Выбрать главу

»Oder?«

»Überführe das Auto. Dein erster Beitrag für die große Sache. Allein. Fünfzehnhundert Kilometer. Was von beiden soll’s denn sein?«

»Wo wirst du sein?«

Wieder vermochte sie gegen seine Ruhe nichts auszurichten, und wieder nahm er Zuflucht bei Michel. »Im Geiste ganz nah bei dir; aber helfen kann ich dir nicht. Niemand kann dir helfen. Du wirst ganz auf dich allein gestellt sein, wirst im Interesse von Leuten, die die Welt eine Bande von Terroristen nennt, eine kriminelle Handlung begehen.« Er hob von neuem an, doch diesmal war er Joseph. »Ein paar von den jungen Leuten werden eine Eskorte für dich bilden, aber wenn es schief geht, können sie nichts weiter machen, als Marty und mir das zu melden. Jugoslawien ist kein großer Freund Israels.«

Charlie ließ nicht locker. Alle ihre Überlebensinstinkte drängten sie dazu. Sie sah, dass er sich wieder umgedreht hatte, um sie anzublicken, und sie begegnete seinem dunklen Starren, wohl wissend, dass ihr eigenes Gesicht sichtbar, während es das seine nicht war. Wen bekämpfst du? dachte sie. Dich oder mich? Warum bist du in beiden Lagern der Feind?

»Wir haben die Szene noch nicht zu Ende gespielt«, erinnerte sie ihn. »Ich frage dich - euch beide -, was in dem Wagen ist? Du willst, dass ich ihn fahre - wer immer das will -wie viele von euch auch damit zu tun haben -, ich muss wissen, was drin ist. Jetzt.« Sie dachte, sie müsse warten. Sie erwartete eine erneute Drei-Minuten-Warnung, während er in Gedanken blitzschnell noch einmal alle Optionen durchging, ehe er seine bewusst dürr gehaltenen Antworten veröffentlichte. Sie sollte sich irren. »Sprengstoff«, erwiderte er so unbeteiligt, wie es ihm möglich war. »Zweihundert Pfund russischer Plastiksprengstoff, in Halbpfund-Stäbe aufgeteilt. Guter neuer Stoff, ordentlich gepflegt, kann extreme Hitze und Kälte aushaken und ist bei allen Temperaturen einigermaßen schmiegsam.«

»Na schön, freut mich, dass er ordentlich gepflegt ist«, erklärte Charlie fröhlich und kämpfte dagegen an, dass die Flut umsprang. »Wo ist er versteckt?«

»Im Volant, in den Verstrebungen, in der Deckenverkleidung und den Sitzen. Da es sich um ein älteres Modell handelt, hat es vorteilhafterweise Kastensegmente und Träger.« »Wozu soll er eingesetzt werden?«

»Für unseren Kampf.«

»Aber warum muss er dann ganz bis nach Griechenland runter, statt sich das Zeug in Mitteleuropa zu beschaffen?«

»Mein Bruder hat gewisse Geheimhaltungsvorschriften und verlangt von mir, dass ich sie gewissenhaft einhalte. Der Kreis derer, denen er vertraut, ist ziemlich klein, und er möchte ihn nicht erweitern. Im Grunde traut er weder Arabern noch Europäern. Was wir allein tun, können nur wir allein verraten.«

»Und welche Form genau würdest du sagen, nimmt unser Kampf in diesem ganz bestimmten Punkt an?« fragte Charlie mit derselben munteren, geradezu übertrieben entspannt klingenden Stimme. Auch diesmal zögerte er nicht. »Juden in der Diaspora zu töten. Da sie unser Volk aus Palästina in alle Himmelsrichtungen vertrieben haben, so bestrafen wir sie in ihrer Diaspora und bringen unsere Qual den Ohren und Augen der Welt zur Kenntnis. - Und gleichzeitig wecken wir damit das schlafende Bewusstsein des Proletariats«, fügte er, als nicht so überzeugenden Nachgedanken, hinzu.

»Nun, das scheint mir nur gerecht.«

»Danke.« »Und du und Marty - ihr habt euch also gedacht, dass es nett wäre, wenn ich ihnen den Gefallen täte, das Auto nach Österreich hinaufzubringen.« Sie holte ein wenig Luft, erhob sich und trat ganz bewusst ans Fenster. »Würdest du mich bitte in den Arm nehmen, Joseph? Nicht, weil ich leichtfertig wäre. Es ist nur, dass ich mich dort eben einen Augenblick lang ein bisschen verlassen gefühlt habe.«

Ein Arm legte sich ihr um die Schulter, und sie zitterte heftig darin. Sie schmiegte sich an ihn und drehte sich zum ihm hin, umschlang ihn, drückte ihn an sich und spürte zu ihrer Freude, wie die Starre aus ihm wich und er ihren Druck erwiderte. Ihr Denken arbeitete überall zugleich, wie ein Auge, das auf ein weites und unerwartetes Panorama hinausblickte. Doch am klarsten - jenseits der unmittelbaren Gefahr der Fahrt - begann sie endlich die größere Reise, die vor ihr lag, zu sehen und entlang der Strecke die gesichtslosen Genossen der anderen Armee, der sich anzuschließen sie im Begriff stand. Schickt er mich, oder hält er mich zurück? fragte sie sich. Er weiß es nicht. Er wacht auf und geht gleichzeitig schlafen. Seine Arme, mit denen er sie immer noch umfasst hielt, gaben ihr neuen Mut. Bis jetzt hatte sie im Bann seiner entschlossenen Keuschheit die dunkle Vorstellung gehabt, ihr Körper, der schon viele Liebhaber gekannt hatte, sei seiner nicht würdig. Jetzt war dieser Selbstekel aus Gründen, die sie noch herausfinden musste, von ihr gewichen.

»Überzeug mich weiter«, sagte sie und hielt ihn immer noch umfasst. »Tu deine Pflicht.«

»Ist es denn nicht genug, dass Michel dich schickt, dich jedoch gleichzeitig nicht gehen lassen möchte?«

Sie antwortete nicht.

»Soll ich dir Shelley zitieren - ›die ungestüme Herrlichkeit des Terrors‹? Muss ich dich an unsere vielen Versprechen erinnern, die wir uns gegeben haben? - dass wir bereit sind, zu töten, weil wir bereit sind, zu sterben?«

»Ich glaube, Worte richten nichts mehr aus. Ich glaube, ich habe alle Worte gehört, die ich schlucken kann.« Sie hatte ihr Gesicht an seiner Brust verborgen. »Du hast versprochen, in meiner Nähe zu bleiben«, erinnerte sie ihn und spürte, wie seine Umarmung nachließ, während seine Stimme hart wurde.

»Ich werde in Osterreich auf dich warten«, sagte er in einem Ton, der mehr dazu angetan war, zurückzustoßen, als zu überreden. »Das ist das Versprechen, das Michel dir gegeben hat. Ich gebe es dir auch.«

Sie trat einen halben Schritt zurück und hielt sein Gesicht zwischen den Händen, so wie sie es auf der Akropolis gehalten hatte, und betrachtete es kritisch im Schein der Lampen unten auf dem Platz. Dabei hatte sie das Gefühl, es habe sich vor ihr verschlossen wie eine Tür, die sie weder herein- noch herauslassen wollte. Ernüchtert und erregt zugleich, kehrte sie zum Bett zurück und setzte sich wieder hin. Auch ihre Stimme hatte eine neue Zuversicht, die sie beeindruckte. Ihr Blick ruhte auf dem Armband, das sie im Halbdunkel nachdenklich hin und her drehte.

»Wie möchtest du es denn? fragte sie. »Du, Joseph? Soll Charlie bleiben und den Auftrag übernehmen, oder soll Charlie das Geld einstecken und machen, dass sie fortkommt? Wie sieht denn dein persönliches Szenarium aus?«

»Du kennst die Gefahren. Entscheide dich.«

»Du auch, sogar besser als ich. Du hast sie von Anfang an gekannt.«

»Du hast sämtliche Argumente gehört - sowohl von Marty als auch von mir.«

Sie nestelte die Schließe des Armbands auf und ließ es sich in die Hand gleiten. »Wir retten das Leben Unschuldiger. Das heißt, vorausgesetzt, ich liefere den Sprengstoff ab. Selbstverständlich gibt es auch jene - Einfaltspinsel -, die meinen, man könnte mehr Leben retten, wenn man den Sprengstoff nicht abliefert. Doch die, nehmen ich an, irren sich wohl.«

»Auf lange Sicht, und vorausgesetzt, alles geht gut, irren sie sich.« Wieder hatte er ihr den Rücken zugewandt - allem Anschein nach, um das Bild zu betrachten, das sich seinen Augen vom Fenster aus bot.

»Wenn du als Michel zu mir redest, ist es einfach«, fuhr sie verständig fort und befestigte das Armband am anderen Handgelenk. »Du hast mich vollkommen umgeworfen; ich habe die Pistole geküsst und kann nun gar nicht schnell genug auf die Barrikaden. Wenn wir das nicht glauben, sind all deine Bemühungen der letzten Tage fehlgeschlagen. Was aber nicht der Fall ist. So hast du mir meine Rolle gegeben, und so hast du mich gekriegt. Auseinandersetzung vorbei. Ich mach’s.«

Sie sah, wie er leicht zustimmend nickte. »Und wenn du als Joseph zu mir sprichst - was macht das für einen Unterschied? Hätte ich abgelehnt, hätte ich dich nie wieder gesehen. Da wäre ich mit meinem goldenen Händeschütteln wieder im Nirgendwo.« Zu ihrer Überraschung bemerkte sie, dass er das Interesse an ihr verloren hatte. Er hob die Schultern, stieß einen langen Seufzer aus; sein Gesicht blieb dem Fenster zugewandt, den Blick hatte er auf den Horizont gerichtet. Er fing wieder an zu sprechen, und zuerst dachte sie, er weiche wieder dem Stoß aus, den sie mit ihren Worten auf ihn gerichtet hatte. Doch als sie weiter zuhörte, ging ihr auf, dass er ihr erklärte, warum - soweit es ihn betraf - sie beide nie eine echte Wahl gehabt hätten.