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Quilley konnte sich sogar des sonderbaren Gefühls nicht erwehren, dass er und Loch auf eine merkwürdige Weise im selben Boot säßen. Mit erstaunlichem Mut rief Quilley daraufhin unter einem Vorwand die New Yorker Nummer von GK an, doch dabei stellte sich heraus, dass er an einen Telefonservice für Firmen geriet, die kein eigenes Büro in der City unterhielten: sie erteilten keine Auskünfte über ihre Kunden. Von Stund an konnte Ned an nichts weiter denken als an seine beiden Besucher und den Lunch. Hätte er ihnen doch bloß die Tür gewiesen! Er rief sogar das Münchener Hotel an, das sie erwähnt hatten, und bekam einen wenig zuvorkommenden Manager an den Apparat. Die Herren Gold und Karman seien eine Nacht geblieben, dann jedoch am nächsten Morgen unerwartet in geschäftlichen Dingen weitergereist, sagte er säuerlich - warum also erzählte er es ihm überhaupt? Überall ein wenig zuviel Information, dachte Ned. Oder zu wenig. Und überall das Gefühl, jemand an der Strippe zu haben, der das, was er tat, wider besseres Wissen tat. Ein deutscher Produzent, den Kurtz erwähnt hatte, sagte, sie seien »gute Leute, sehr respektabel, oh, sehr gut«. Doch als Ned fragte, ob sie kürzlich in München gewesen seien und mit welchen Projekten sie zu tun hätten, wurde der Produzent feindselig und legte praktisch den Hörer auf.

Blieben nur noch Neds Berufskollegen im Agentengeschäft. An die wandte Ned sich nur widerstrebend und ungeheuer beiläufig: er streute seine Nachforschungen breit, doch wo er auch anfragte: nichts.

»Hab’ neulich zwei schrecklich nette Amerikaner kennengelernt«, vertraute er sich schließlich Herb Nolan von den Lomax Stars an, als er an Herbs Tisch im Garrick stehenblieb. »Waren rübergekommen, um Abschlüsse wegen irgendwelcher hochgestochenen Fernseh-Serien zu machen. Gold und noch was. Sind die Ihnen auch über den Weg gelaufen?«

Nolan lachte. »Ich bin es doch, der sie zu Ihnen geschickt hat, alter Junge. Erkundigten sich nach ein paar von meinen Vogelscheuchen und wollten dann alles über Ihre Charlie wissen. Ob ich meinte, dass sie auch in Amerika wirklich ankommen würde. Ich hab’s ihnen gesagt, Ned. Hab’s ihnen gesagt.«

»Und was haben Sie ihnen gesagt?« »Dass sie uns höchstwahrscheinlich eher alle in die Luft jagen würde, hab’ ich gesagt. Warum?«

Deprimiert über die Gewöhnlichkeit von Herbs Humor, fragte Ned nicht weiter. Doch am selben Abend, nachdem Marjory ihm sein unvermeidliches Geständnis entlockt hatte, war er auch bereit, seine Ängste mit ihr zu teilen.

»Sie hatten es so verflixt eilig«, sagte er. »Sie hatten zu viel Energie, selbst für Amerikaner. Wie ein Paar Polizisten sind sie über mich hergefallen. Erst der eine, dann der andere. Ein Paar Bluthunde«, fügte er den Vergleich wechselnd noch hinzu. »Ich überlege immer noch, ob ich nicht doch zur Polizei gehen sollte«, sagte er.

»Aber, Liebling«, sagte Marjory schließlich, »ich fürchte, nach dem, was du erzählt hast, waren sie von der Polizei.«

»Ich werde ihr schreiben«, erklärte Ned mit großer Entschiedenheit. »Ich habe nicht übel Lust, ihr zu schreiben und sie zu warnen, für alle Fälle. Wer weiß, in was sie da hineingerät.« Doch selbst wenn er das getan hätte, wäre er zu spät gekommen. Denn keine achtundvierzig Stunden später dampfte Charlie nach Athen ab, um ihr Rendezvous mit Joseph einzuhalten.

Sie hatten es also wieder einmal geschafft; oberflächlich gesehen und verglichen mit der Hauptstoßrichtung des Unternehmens, quasi nur eine Nebenhandlung; aber eine höchst riskante, wie Kurtz noch am selben Abend als erster zugab, als er Misha Gavron bescheiden seinen Triumph meldete. Aber was hätten wir sonst machen sollen, Misha -können Sie mir das sagen? Wo sonst lag denn ein so kostbarer, über einen so langen Zeitraum gehender

Schatz an Korrespondenz, den wir uns hätten holen können? Sie seien anderen Empfängern von Charlies Briefen nachgejagt

- Freunden, Freundinnen, ihrer dummen Pute von Mutter und einer ehemaligen Lehrerin; ein paarmal hätten sie sich als Vertreter einer Firma ausgegeben, die daran interessiert sei, Manuskripte und Autographen der Großen von morgen zu erwerben. Bis Kurtz mit Gavrons widerwillig erteiltem Einverständnis die ganze Sache abgeblasen hatte. Besser ein großer Schlag, hatte er erklärt, als so viele gefährliche kleine.

Außerdem brauchte Kurtz das Ungreifbare. Er musste die Temperatur und die Struktur des Steinbruchs, in dem er arbeitete, genau fühlen. Wer war folglich besser geeignet, ihm dazu zu verhelfen, als Quilley, der sie nun schon so lange kannte und unschuldig seine Erfahrungen mit ihr gemacht hatte? So hatte Kurtz es mit seiner Entschlossenheit durchgeboxt. Und danach flog er am nächsten Morgen, wie er Quilley erzählt hatte, nach München, selbst wenn die Produktion, um die es ihm ging, ganz anders geartet war, als er ihm weisgemacht hatte. Er suchte seine beiden sicheren Wohnungen auf, er flößte seinen Leuten neuen Mut ein. Außerdem arrangierte er auch noch ein freundschaftliches Treffen mit dem guten Dr. Alexis: wieder ein ausgedehntes Mittagessen, bei dem fast nichts von Belang besprochen wurde

- doch was brauchen alte Freunde mehr als einander?

Und von München aus setzte Kurtz seine Reise in südlicher Richtung fort. Er flog nach Athen.

Kapitel 5

Die Fähre legte mit zweistündiger Verspätung in Piräus an, und wenn Joseph nicht schon ihr Flugticket eingesteckt hätte -Charlie hätte ihn womöglich doch noch sitzenlassen. Vielleicht aber auch nicht, denn so verrückt sie nach außen auch wirkte, innerlich litt sie unter dem Fluch der Zuverlässigkeit, die bei den Menschen, mit denen sie verkehrte, oft reinste Verschwendung war. Einerseits hatte sie zuviel Zeit zum Nachdenken gehabt, und obwohl sie sich inzwischen zu der Überzeugung durchgerungen hatte, dass es sich bei dem Geisterzuschauer von Nottingham, York und East London entweder um einen anderen Mann gehandelt oder dass sie sich das Ganze überhaupt nur eingebildet hatte, regte sich in ihrem Inneren immer noch eine beunruhigende Stimme, die sich durch nichts zum Schweigen bringen lassen wollte. Andererseits war es bei weitem schwieriger gewesen, der Familie ihre veränderten Pläne klarzumachen, als Joseph es hingestellt hatte. Lucy war sogar in Tränen ausgebrochen und hatte ihr Geld aufnötigen wollen - »Meine letzten fünfhundert Drachmen, Chas, nimm sie, sie gehören dir!« Willy und Pauly waren betrunken am Pier vor schätzungsweise Tausenden von Zuschauern vor ihr niedergekniet- »Chas, Chas, wie kannst du uns das antun?« -, und um all dem zu entkommen, hatte sie sich durch eine grinsende Menge kämpfen und die ganze Straße hinunterrennen müssen, wobei der Riemen ihrer Schultertasche gerissen war; die Gitarre hatte sie unter dem anderen Arm hängen, und alberne Tränen der Reue liefen ihr übers Gesicht. Ihre Rettung war ausgerechnet der strohblonde Hippie aus Mykonos, der auf demselben Schiff mit ihnen herübergekommen sein musste, wenngleich sie ihn auch nicht gesehen hatte. Er kam mit einem Taxi an ihr vorüber, las sie auf und setzte sie fünfzig Meter von ihrem Bestimmungsort wieder ab. Er stamme aus Schweden und heiße Raoul, sagte er. Sein Vater sei geschäftlich in Athen, und jetzt hoffe er, ein bisschen bei ihm lockermachen zu können. Sie war ein wenig überrascht, dass er sich plötzlich so vernünftig zeigte; Jesus erwähnte er auf der Fahrt kein einziges Mal. Das Diogenes-Restaurant hatte eine blaue Markise. Ein aus dicker Pappe ausgeschnittener Koch forderte sie auf, einzutreten.