»Das stimmt, du hast recht.«
»Warum hast du dann gesagt, du willst alles über mich wissen? Warum hast du gesagt, dass du mich lieben könntest und nur diese Angst dich daran hindert?«
»Weiß ich nicht.«
»Siehst du nie in den Spiegel und versuchst, deine Motive zu verstehen? Ich analysiere mich ständig selbst.«
»Pris, denk mal für einen Moment lang nach. Du bist nur ein Mensch von vielen, nicht besser, nicht schlechter. Tausende von Amerikanern sind in psychiatrischer Behandlung. Tausende kriegen Schizophrenie und fallen unter den McHeston Act. Du bist attraktiv, zugegeben, aber jedes x-beliebige Starlet aus Schweden oder Italien sieht noch besser aus. Deine Intelligenz ist…«
»Du versuchst doch nur dich selbst zu überzeugen.«
»Bitte?«
»Du bist es doch, der mich auf ein Podest stellt, schon vergessen?«
Ich schob mein Glas weg. »Fahren wir zurück.« Der Alkohol brannte scharf auf meiner Lippe.
»Habe ich etwas Falsches gesagt? Du bist so ambivalent mir gegenüber…«
Ich legte ihr die Hand auf den Arm. »Trink aus. Lass uns fahren.«
Als wir die Kneipe verließen, sagte Pris matt: »Du bist schon wieder sauer auf mich.«
»Nein.«
»Ich versuche nur, nett und höflich zu dir zu sein, aber ich ecke jedes Mal an. Es ist ein Fehler, mich so gekünstelt zu benehmen. Ich hab dir ja gesagt, ich sollte keine Handlungsmuster annehmen, die mir nicht liegen. Das geht nie gut.« In ihren Worten schwang ein Vorwurf mit, so als wäre es meine Idee gewesen.
»Hör zu, Pris«, sagte ich, als wir in den Jaguar einstiegen. »Wir fahren zurück und widmen uns entschlossen der Aufgabe, Sam Barrows für uns zu gewinnen. Okay?«
»Nein, das kann nur ich tun. Du hast damit nichts zu schaffen.«
Ich klopfte ihr auf die Schulter. »Weißt du, ich empfinde jetzt viel mehr Sympathie für dich als vorher. Ich glaube, wir sind gerade dabei, eine gute, stabile Beziehung zueinander aufzubauen.«
»Vielleicht.« Pris hatte den sarkastischen Unterton offenbar nicht wahrgenommen. Sie lächelte mich an. »Ich hoffe, Louis. Die Menschen sollten einander verstehen.«
Als wir wieder bei MASA waren, kam uns Maury aufgeregt entgegen. »Warum habt ihr so lange gebraucht?« Er zog ein Blatt Papier hervor. »Ich habe Sam Barrows ein Telegramm geschickt. Hier, lies mal.« Er drückte es mir in die Hand.
Ich faltete das Blatt auseinander.
Empfehle dringend Ihre sofortige Anreise. Lincoln-Simulacrum durchschlagender Erfolg. Erbitte Ihre Entscheidung. Halte Exemplar für erste Prüfung bereit wie telefonisch besprochen. Es übertrifft kühnste Erwartungen. Hoffe, noch heute von Ihnen zu hören.
Maury Rock,
MASA Associates
»Und hat er schon geantwortet?«, fragte ich.
»Noch nicht, aber es ist auch gerade erst rausgegangen.«
Jetzt kam auch Bob Bundy und sah mich an. »Mr. Lincoln hat mich gebeten, Ihnen sein Bedauern auszudrücken. Es erkundigt sich, wie es Ihnen geht.« Bundy selbst schien ziemlich durch den Wind zu sein.
»Sagen Sie ihm, dass es mir gut geht. Und dass ich ihm danke.«
»Okay.« Der Techniker verzog sich wieder.
Ich wandte mich Maury zu. »Ich muss zugeben, ihr habt da wirklich ein Pfund in der Hand. Offenbar habe ich mich getäuscht.«
»Schön, dass du wieder zur Vernunft kommst.«
»Freut euch nur nicht zu früh«, sagte Pris.
Maury zog an seiner Corina. »Wir haben einen Haufen Arbeit vor uns. Ich bin mir sicher, dass wir Barrows’ Interesse geweckt haben. Aber worauf wir unbedingt achten müssen…« Er senkte die Stimme. »Ein Mann wie er kann uns beiseitefegen wie Streichhölzer. Hab ich recht, Kumpel?«
»Absolut.« Das hatte ich mir auch schon überlegt.
»Er hat das vermutlich schon tausendmal gemacht mit kleinen Firmen. Wir müssen die Reihen schließen, wir vier. Oder fünf, wenn man Bob Bundy mitzählt. Richtig?« Er sah Pris und mich und meinen Vater an, der sich zu uns gestellt hatte.
»Vielleicht solltet ihr damit zur Regierung, Maurice.« Mein Vater sah mich an. »Was meinst du, mein Sohn?«
»Er hat Barrows schon kontaktiert. Womöglich ist er schon auf dem Weg hierher.«
»Auch wenn er hierher kommt«, sagte Maury, »können wir immer noch nein sagen. Wenn wir der Meinung sind, wir sollten damit lieber nach Washington.«
»Frag doch die Lincoln.«
»Was?« Pris warf mir einen scharfen Blick zu. »Du hast sie doch nicht mehr alle.«
»Nein, im Ernst. Holen wir uns ihren Rat.«
»Und was bitte schön weiß ein hinterwäldlerischer Politiker aus dem letzten Jahrhundert über Sam K. Barrows?«
»Vielleicht mehr als du.«
»Wir wollen uns nicht streiten, Leute«, ging Maury dazwischen. »Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung. Ich denke, wir sollten weitermachen und Barrows die Lincoln vorführen, und wenn es aus irgendeinem Grund…« Er brach ab. Das Telefon klingelte. Er ging ran. »MASA Associates, Maury Rock.«
Stille. Maury wandte sich uns zu und formte ein Wort mit den Lippen: Barrows.
Das war’s, dachte ich. Die Würfel sind gefallen.
»Ja, Sir«, sagte Maury in den Hörer. »Wir holen Sie vom Flughafen ab. Ja, wir sind dann dort.« Sein Gesicht glühte, er blinzelte mir zu.
»Wo ist die Stanton?«, fragte ich meinen Vater.
»Was meinst du?«
»Die Stanton-Maschine – ich sehe sie nirgends.« Mir fiel ein, wie abschätzig sie sich über die Lincoln geäußert hatte. Ich wandte mich Pris zu. »Wo ist die Stanton?«
»Weiß nicht. Bundy hat sie irgendwohin verfrachtet, vermutlich nach unten in die Werkstatt.«
»Einen Moment bitte.« Maury senkte den Hörer und sah mich an. Sein Gesicht hatte einen merkwürdigen Ausdruck angenommen. »Die Stanton ist in Seattle. Bei Barrows.«
»Oh nein«, flüsterte Pris.
»Sie hat gestern Nacht den Greyhound-Bus genommen. Ist heute Morgen dort angekommen und schnurstracks zu ihm gegangen. Barrows sagt, sie haben sich in aller Ausführlichkeit miteinander unterhalten. Er hat unser Telegramm noch nicht bekommen. Er ist an der Stanton interessiert. Soll ich ihm von der Lincoln erzählen?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Warum nicht? Das Telegramm ist ja eh unterwegs.«
»Mr. Barrows«, sagte Maury ins Telefon. »Wir haben Ihnen gerade ein Telegramm geschickt. Ja, wir haben die Lincoln-Maschine zum Laufen gebracht, und sie ist phantastisch, noch besser als die Stanton.« Er sah mich an. »Sir, die Stanton wird Sie auf dem Flug doch begleiten, oder? Wir möchten sie unbedingt zurückhaben.« Pause, dann senkte Maury erneut den Hörer. »Barrows sagt, die Stanton möchte noch einen Tag in Seattle bleiben und sich die Sehenswürdigkeiten anschauen. Sie will sich die Haare schneiden lassen und die Bibliothek besuchen, und wenn ihr die Stadt gefällt, will sie dort vielleicht sogar eine Kanzlei eröffnen und sich dort niederlassen.«
»Jesus!« Pris ballte die Fäuste. »Sag ihm, er soll sie überreden, zurückzukommen.«
Maury nahm den Hörer wieder auf. »Können Sie sie nicht davon überzeugen, dass sie Sie begleitet, Mr. Barrows?« Wieder Stille. »Sie ist weg«, wandte er sich an uns. »Sie hat sich von Barrows verabschiedet und ist gegangen.« Er runzelte die Stirn.
»Egal«, sagte ich. »Mach das mit dem Flug klar.«
»Ja.« Maury nickte und sagte in den Hörer: »Sie wird schon zurechtkommen. Sie hatte doch Bargeld, oder?« Stille. »Sie haben ihr zwanzig Dollar gegeben. Gut. Wir holen Sie ab. Die Lincoln ist noch um einiges besser. Ja, Sir. Danke. Auf Wiederhören.« Er legte auf und blickte zu Boden. »Ich habe nicht mal gemerkt, dass sie weg war. Glaubt ihr, sie war verärgert wegen der Lincoln?«
Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. »Sinnlos, über vergossene Milch zu jammern.«
»Ja.« Maury biss sich auf die Lippen. »Aber ihre Batterie hält sechs Monate. Wer weiß, ob wir sie dieses Jahr noch mal zu sehen bekommen. Immerhin haben wir da ein paar tausend Dollar reingesteckt… Und was ist, wenn Barrows uns an der Nase herumführt? Vielleicht hat er sie ja in irgendeinen Tresor eingeschlossen.«