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Sie kam bei Barrows’ Tisch an, beugte sich vor, legte ihm eine Hand auf die Schulter, sprach ihn an. Prompt wandte sich Barrows zu mir um. Pris sah ebenfalls herüber; ihre dunklen, kalten Augen glitzerten.

Schließlich kehrte die Lincoln an die Bar zurück. »Gehen Sie zu ihnen, Mr. Rosen.«

Blitzartig stand ich auf und schlängelte mich zwischen den Tischen hindurch zu Barrows und Pris. Sie starrten mich an. Sie glaubten wohl, dass ich meine .38er dabeihatte, aber das stimmte nicht – sie lag im Motel. »Sie sind erledigt, Barrows«, sagte ich. »Ich habe sämtliche Informationen für Silvia beisammen.« Ich sah auf meine Armbanduhr. »Zu schade für Sie, aber jetzt ist es zu spät. Sie haben Ihre Chance gehabt und alles vermasselt.«

»Setzen Sie sich, Rosen.«

Ich nahm an ihrem Tisch Platz. Die Bedienung brachte Martinis.

Barrows grinste mich an. »Wir haben unser erstes Simulacrum gebaut.«

»Ah ja? Wen denn?«

»George Washington.«

»Ein Jammer, mitansehen zu müssen, wie Ihr Imperium zu Staub zerfällt.«

»Ich verstehe zwar nicht, was Sie damit meinen, aber ich freue mich, dass wir uns hier über den Weg laufen. Eine gute Gelegenheit, einige Missverständnisse aus der Welt zu schaffen.« Er wandte sich Pris zu. »Tut mir leid, Geschäftliches besprechen zu müssen, Liebling, aber es ist ein glücklicher Zufall, Louis hier anzutreffen. Du hast doch nichts dagegen?«

»Doch, habe ich. Wenn er nicht geht, ist es aus mit uns.«

»Aber Liebes, wenn es dich so aufregt, kann ich dir ja ein Taxi rufen.«

Sie sah ihn mit eisiger Miene an. »Ich lasse mich nicht wegschicken. Wenn du versuchst, mich loszuwerden, wirst du dich so schnell auf einer Müllhalde wiederfinden, dass dir der Kopf schwirrt.«

Wir sahen sie beide an. Unter der schönen Fassade war es immer noch die alte Pris.

»Ich denke, ich werde dich nach Hause schicken.«

»Nein.«

Barrows winkte der Bedienung. »Rufen Sie bitte ein Taxi für die…«

»Du hast mich vor Zeugen gevögelt«, rief Pris.

Barrows erbleichte und schickte die Bedienung wieder weg. »Jetzt hör aber auf.« Seine Hände zitterten. »Kannst du dich nicht einen Abend mal benehmen?«

»Ich sage, was ich will und wann ich will.«

»Na schön, was für Zeugen?« Barrows brachte ein Lächeln zustande. »Dave Blunk? Colleen Nild? Nur weiter, Liebling.«

»Du bist ein obszöner alter Mann, der den Frauen unter die Röcke sieht. Du gehörst hinter Gitter.« Ihre Stimme war nicht laut, aber so deutlich, dass an den Tischen in der Nähe mehrere Leute herübersahen. »Du hast ihn mir einmal zu oft reingesteckt. Und eins kann ich dir sagen: es ist ein Wunder, dass du ihn überhaupt hochgekriegt hast. Dieses kleine, wabbelige Ding.«

Barrows’ Lächeln wurde zu einem schiefen Grinsen. »Sonst noch was?«

»Ja. Du hast die Leute alle gekauft, damit sie nicht gegen dich aussagen.«

»Bist du jetzt fertig?«

Sie sah ihn schweigend an.

Barrows wandte sich nun mir zu. »So, jetzt können wir.« Es war erstaunlich – er wirkte nach wie vor gelassen.

Ich räusperte mich. »Soll ich mich an Mrs. Devorac wenden oder nicht?«

Barrows warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Haben Sie etwas dagegen, wenn wir Dave Blunk kommen lassen?«

»Nein.« Ich war überzeugt, dass Blunk ihm dazu raten würde, einzulenken.

Barrows entschuldigte sich und ging telefonieren. Während er weg war, saßen Pris und ich einander gegenüber, ohne dass jemand etwas sagte. Schließlich kam er wieder zurück. Pris funkelte ihn argwöhnisch an. »Was für eine Schweinerei hast du jetzt vor, Sam?«

Barrows erwiderte nichts, sondern lehnte sich nur bequem zurück.

»Louis, er hat irgendwas in die Wege geleitet.« Pris blickte sich hektisch um. »Merkst du es nicht?«

»Mach dir keine Sorgen, Pris«, sagte ich. Aber besonders wohl fühlte ich mich auch nicht. Ich sah, dass die Lincoln unruhig an der Bar saß und ein finsteres Gesicht machte. Hatte ich etwa einen Fehler gemacht? Nun, jetzt war es zu spät – ich hatte zugestimmt.

»Könnten Sie bitte kommen?«, rief ich. Die Lincoln stand sofort auf und kam zu uns. »Mr. Barrows wartet noch auf seinen Anwalt.«

Die Maschine setzte sich und dachte nach. »Ich glaube, das schadet nicht.«

Wir warteten. Nach etwa einer halben Stunde erschien Dave Blunk und schlängelte sich zu uns durch. Hinter ihm kamen Colleen Nild in Abendgarderobe und ein junger Mann mit Bürstenschnitt und Fliege, der einen ziemlich aufgeweckten Eindruck machte.

Wer ist das?, fragte ich mich. Meine Beklommenheit nahm zu.

»Tut mir leid, dass wir so spät sind«, dröhnte Blunk, während er Mrs. Nild mit dem Stuhl behilflich war. Er und der junge Mann mit der Fliege setzten sich. Niemand stellte irgendjemanden vor.

Das muss irgendein Angestellter von Barrows sein, dachte ich. Etwa der Hiwi, der die Formalie einer rechtskräftigen Ehe mit Pris übernehmen würde?

Als Barrows bemerkte, dass ich den Mann anstarrte, sagte er: »Das hier ist Johnny Booth. Johnny – Louis Rosen.«

Der junge Mann nickte flüchtig. »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Mr. Rosen.« Dann nickte er den anderen zu. »Hallo.«

»Moment mal.« Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. »John Booth? John Wilkes Booth?«

Barrows grinste. »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen.«

»Aber er sieht gar nicht wie John Wilkes Booth aus.« Ich hatte ja gerade erst in den Nachschlagewerken geblättert: John Wilkes Booth war Theaterschauspieler gewesen, und seine Ausstrahlung soll spektakulär gewesen sein. Das hier dagegen war bloß einer dieser Laufburschen, wie man sie in allen Großstädten der Vereinigten Staaten über die Büroflure flitzen sieht. »Das ist also Ihr erster Versuch? Dann gebe ich Ihnen einen Tipp – fangen Sie besser noch mal ganz von vorn an.« Doch während ich das sagte, starrte ich das Ding entsetzt an, denn so beknackt es auch aussah, im technischen Sinne war es ein Erfolg.

Das Simulacrum von Lincolns Attentäter! Ich konnte nicht vermeiden, einen Seitenblick auf die Lincoln zu werfen, um ihre Reaktion zu sehen. Konnte sie etwas mit dem Namen anfangen?

Sie rührte sich nicht. Aber die Falten in ihrem Gesicht, die Schatten der Schwermut, waren tiefer geworden. Sie schien zu wissen, was ihr bevorstand, was dieses neue Simulacrum bedeutete.

Ich konnte nicht fassen, dass Pris dieses Ding designt hatte. Doch dann wurde mir klar, dass sie es gar nicht designt hatte – darum hatte es ja so ein Allerweltsgesicht. Das war allein Bundys Werk. Er hatte für Barrows die Elektronik entwickelt, und der hatte sie dann in diesen Jedermann-Behälter stopfen lassen, der hier am Tisch saß und lächelte und nickte. Sie hatten nicht einmal versucht, das authentische Aussehen von Booth nachzubilden, das hatte sie gar nicht interessiert. Das Ganze diente nur einem einzigen Zweck.

»So, wir können unser Gespräch jetzt fortsetzen«, sagte Barrows.

Blunk nickte, die Booth-Maschine ebenfalls. Mrs. Nild studierte die Karte, während Pris das Simulacrum wie versteinert anstarrte. Also hatte ich recht – es war eine Überraschung für sie. Während sie zu rauschenden Partys eingeladen, schick eingekleidet und verschönert worden war, hatte Bob Bundy in irgendeiner Werkstatt von Barrows Enterprises gestanden und an diesem Ding hier herumgelötet.

»Na schön«, erwiderte ich. »Machen wir weiter.«

Barrows sah sein Simulacrum an. »Johnny, der Große mit dem Bart dort ist übrigens Abe Lincoln. Ich habe dir von ihm erzählt, weißt du noch?«

»Aber ja, Mr. Barrows.« Das Booth-Ding nickte aufgeregt. »Ich weiß es noch genau.«

Ich hob empört die Hände. »Barrows, das ist eine Fälschung, die Sie uns hier servieren. Irgendeine Mordsmaschine namens ›Booth‹, die weder richtig aussieht noch richtig redet. Das Ding ist einfach nur billig hingepfuscht. Ich schäme mich für Sie.«