»Stimmt.«
»Ich hätte ihn nie auch nur in ihre Nähe lassen dürfen. Aber ich werfe ihm nichts vor, es ist ihre Schuld. Alles, was jetzt mit ihr passiert, ist ihre Verantwortung. Was immer sie tut, was immer aus ihr wird. Wir behalten besser die Zeitungen im Blick, Louis. Wir werden etwas über Pris aus den gottverdammten Nachrichten erfahren.« Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee.
Wir schwiegen eine Weile.
Schließlich fragte die Stanton: »Wann übernehme ich meine Pflichten als Vorstandsvorsitzender?«
»Wann immer Sie wollen«, erwiderte Maury.
»Findet das die Zustimmung der anderen Gentlemen?« Mein Vater und ich nickten, die Lincoln ebenfalls. »Dann, Gentlemen, betrachte ich mich als berufen.« Die Stanton räusperte sich und spielte mit ihrem Bart. »Wir müssen baldmöglichst mit der Arbeit beginnen. Die Zusammenführung der beiden Unternehmen wird zu einer neuen Blütezeit führen. Ich habe mir Gedanken über das Produkt gemacht, das wir herstellen sollten. Ich glaube nicht, dass es klug wäre, weitere Lincoln-Simulacra zu produzieren, ebenso wenig wie…« Ein sardonisches Lächeln huschte über ihre Züge. »… mehr Stantons. Jeweils eines reicht völlig. Lassen Sie uns etwas Schlichteres herstellen. Das wird gleichzeitig unser Mechanikerproblem lindern. Ich muss ohnehin erst Belegschaft und Ausstattung in Augenschein nehmen und sehen, ob alles so ist, wie es sich gehört. Trotzdem bin ich schon jetzt zuversichtlich, dass unser Unternehmen ein schlichtes, anständiges Produkt herstellen kann, das alle Welt haben möchte. Ein Simulacrum, das zwar nicht einzigartig oder komplex ist, aber doch gebraucht wird. Arbeiter-Simulacra vielleicht, die selbst weitere Simulacra produzieren können.«
Das war eine gute, wenn auch ziemlich beängstigende Idee.
»Meiner Meinung nach«, fuhr die Stanton fort, »sollten wir ein Standardmodell entwerfen und zur Produktionsreife bringen. Es wird das erste offizielle Simulacrum unseres Unternehmens sein, und noch bevor Mr. Barrows Gebrauch von Miss Frauenzimmers Wissen und Talenten gemacht hat, werden wir es auf dem Markt haben.«
Wir nickten alle.
»Ich schlage insbesondere ein Simulacrum vor, das eine simple haushälterische Tätigkeit ausführen kann und zu diesem Zweck angeboten wird: einen Babysitter. Und wir sollten es so weit vereinfachen, das wir es für einen möglichst niedrigen Preis anbieten können. Sagen wir, für vierzig Dollar.«
Wir sahen einander an; das war auch keine schlechte Idee.
»Ich weiß aus Erfahrung, welch großer Bedarf nach jemandem besteht, der sich jederzeit um den Nachwuchs einer Familie kümmern kann, und bin mir daher sicher, dass sich ein solches Produkt sofort absetzen ließe und wir in Zukunft keine Probleme finanzieller Art mehr hätten. Darum möchte ich zu einer Abstimmung in dieser Frage aufrufen. Alle, die dafür sind, sagen ›Aye‹.«
»Aye«, sagte ich.
»Aye«, sagte Maury.
Nach kurzem Nachdenken sagte mein Vater: »Ich bin ebenfalls dafür.«
»Damit ist der Antrag angenommen«, erklärte die Stanton. Sie nahm einen Schluck Kaffee und sagte dann mit ernster, entschlossener Stimme: »Das Unternehmen braucht einen Namen, einen neuen Namen. Ich schlage vor, wir nennen es R & R Associates of Boise, Idaho. Findet das Ihre Zustimmung?« Sie sah sich um. Wir nickten. »Gut. Dann wollen wir gleich beginnen. Mr. Lincoln, wollen Sie als unser Justiziar bitte dafür sorgen, dass unsere Papiere in Ordnung sind. Falls nötig, können Sie einen jüngeren Anwalt hinzuziehen, der mit der gegenwärtigen Rechtslage besser vertraut ist – ich autorisiere Sie ausdrücklich dazu. Gentlemen, vor uns liegt eine Vielzahl ehrenwerter Anstrengungen, und wir wollen nicht in der Vergangenheit verweilen, in den Unannehmlichkeiten und Rückschlägen, die wir erst kürzlich erfahren haben. Es ist von höchster Wichtigkeit, dass wir stattdessen nach vorne blicken. Können wir das tun, Mr. Rock?«
»Klar.« Maury nickte. »Sie haben recht, Stanton.« Er ging zur Kasse und kam mit zwei langen, in Goldpapier eingewickelten Zigarren zurück. Eine davon gab er meinem Vater. »Elconde de Guell. Von den Philippinen.« Er wickelte seine aus und steckte sie an; mein Vater tat es ihm gleich.
»Es wird uns gutgehen, nicht wahr?«, sagte mein Vater paffend.
»Ja, ganz richtig«, erwiderte Maury und paffte ebenfalls drauf los.
Wir anderen tranken unseren Kaffee aus.
Zwölf
Ich hatte befürchtet, Pris’ Wechsel zu Barrows würde Maury so belasten, dass er als Partner nicht mehr viel taugte. Aber da lag ich falsch. Tatsächlich verdoppelte er seine Anstrengungen, beantwortete schriftliche Anfragen bezüglich Orgeln und Kleinklaviere, arrangierte Lieferungen in alle Himmelsrichtungen und stürzte sich in die Aufgabe, das Babysitter-Simulacrum zu designen und in Produktion zu bringen.
Ohne Bob Bundy konnten wir keine neuen Schaltungen entwickeln, also galt es, die alten zu modifizieren. Unser Babysitter würde eine Weiterentwicklung der Lincoln sein – sozusagen ein Nachfahr.
Vor vielen Jahren war Maury ein Science-Fiction-Magazin namens Thrilling Wonder Stories in die Hände gefallen, und darin stand eine Story über Roboter, die wie riesige mechanische Hunde kleine Kinder beschützten. Sie wurden ›Nannys‹ genannt, offenbar nach der Hündin Nana in ›Peter Pan‹. Maury gefiel der Name, und als sich unser Vorstand zusammensetzte – Stanton als Vorsitzender, dazu ich, Maury, Jerome und Chester sowie unser Justiziar Abraham Lincoln –, schlug er vor, ihn zu benutzen.
»Das Magazin oder der Autor könnte uns verklagen«, gab ich zu bedenken.
»Ach, das ist dermaßen lange her«, erwiderte Maury. »Das Magazin gibt es gar nicht mehr, und der Autor ist wahrscheinlich längst tot.«
»Fragen wir unseren Justiziar.«
Nach sorgfältiger Erwägung kam die Lincoln zu dem Schluss, dass die Bezeichnung ›Nanny‹ für einen mechanischen Babysitter inzwischen nicht mehr geschützt war. »Denn mir ist aufgefallen«, argumentierte sie, »dass der Name Ihnen allen bekannt war, obwohl Sie die Geschichte nicht gelesen haben, aus der er ursprünglich stammt.«
Also nannten wir unsere Babysitter-Simulacra Nannys. Die Entscheidungsfindung kostete uns allerdings mehrere Wochen, weil die Lincoln erst noch ›Peter Pan‹ lesen musste. Und es machte ihr so viel Spaß, dass sie es zu den Vorstandssitzungen mitbrachte und unter viel Gekicher daraus vorlas. Wir hatten keine Wahl, wir mussten diese Lesungen über uns ergehen lassen.
»Ich habe Sie ja gewarnt«, sagte die Stanton, als die Lincoln einmal gerade nicht im Raum war.
»Und dann noch ausgerechnet ein verfluchtes Kinderbuch«, brummte Maury. »Wenn er schon laut vorlesen muss, warum dann nicht die New York Times?«
Maury hatte zwischenzeitlich in der Hoffnung, etwas über Pris zu erfahren, die Seattier Zeitungen abonniert. Er war zuversichtlich, bald eine entsprechende Meldung zu finden. Dass sie dort war, stand fest, denn bei ihm zu Hause war ein Umzugswagen vorgefahren und hatte den Rest ihrer Sachen mitgenommen – und der Fahrer hatte Maury erzählt, dass er alles nach Seattle transportieren sollte.