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»Du siehst exzellent aus, würde ich sagen«, bemerkte er und stellte das Tablett auf dem Tisch ab.

»Exzellent?«

»Wunderschön. Bezaubernd. Strahlend. Hast du die Orchideen gesehen?«

Sie hatte sie nicht gesehen, doch sah sie jetzt, und ihr Magen verkrampfte sich wie auf der Akropolis: ein Stengel aus Gold und Rostrot mit einem kleinen weißen Umschlag, der gegen die Vase gelehnt war. Absichtlich bürstete sie erst ihr Haar zu Ende, griff erst dann nach dem kleinen Umschlag und trug ihn zur Chaiselongue, auf die sie sich setzte. Joseph blieb stehen. Sie hob die Umschlagklappe hoch und zog eine schlichte Karte heraus, auf der die Worte standen: ›Ich liebe Dich‹ , mit abfallenden, unenglischen Schriftzügen geschrieben und der vertrauten Unterschrift: ›M.‹ »Nun? Woran erinnert dich das?« »Du weißt verdammt gut, woran mich das erinnert«, sagte sie schnippisch, als ihr - viel zu spät - die Verbindung aufging.

»Dann sag’s mir.«

»Nottingham, Barrie Theatre. York, das Phoenix. Stratford East, das Cockpit. Und du vorn in der ersten Reihe, wie du Glubschaugen nach mir machst.«

»Dieselbe Handschrift?«

»Dieselbe Handschrift, derselbe Text, die gleichen Blumen.«

»Du kennst mich als Michel. ›M‹ für Michel.« Er machte seine elegante schwarze Reisetasche auf und packte rasch seine Kleider ein. »Ich bin alles, was du dir jemals ersehnt hast«, sagte er, ohne sie auch nur anzublicken. »Wenn du deinen Auftrag erfüllen willst, genügt es nicht, dass du dich nur daran erinnerst; du musst es glauben, musst es fühlen und davon träumen. Wir bauen eine neue Wirklichkeit auf, eine bessere.«

Sie legte die Karte beiseite, schenkte sich Kaffee ein und tat das angesichts seiner Eile mit betonter Langsamkeit. »Wer sagt, dass es eine bessere ist?« fragte sie.

»Du hast zwar deinen Urlaub zusammen mit Alastair auf Mykonos verbracht, aber im tiefsten Herzensgrund hast du verzweifelt auf mich, Michel, gewartet.« Er schoss ins Bad hinüber und kehrte mit seinem Kulturbeutel zurück. »Nicht auf Joseph - auf Michel. Sobald die Ferien vorüber waren, hast du gemacht, dass du nach Athen kamst. Auf dem Schiff hast du deinen Freunden weisgemacht, du wolltest ein paar Tage allein sein. Eine Lüge. Du hattest eine Verabredung mit Michel. Nicht mit Joseph - mit Michel.« Er warf den Kulturbeutel in die Reisetasche. »Du hast ein Taxi genommen und bist in das Restaurant gefahren, wo du mich trafst. Michel. In meinem seidenen Hemd. Mit der goldenen Uhr. Hummer wurde bestellt. Alles, was du gesehen hast. Ich hatte Prospekte mitgebracht, um sie dir zu zeigen. Wir haben gegessen, was wir gegessen haben, redeten über aufregende süße Nichtigkeiten, wie eben ein heimliches Liebespaar, das sich nach langer Zeit wiedersieht.« Er nahm die schwarze Kimonojacke vom Haken an der Tür. »Ich habe ein großzügiges Trinkgeld gegeben und, wie du ja bemerkt hast, die Rechnung eingesteckt. Dann habe ich dich zur Akropolis hinaufgefahren, eine verbotene Fahrt, einzigartig. Ein besonderes Taxi, mein eigenes, wartete. Den Fahrer redete ich mit Dimitri an....«

Sie unterbrach ihn. »Das war also der einzige Grund, warum du mich zur Akropolis hinaufgebracht hast«, erklärte sie nachdrücklich.

»Nicht ich habe dich hinaufgebracht - Michel. Michel ist stolz auf seine Sprachkenntnisse und sein Können als Verführer. Er liebt große, romantische Gesten, plötzliche Sprünge. Er ist dein Zauberer.«

»Ich mag aber keine Zauberer.«

»Außerdem interessiert er sich, wie du ja bemerkt hast, ehrlich, wenn auch oberflächlich für Archäologie.«

»Und wer hat mich geküsst?«

Sorgfältig legte er die Kimonojacke zusammen und verstaute sie in der Tasche. Er war der erste Mann, den sie kannte, der eine Tasche zu packen verstand.

»Der mehr praktische Grund für die Tatsache, dass er dich zur Akropolis hinaufgebracht hat, bestand darin, unauffällig den Mercedes zu übernehmen, den er aus bestimmten Gründen nicht während der Hauptverkehrszeit in die Stadt hinunterbringen wollte. Du stellst wegen des Mercedes keine Fragen; für dich gehört das zu dem Zauber, mit mir zusammen zu sein, genauso, wie du bei allem, was wir tun, eine gewisse Heimlichkeit akzeptierst. Du akzeptierst alles. Bitte, beeil dich! Wir müssen noch weit fahren und viel miteinander reden.«

»Und was ist mit dir?« fragte sie. »Bist du auch in mich verliebt, oder ist für dich alles nur Spiel?«

Während sie noch darauf wartete, dass er antwortete, sah sie ihn in ihrer Vorstellung, wie er tatsächlich zur Seite trat, um den Pfeil unbeschadet an sich vorbei auf die im Schatten stehende Gestalt Michels zufliegen zu lassen.

»Du liebst Michel, du glaubst, dass Michel dich liebt.«

»Aber stimmt das?« »Er behauptet, dich zu lieben, und gibt dir ja auch greifbare Beweise dafür. Was kann ein Mann mehr tun, um dich zu überzeugen; schließlich kannst du dich doch nicht in seinem Kopf einnisten.« Er drehte wieder seine Runden im Zimmer und schob Sachen hin und her. Jetzt blieb er vor der Karte stehen, die zusammen mit den Orchideen gekommen war.

»Wessen Haus ist das?« fragte sie.

»Auf solche Fragen gebe ich nie eine Antwort. Mein Leben ist ein Rätsel für dich. Das ist so gewesen, seit wir uns kennengelernt haben, und ich möchte, dass es so bleibt.« Er nahm die Karte und reichte sie ihr. »Verwahr die jetzt in deiner neuen Handtasche. Von jetzt an erwarte ich, dass du diese kleinen Erinnerungen an mich liebevoll aufhebst. Sieh mal hier!«

Er hatte die Wodkaflasche halb aus dem Sektkühler herausgehoben. »Da ich ein Mann bin, trinke ich selbstverständlich mehr als du. Trinken bekommt mir nicht; ich bekomme Kopfschmerzen vom Alkohol, und gelegentlich wird mir sogar schlecht davon. Aber wenn schon, dann mag ich Wodka.« Er ließ die Flasche in den Kühler zurücksinken. »Was dich betrifft, so bekommst du ein kleines Gläschen, denn schließlich bin ich nicht von vorgestern, aber grundsätzlich habe ich was dagegen, dass Frauen trinken.« Er hob einen schmutzigen Teller hoch und zeigte ihn ihr. »Ich nasche gern -esse gern Schokolade, Kekse und Obst. Besonders Obst. Trauben, aber es müssen grüne sein, wie sie auch in meinem Heimatdorf wachsen. Was hat Charlie also gestern abend gegessen?«

»Gar nichts. Nicht nach so was. Ich rauche immer nur meine Post-Koitus-Zigarette.«

»Nur erlaube ich leider nicht, dass im Schlafzimmer geraucht wird. Im Restaurant in Athen habe ich es geduldet, denn schließlich bin ich ein aufgeklärter, moderner Mann. Sogar im Mercedes darfst du gelegentlich eine rauchen. Aber im Schlafzimmer: nie. Wenn du nachts Durst hast, trinkst du Wasser aus dem Wasserhahn.« Er zog den roten Blazer über. »Ist dir aufgefallen, wie der Wasserhahn gegluckert hat?«

»Nein.«

»Dann hat er nicht gegluckert. Manchmal tut er das, manchmal nicht.«

»Er ist Araber, nicht wahr?« sagte sie und ließ ihn immer noch nicht aus den Augen. »Er ist der Prototyp eines arabischen Chauvis. Und ihr habt seinen Wagen geklaut.«

Er machte den Verschluss zu. Richtete sich auf, sah sie einen Augenblick an, teils berechnend und teils - sie konnte nicht gegen dieses Gefühl an - zurückweisend.

»Oh, er ist mehr als nur ein Araber, würde ich sagen. Er ist mehr als nur ein Chauvi. Er hat überhaupt nichts Gewöhnliches, schon gar nicht in deinen Augen. Geh bitte rüber zum Bett.« Er wartete, während sie das tat, und beobachtete sie gespannt. »Fühl unter mein Kopfkissen! Langsam - Vorsicht! Ich schlafe auf der rechten Seite. So.«

Tastend, wie befohlen, ließ sie die Hand unter das kalte Kissen gleiten und stellte sich dabei das Gewicht von Josephs schlafendem Kopf vor, wie er es zusammendrückte. »Hast du sie? Ich hab’ gesagt: vorsichtig!«

Ja, Jose, sie hatte sie gefunden.

»Hol sie behutsam heraus. Sie ist nicht gesichert. Michel hat nicht die Gewohnheit zu warnen, ehe er schießt. Die Pistole ist wie ein Kind für uns. Sie teilt jedes Bett mit uns. Wir nennen sie ›unser Kind‹. Selbst, wenn wir uns leidenschaftlich lieben -dieses Kissen berühren wir nie, und wir vergessen keinen Augenblick, was darunter liegt. So leben wir. Siehst du jetzt, dass bei mir nichts gewöhnlich ist?«