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»Ist mir recht«, erwiderte Pris. »Ich komme morgen oder übermorgen nach Seattle. Aber behalten Sie Ihr Geld – ich habe genug.«

Barrows nickte. »Nun, damit wäre unsere Besprechung beendet. Wir können uns auf den Rückweg machen. Dann lassen wir Sie hier, Stanton. Ist das Ihre Entscheidung?«

»Ja, Sir«, erwiderte die Stanton.

»Dann wünsche ich einen guten Tag.« Barrows verließ den Raum. Sein Anwalt und seine Sekretärin folgten ihm.

Ich sah Pris an. »Du bist verrückt.«

»Das liegt im Auge des Betrachters.« Ihre Stimme klang abwesend.

»Meinst du das wirklich ernst?« Maurys Gesicht war aschfahl. »Dass du zu Barrows überlaufen willst? Nach Seattle fliegen und bei ihm anfangen?«

»Ja.«

»Dann hole ich die Polizei und lass dich festnehmen. Du bist noch minderjährig. Ich verständige das FBMH. Ich sorge dafür, dass du wieder in die Klinik kommst.«

»Du kannst mich nicht daran hindern. Das FBMH kann mich nur festhalten, wenn ich mich selbst einweise, was ich nicht tun werde, oder wenn ich psychotisch bin, was nicht der Fall ist. Ich bin absolut in der Lage, mich um meine Angelegenheiten zu kümmern. Also steigere dich nicht in einen Wutanfall hinein – er nützt sowieso nichts.«

Maury leckte sich die Lippen und verfiel in Schweigen. Pris hatte zweifellos recht. Und Barrows’ Leute würden dafür sorgen, dass es keine juristischen Schlupflöcher gab. Immerhin ging es um viel Geld.

»Ich glaube nicht, dass Bob Bundy uns deinetwegen verlassen wird«, sagte ich zu ihr. Aber ihrem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass ich falsch lag. Das war auch so etwas: Wie lange lief das schon zwischen den beiden? Man konnte es nicht sagen. Es war Pris’ Geheimnis. Ich sah die Lincoln an. »Damit haben Sie nicht gerechnet, oder?«

Die Maschine schüttelte den Kopf.

»Jedenfalls haben wir uns Barrows vom Hals geschafft«, sagte Maury mit brüchiger Stimme. »Wir haben MASA Associates behalten und die Stanton auch. Die lassen sich hier nicht noch mal blicken. Und wenn Pris und Bundy zu Barrows wollen, dann viel Glück.« Er funkelte seine Tochter böse an, doch sie hielt seinem Blick mühelos stand. In einer Krise war sie nur noch kälter, noch effizienter, noch kontrollierter.

Vielleicht, dachte ich, sollten wir froh sein, sie loszuwerden. Wir wären gar nicht in der Lage gewesen, mit ihr fertig zu werden – ich jedenfalls nicht. Und Barrows? Womöglich kann er sie für sich nutzbar machen – oder sie schadet ihm, ruiniert ihn vielleicht sogar. Oder beides. Aber sie haben ja auch noch Bundy, und Pris und Bundy zusammen können problemlos ein Simulacrum bauen. Maury brauchen sie dazu gar nicht, mich erst recht nicht.

Die Lincoln beugte sich zu mir herunter. »Sie werden von Mr. Stantons Entscheidungsstärke profitieren. Er wird Ihrem Unternehmen gute Dienste leisten.«

»Meine Gesundheit ist nicht mehr die Beste«, brummte die Stanton, aber sie sah trotzdem erfreut und zuversichtlich drein. »Ich werde tun, was ich kann.«

»Das mit deiner Tochter tut mir leid«, sagte ich zu Maury.

»Wie konnte sie nur?«, flüsterte er.

Mein Vater klopfte ihm auf die Schulter. »Sie kommt wieder. Das tun sie immer, die Kinder.«

»Sie kann mir gestohlen bleiben«, erwiderte Maury. Aber wir wussten, dass er das nicht so meinte.

»Kommt, gehen wir einen Kaffee trinken«, schlug ich vor.

»Ja, geht mal«, sagte Pris. »Ich fahre nach Hause. Ich habe noch eine Menge zu tun. Kann ich noch einmal den Jaguar nehmen?«

»Nein«, knurrte Maury.

Sie zuckte mit den Achseln, nahm ihre Handtasche und verließ das Büro. Die Tür schloss sich hinter ihr. Weg war sie.

Als wir in der Caféteria auf der anderen Straßenseite saßen, dachte ich: Die Lincoln hat uns sehr gute Dienste geleistet vorhin mit Barrows. Sie hat einen Ausweg gefunden. Und es war ja nicht ihre Schuld, dass sich die Dinge dann so entwickelt haben. Sie konnte nicht ahnen, dass Pris so hochgehen würde. Und auch nicht das mit ihr und Bundy. Da wäre niemand von uns draufgekommen.

Die Kellnerin hatte uns eine Zeit lang beobachtet. Jetzt kam sie an unseren Tisch. »Das ist diese Abraham-Lincoln-Schaufensterpuppe, nicht wahr?«

»Nein«, erwiderte ich. »In Wirklichkeit ist es eine W.-C.-Fields-Schaufensterpuppe. Aber sie trägt ein Kostüm, ein Lincoln-Kostüm.«

»Mein Freund und ich haben uns neulich die Vorführung angesehen. Sie sieht wirklich echt aus. Darf ich sie mal anfassen?«

»Klar.«

Sie berührte die Lincoln vorsichtig an der Hand. »Oh, sie ist ja sogar warm. Und sie trinkt Kaffee!«

Nach einer Weile konnten wir sie abwimmeln und auf unser eigentliches Thema zurückkommen. Ich sah die Lincoln an. »Eins steht fest, Sie haben sich auf unsere Zeit eingestellt. Sogar besser als manche von uns.«

In brüskem Ton sagte die Stanton: »Mr. Lincoln ist in der Lage, sich auf alles und jeden einzustellen – er erzählt einfach einen Witz.«

Die Lincoln nippte schmunzelnd an ihrem Kaffee.

»Ich frage mich, was Pris jetzt gerade macht«, meldete sich Maury. »Packen wahrscheinlich. Ich finde es furchtbar, dass sie jetzt nicht bei uns ist. Als Teil des Teams.«

Wir haben vorhin eine Menge Leute verloren, wurde mir bewusst. Wir sind Barrows, Blunk, Mrs. Nild und zu unserer Überraschung auch gleich noch Pris Frauenzimmer und unseren einzigen Ingenieur Bob Bundy losgeworden. Ob wir Bob wohl je wiedersehen werden? Ob wir Pris je wiedersehen werden, und wenn ja, wird sie sich verändert haben?

»Wie konnte sie uns nur so abservieren? Diese Klinik und dieser Doktor Horstowski haben nichts gebracht, überhaupt nichts. Am liebsten würde ich das ganze Geld zurückfordern, das ich dafür rausgeballert habe. Aber sie – von ihr will ich nichts mehr wissen. Ich bin fertig mit ihr.«

Um das Thema zu wechseln, sagte ich zur Lincoln: »Haben Sie einen weiteren Rat für uns, Sir? Was sollen wir jetzt tun?«

»Ich fürchte, ich bin Ihnen weniger nützlich gewesen, als ich gehofft hatte. Bei Frauen weiß man nie… Dennoch schlage ich vor, dass Sie mich zu Ihrem Rechtsberater berufen. So wie die andere Seite Mr. Blunk berufen hat.«

»Eine hervorragende Idee.« Ich zog mein Scheckheft. »Wie viel möchten Sie als Vorschuss?«

»Zehn Dollar genügen vollauf.«

Ich schrieb einen Scheck über diese Summe aus; die Lincoln nahm ihn und dankte mir.

Maury, der in tiefes Grübeln verfallen war, blickte auf.

»Heutzutage ist ein Vorschuss von mindestens zweihundert Dollar üblich. Der Dollar ist nicht mehr so viel wert wie früher.«

Die Lincoln schüttelte den Kopf. »Zehn sind in Ordnung. Und als Erstes werde ich die Papiere für den Verkauf von MASA Associates aufsetzen. Was die Rechtsform betrifft, so schlage ich eine Kapitalgesellschaft vor, ganz ähnlich wie Mr. Barrows es vorhatte. Ich werde mich die Tage in die Gesetze vertiefen, um herauszufinden, wie die Anteile verteilt werden sollten. Das wird eine Weile dauern, fürchte ich.«

»Kein Problem«, sagte ich. Pris zu verlieren, hatte uns alle tief getroffen, vor allem Maury. Viel verloren und nichts gewonnen, so kamen wir aus der Sache heraus. Und doch – hätten wir es irgendwie verhindern können? Die Lincoln hatte recht: Es war unvorhersehbar gewesen; Barrows war ebenso überrascht gewesen wie wir. »Können wir ohne Pris ein Simulacrum bauen?«, fragte ich Maury.

»Klar. Aber nicht ohne Bob Bundy.«

»Wir können uns jemanden als Ersatz besorgen.«

Maury seufzte. »Ich sag euch, was sie kaputt gemacht hat. Dieses gottverdammte Buch ›Marjorie Morningstar‹.«

»Wieso das denn?« Es war bitter mitanzusehen, wie Maury in dieses zusammenhanglose Gezeter verfiel. Er kam mir fast senil vor.

»Dieses Buch hat Pris auf die Idee gebracht, sich jemanden zu suchen, der reich und berühmt ist und gut aussieht. Wie Sam K. Barrows. Diese Vorstellung vom Heiraten stammt aus der alten Welt. Rein auf den Vorteil bedacht. In diesem Land hier heiraten die jungen Leute aus Liebe, und das ist vielleicht kitschig, aber jedenfalls geschieht es nicht aus Berechnung. Nachdem sie dieses Buch gelesen hatte, begann sie, mit Berechnung an Liebesdinge heranzugehen. Das Einzige, was sie hätte retten können, wäre, wenn sie sich Hals über Kopf in jemanden verknallt hätte. Und jetzt ist sie weg.« Er seufzte abermals. »Machen wir uns nichts vor, hier geht’s nicht nur ums Geschäft. Ich meine, eigentlich schon. Aber nicht um das Geschäft mit den Simulacra. Sondern um sie. Sie will etwas von Barrows, du weißt, was ich meine, Louis. Und er kann ihr geben, was sie will.«