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»Oh.« Ich nickte. »Sicher.«

Ich sah zu der Lincoln, die mit gesenktem Kopf dasaß. Hörte sie Earl Grant zu? War sie von seinem Lied überwältigt? Sie rührte sich nicht, atmete offenbar nicht einmal. Es ist eine Art von Gebet, dachte ich. Und gleichzeitig ganz und gar kein Gebet. Das Stocken eines Gebets vielleicht, sein Ende…

Blunk und ich ergriffen das Booth-Ding und stellten es auf die Füße. Es war ziemlich schwer.

»Er fährt einen Mercedes«, keuchte Blunk, während wir Richtung Tür gingen. »Weiß mit roten Ledersitzen.«

Als wir schließlich auf der Straße standen, sah uns der Türsteher neugierig an, aber weder er noch irgendjemand anders machte Anstalten, sich einzumischen oder zu helfen oder herauszufinden, was los war.

»Da kommt er«, sagte Blunk.

Barrows hielt den Wagen an, und Blunk und ich schafften es, irgendwie das Simulacrum auf die Rückbank zu verfrachten.

»Sie kommen besser mit«, sagte Colleen Nild zu mir, als ich vom Wagen zurücktrat.

»Ja, gute Idee«, dröhnte Blunk. »Wir bringen die Booth in die Werkstatt und fahren dann rüber zu Colleens Wohnung und trinken was zusammen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Na los«, meldete sich Barrows hinter dem Steuer. »Rein mit euch. Damit sind auch Sie und Ihr Simulacrum gemeint, Rosen. Gehen Sie es holen.«

»Nein. Nein danke. Fahrt mal.«

»Na schön. Wie Sie wollen.«

Blunk und Colleen Nild stiegen ein, und das Auto verschwand im dichten Abendverkehr.

Mit den Händen in den Taschen ging ich in das Lokal zurück, und bahnte mir einen Weg zu unserem Tisch, an dem immer noch die Lincoln saß, den Kopf gesenkt, die Arme um sich geschlungen, völlig reglos.

Was konnte ich ihr sagen? Wie konnte ich sie aufmuntern?

»Wissen Sie, Sie sollten sich von so etwas wirklich nicht runterziehen lassen.«

Die Lincoln erwiderte nichts.

»Der Quatsch wird immer quetscher, bis er quietscht.«

Sie hob den Kopf, starrte mich an. »Und was soll das heißen?«

»Keine Ahnung, absolut keine Ahnung… Hören Sie, ich bringe Sie zurück nach Boise und besorge Ihnen einen Termin bei Doktor Horstowski. Vielleicht kann er ja etwas gegen diese Depressionen tun.«

Die Lincoln zog ein großes rotes Taschentuch hervor und schnäuzte sich die Nase. »Danke für Ihre Besorgnis.«

»Einen Drink? Oder eine Tasse Kaffee oder einen Happen zu essen?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Wann sind diese Depressionen zum ersten Mal aufgetreten? Wollen Sie vielleicht darüber reden? Erzählen Sie mir einfach, was Ihnen einfällt. Bitte. Danach geht es Ihnen bestimmt besser.«

Die Lincoln räusperte sich. »Kehren Mr. Barrows und sein Hofstaat noch einmal zurück?«

»Das glaube ich nicht. Sie fahren rüber zu Mrs. Nilds Wohnung.«

Die Lincoln hob eine Augenbraue. »Warum fahren sie dorthin und nicht zu Mr. Barrows?«

»Dort gibt es was zu trinken. Hat jedenfalls Dave Blunk gesagt.«

Die Lincoln räusperte sich und machte ein überaus merkwürdiges Gesicht – als sei sie verwirrt und hätte zugleich etwas begriffen.

»Was ist los?«

»Fahren Sie zu Mrs. Nilds Wohnung, Mr. Rosen. Verschwenden Sie keine Zeit.«

»Warum?«

»Weil sie dort ist.«

Mir kribbelte die Kopfhaut.

»Ja, sie hat dort bei Mrs. Nild gewohnt. Ich werde ins Motel zurückkehren. Machen Sie sich um mich keine Sorgen – falls nötig, bin ich durchaus in der Lage, morgen allein nach Boise zurückzufliegen. Nun machen Sie schon, bevor die Truppe dort ankommt.«

Ich stand auf. »Ich weiß nicht…«

»Die Adresse finden Sie im Telefonbuch.«

»Ja, danke für den Hinweis. Wissen Sie, ich habe den Eindruck, Sie haben da gerade eine gute Idee gehabt. Dann machen Sie es mal gut. Wir sehen uns. Und falls…«

»Nun gehen Sie schon.«

Ich ging.

In einem Drugstore konsultierte ich das Telefonbuch, fand Colleen Nilds Anschrift, ging wieder hinaus auf die Straße und winkte nach einem Taxi.

Sie wohnte in einem großen Backsteinhaus. Nur wenige Fenster waren um diese Zeit noch erleuchtet. Ich drückte die Klingel unten an der Tür. Aus dem kleinen Lautsprecher kam Rauschen, dann fragte die gedämpfte Stimme einer Frau, wer ich war.

»Louis Rosen.« War das etwa Pris? »Kann ich raufkommen?«

Die Tür summte, ich machte einen Satz und drückte sie auf. Dann durchquerte ich die menschenleere Eingangshalle und ging die Treppe zum zweiten Stock hinauf. Keuchend stand ich schließlich vor ihrer Wohnung.

Die Tür war offen. Ich klopfte, wartete, dann ging ich hinein.

Im Wohnzimmer saß Colleen Nild mit einem Drink in der Hand auf einer Couch, ihr gegenüber Sam Barrows. Beide sahen sie mich mit großen Augen an.

»Hi, Rosen.« Barrows deutete mit dem Kopf zu einem Couchtisch, auf dem eine Flasche Wodka, Limonensaft, Eiswürfel und Gläser standen. »Bedienen Sie sich.« Dann, während ich mir einen Drink machte, sagte er: »Ich habe Neuigkeiten für Sie. Jemand, der Ihnen sehr am Herzen liegt, ist hier. Schauen Sie mal ins Schlafzimmer.« Er und Colleen Nild lächelten.

Ich stellte das Glas ab und ging zögerlich zur Schlafzimmertür.

Barrows schwenkte seinen Drink. »Wie kommt es, dass Sie Ihre Meinung geändert haben und doch noch gekommen sind?«

»Die Lincoln dachte, Pris ist hier.«

»Also, ich sage das ja wirklich nicht gern, aber man muss wirklich bekloppt sein, um sich von der Kleinen so einwickeln zu lassen.«

»Das sehe ich anders.«

»Aber nur, weil ihr krank seid, ihr alle, Pris und die Lincoln und Sie. Johnny Booth war tausend Lincolns wert. Wir werden ihn wieder zusammenflicken und für die Monderschließung verwenden. Booth ist schließlich ein alter, vertrauter amerikanischer Name, es spricht nichts dagegen, dass die Familie nebenan Booth heißt. Sie müssen wirklich eines Tages mal nach Luna kommen, Mr. Rosen, und sich ansehen, was wir dort aufgebaut haben.«

»Ein erfolgreicher Geschäftsmann hat es nicht nötig, zu solchen Tricksereien zu greifen.«

»Tricksereien? Ich gebe den Leuten lediglich eine kleine Starthilfe, damit sie endlich das tun, was sie sowieso längst vorhatten… Aber ich will mich nicht streiten. Es war ein ziemlich harter Tag. Ich bin müde und hege niemandem gegenüber irgendwelche Feindseligkeiten.« Er grinste mich an. »Wenn Ihre kleine Firma sich mit uns zusammengetan hätte – Sie müssen geahnt haben, was das bedeutet hätte. Schließlich sind Sie auf mich zugekommen, nicht ich auf Sie. Aber das ist jetzt alles vorbei. Für Sie jedenfalls. Für mich nicht – wir ziehen das durch, auf die eine oder andere Art.«

»Daran besteht kein Zweifel, Sam«, flötete Colleen Nild.

»Danke, Colleen. Ich kann es einfach nicht ertragen, diesen Burschen hier so zu sehen, ohne Ziele, ohne Vision, ohne Ehrgeiz. Es zerreißt einem das Herz, ehrlich.«

Ich erwiderte nichts. Ich stand vor der Schlafzimmertür und hoffte, sie würden aufhören, über mich zu reden.

Colleen Nild lächelte mir zu. »Gehen Sie schon rein.«

Ich öffnete die Tür.

Das Schlafzimmer lag im Dunkeln. In der Mitte waren die Umrisse eines Bettes zu erkennen. Und auf dem Bett lag eine Gestalt. Sie hatte ein Kissen im Rücken und rauchte eine Zigarette. Aber war es wirklich eine Zigarette? Der Raum roch nach Zigarrenrauch. Ich betätigte den Lichtschalter.

Auf dem Bett lag mein Vater. Eine Zigarre in der Hand, sah er mich nachdenklich an. Er trug Bademantel und Pyjama, und neben das Bett hatte er seine Pelzpantoffeln gestellt.

»Mach die Tür zu, mein Sohn«, sagte er leise.

In meiner Verblüffung gehorchte ich. Ich schloss die Tür jedoch nicht schnell genug, um mir das Gelächter aus dem Wohnzimmer zu ersparen, das laute Feixen von Sam Barrows und Colleen Nild. Was hatten sie sich doch für einen Scherz mit mir geleistet, mit ihrem ganzen Gerede – wissend, dass Pris gar nicht hier war, dass die Lincoln sich geirrt hatte.