser, weil das Restaurant ziemlich gut war.)

Er war ein kultivierter, freundlicher, ungefähr sechzigjähriger Mann. Er wies uns gnädig in die ungewohnte Speisekarte ein und machte uns mit einer örtlichen Spezialität bekannt, der sogenannten Nanking-Ente. Was, wie sich herausstellte, einer Peking-Ente annähernd entsprach (beziehungsweise »Beijing-Ente«, wie man heute sagt – oder, um absolut genau zu sein, Szechwan-Ente, was genau das ist, was wir jahrelang unter dem Namen »Peking-Ente« gegessen haben. Man hatte uns in Peking eine wunderbare Szechwan-Ente aufgetischt, weil man in Peking Szechwan-Ente ißt. »Peking-Ente« ist etwas anderes und wird in zwei Gängen aufgetragen, von denen man den zweiten normalerweise vernachlässigen kann.) Um das Ganze zu beenden: Wie sich zeigte, hatte die Nanking-Ente sehr viel Ähnlichkeit mit einer Peking-Ente, abgesehen davon, daß das ganze Ding durch das Auftragen einer festen, zentimeterdicken Salzschicht ungenießbar wird. Professor Zhou gab zu, daß die Ente auf diese Art und Weise nicht annähernd so angenehm schmecke, aber so werde sie in Nanking nun mal zubereitet.

Professor Zhou hieß uns in China willkommen, zeigte sich überrascht und erfreut, daß wir einen so weiten Weg auf uns genommen hatten, um uns die Delphine anzusehen, sagte, er werde alles in seinen Kräften Stehende tun, um uns zu helfen, glaube aber nicht, daß es uns etwas nützen werde. In China sei alles ein bißchen schwierig, vertraute er uns an. Er versprach zu versuchen, die Leute vom Delphin-Projekt anzurufen und ihnen unsere Ankunft anzukündigen, hielt das aber nicht für besonders aussichtsreich, weil er sie, unabhängig von unserem Besuch, schon seit Wochen zu erreichen versuchte.

Er sagte, ja, wir hätten recht. Der Lärm im Yangtse sei ein ernstzunehmendes Problem für die Delphine und beeinträchtige ihre Echopeilung erheblich. Die Delphine hätten es sich angewöhnt, beim Klang eines Bootes weit zu tauchen, unter Wasser die Richtung zu wechseln, unter dem Boot hindurchzuschwimmen und hinter ihm wieder an die Oberfläche zu kommen. Wenn sie jetzt unter dem Boot seien, gerieten sie durcheinander und tauchten zu früh wieder auf, genau unter den Schiffsschrauben.

All diese Veränderungen seien sehr plötzlich eingetreten, sagte er. Der Yangtse sei für Millionen Jahre unverschmutzt geblieben, die Wasserqualität habe sich jedoch in den letzten paar Jahren dramatisch verschlechtert, und den Delphinen sei keine Zeit geblieben, sich umzugewöhnen.

Daß es die Delphine überhaupt gab, war erst seit relativ kurzer Zeit bekannt. Die Fischer hatten schon immer von ihnen gewußt, aber Fischer unterhielten sich nicht oft mit Zoologen, und in der chinesischen Geschichte habe es außerdem eine schmerzliche Phase gegeben, in der niemand mit irgendwelchen Wissenschaftlern gesprochen, sondern sie bloß wegen des Tragens von Brillen ständig bei der Partei denunziert hatte.

Der erste Delphin wurde 1914 entdeckt, nicht im Yangtse, sondern im Dongting-See, als ein zu Besuch in China weilender Amerikaner ihn tötete und mit zurück ans Smithsonian Institut nahm. Unbestreitbar hatte man es mit einer neuen Flußdelphinart zu tun, aber darüber hinaus interessierte sich niemand sonderlich für die Tiere.

Als Professor Zhou dann in den späten fünfziger Jahren von einer Feldforschungsreise, auf der er Vögel studiert hatte, zurückkehrte, erwartete ihn ein nicht klassifiziertes Skelett. Es handelte sich um die gleiche Delphinspezies, nur daß dieses Exemplar nicht im Dongting-See entdeckt worden war, wo die Art nicht mehr existierte, sondern im Yangtse.