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In dem Falle, Misha, mein Freund, sagte Kurtz, werden wir etwas Zeit und Geld verschwendet und ein paar Gebete umsonst gesprochen haben. An dieser Ansicht hielt er durch dick und dünn fest; selbst wenn er im engsten privaten Kreis -zu dem seine Frau und gelegentlich Becker gehörten - gestand, sich auf ein Teufelsspiel eingelassen zu haben. Aber auch hier setzte er vielleicht auf die Kokotte. Kurtz hatte sein Auge auf Charlie geworfen, seit sie zum ersten Mal bei dem Wochenendseminar aufgetaucht war. Er hatte ihr ein Etikett aufgeklebt, hatte Erkundigungen über sie eingezogen und sich in Gedanken von allen Seiten mit ihr beschäftigt. Man sucht sich sein Werkzeug zusammen, man hält nach Aufgaben Ausschau, man improvisiert, pflegte er zu sagen. Man passt eine Operation den Dingen an, die einem zur Verfügung stehen. Aber wozu sie erst nach Griechenland schleppen, Marty? Und alle anderen mit ihr? Machen wir denn in Wohlfahrt, dass wir plötzlich unsere kostbaren Geheimfonds mit vollen Händen für entwurzelte linke englische Schauspieler ausgeben?

Doch Kurtz blieb stur. Er verlangte von Anfang an, dass nicht kleinlich vorgegangen werde, weil er wusste, dass man ihm hinterher ohnehin tausend Abstriche machen würde. Da Charlies Odyssee in Griechenland beginnen sollte, darauf bestand er, müsse sie schon vor der Zeit nach Griechenland gebracht werden, wo die fremde Umgebung und das Besondere ihrer Situation es ihr leichter machen würden, sich von heimatlichen Bindungen zu befreien. Soll die Sonne sie weich machen. Und da Alastair sie nie allein losziehen lassen würde - warum ihn nicht mitkommen lassen, um ihn dann im psychologisch richtigen Moment zu entfernen und sie einer weiteren Stütze zu berauben. Und da alle Schauspieler Familien bilden - und sich nicht sicher fühlen, wenn sie nicht den Schutz der Herde haben - und da sich keine andere zwanglose Methode bot, um das Paar ins Ausland zu locken… So ging es weiter, ein Argument barg schon das nächste in sich, bis die Fiktion die einzige Logik war und die Fiktion ein Netz, in dem jeder sich verstrickte, der versuchte sie wegzufegen.

Was das Entfernen Alastairs betraf, so lieferte es noch am selben Tag ein amüsantes Postskriptum zu all ihren bisherigen Planungen. Zu besagter Szene kam es - ausgerechnet! - im Privatbüro des armen Ned Quilley. Charlie lag noch in tiefem Schlaf, und Ned gönnte sich einen kleinen Muntermacher vor den schweren Anforderungen des Mittagessens. Er zog gerade den Stopfen aus seiner Karaffe, als ihn eine Flut saftiger, schottisch-breit hervorgestoßener Flüche aus Mrs. Longmores Kabäuschen unten aufschreckte - ein Redeschwall, der mit der Forderung endete, sie solle ›den alten Bock aus seinem Schuppen rausrufen, sonst steige ich selbst hinauf und schnapp’ ihn mir‹. Quilley überlegte noch, wer von seinen herumzigeunernden Klienten sich dafür entschieden haben könnte, seinen Nervenzusammenbruch auf schottisch zu inszenieren, und das auch noch vor dem Lunch, trat dann zierlich auf Zehenspitzen an die Tür und legte das Ohr an das Paneel. Aber er erkannte die Stimme nicht. Gleich darauf polterten Schritte die Treppe herauf, wurde die Tür aufgerissen, und vor ihm stand die schwankende Gestalt von Long Al, die ihm von seinen gelegentlichen Vorstößen in Charlies Garderobe bekannt war, in denen Alastair während seiner eigenen sich lang hinziehenden Zeiten des Müßiggangs bei einer Flasche auf seine Freundin zu warten pflegte, wenn diese auf der Bühne stand. Alastair war verdreckt, hatte einen Drei-Tage-Bart und war stockbetrunken. Quilley versuchte in untadeligem Englisch zu erfahren, was dieses ungeheuerliche Benehmen zu bedeuten habe, doch das hätte er sich sparen können. Außerdem hatte er im Laufe seines Berufslebens eine ganze Reihe solcher Szenen erlebt und wusste daher aus Erfahrung, dass man nichts Besseres tun konnte, als so wenig wie möglich zu sagen.

»Sie widerliche alte Tunte«, begann Alastair immer noch recht zivil und hielt Quilley einen zitternden Zeigefinger direkt unter die Nase. »Sie hundsgemeine, intrigante alte Schwuchtel. Ich werde Ihnen Ihren blöden Hals umdrehen.«

»Aber weshalb denn, mein Bester?« sagte Quilley. »Warum?«

»Ich ruf’ die Polizei, Mr. Ned!« ließ Mrs. Longmore sich entrüstet von unten vernehmen. »Ich wähle neun-neun-neun -sofort!«

»Entweder, Sie setzen sich jetzt und erklären, was das Ganze zu bedeuten hat«, erklärte Quilley streng, »oder Mrs. Longmore ruft die Polizei.«

»Ich wähle!« rief Mrs. Longmore, die dies bei Gelegenheit früher schon getan hatte. Alastair setzte sich.

»Na, also«, sagte Quilley mit allem ihm zu Gebote stehenden Nachdruck. »Wie war’s mit einem kleinen schwarzen Kaffee, während Sie mir erzählen, was ich getan habe, um Sie so in Rage zu bringen.«

Die Liste war lang; einen hundsgemeinen Streich habe er – Quilley - ihm gespielt. Und zwar um Charlies willen. Zu behaupten, eine Filmgesellschaft zu sein, die es gar nicht gab. Seinen - Alastairs - Agenten zu überreden, Telegramme nach Mykonos zu schicken. Sich dazu herzugeben, mit ausgebufften Freunden in Hollywood unter einer Decke zu stecken. Bezahlte Flugtickets, bloß, um ihn vor seiner Clique lächerlich, ja, zur Schnecke zu machen! Bloß, damit er die Finger von Charlie ließ. Nach und nach dröselte Quilley die Geschichte auf. Eine Filmgesellschaft aus Hollywood, die sich Pan Talent Celestial nannte, habe von Kalifornien aus seinen Agenten angerufen, erklärt, ihr Hauptdarsteller sei erkrankt, daher wollten sie sofort Probeaufnahmen von Alastair machen. Sie seien bereit, alles zu bezahlen, was nötig sei, um ihn herzuholen, und als sie hörten, er sei in Griechenland, hätten sie dafür gesorgt, dass ein von der Bank als gedeckt erklärter Scheck über tausend Dollar im Büro seines Agenten abgegeben wurde. Alastair sei mit qualmenden Socken aus dem Urlaub zurückgekommen und habe danach eine geschlagene Woche lang wie auf Kohlen gesessen, doch sei es nicht zu Probeaufnahmen gekommen. Halten Sie sich weiterhin bereit, habe es in den Telegrammen geheißen. Alles per Telegramm, wohlgemerkt. Verhandlungen schweben. Am neunten Tag sei Alastair, inzwischen halb wahnsinnig, aufgefordert worden, sich in den Shepperton Studios einzufinden. Fragen Sie nach einem gewissen Pete Vyschinsky, Studio D. Kein Vyschinsky weit und breit. Kein Pete.

Alastairs Agent hatte die Nummer in Hollywood angerufen, wo ihm von der Telefonistin mitgeteilt worden war, Pan Talent Celestial habe dichtgemacht. Alastairs Agent rief andere Agenten an; keiner hatte je von Pan Talent Celestial gehört. Schicksal! Alastair konnte zwei und zwei genauso gut zusammenzählen wie jeder andere auch, und im Laufe einer zwei Tage währenden Sauftour zu Lasten seiner tausend Dollar Spesen war Alastair zu dem Schluss gekommen, der einzige Mensch, der ein Motiv habe und zu einem so miesen Trick imstande sei, sei Ned Quilley, in Agenten- und Schauspielerkreisen unter dem Namen ›Jammerlappen Quilley‹ bekannt, der nie aus seiner Abneigung gegen Alastair oder aus seiner Überzeugung ein Hehl gemacht habe, dass Alastair der schlechte Einfluss sei, der hinter Charlies verblasenen politischen Ansichten stehe. Aus diesem Grund war er nun höchstpersönlich vorbeigekommen, um Quilley den Hals umzudrehen. Nach ein paar Tassen Kaffee fing er jedoch an, seiner unsterblichen Bewunderung für seinen Gastgeber Ausdruck zu verleihen, und Quilley trug Mrs. Longmore auf, ihm ein Taxi zu bestellen.

Am Abend desselben Tages saßen die Quilleys beim gemeinsamen Aperitif vorm Abendessen im Garten - sie hatten erst vor kurzem für anständige Gartenmöbel tief in die Tasche gegriffen; Gusseisen, aber gegossen in den Original-Gussformen aus der Zeit vor der Jahrhundertwende -, und Marjory, die ernst seiner Geschichte gelauscht hatte, brach zu seinem großen Ärger in Lachen aus.

»Oh, dieses durchtriebene Frauenzimmer«, sagte sie. »Sie muss irgendeinen betuchten Liebhaber gefunden haben, um sich von Alastair freikaufen zu können!«