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»Ich weiß.«

Er nahm einen neuen Anlauf. »Mein Vater wäre ruiniert. Meine ganze Familie wäre ruiniert.«

»Ich weiß.«

Es war aussichtslos. »Was willst du von mir?«

»Ich will, dass du’s mit mir machst.«

»Nein! Das ist unmöglich. Dein Vater würde mich umbringen, wenn er’s rauskriegte.«

»Und wenn du jetzt gehst, bringt er dich auch um. Nicht viel Auswahl, was?«

Er starrte sie erschrocken an. »Warum gerade ich, Lucia?«

»Weil ich dich liebe, Paolo!« Sie fasste seine Hände und drückte sie sanft zwischen ihre Beine. »Ich bin eine Frau. Sorg dafür, dass ich mich wie eine fühle.«

Im Halbdunkel sah Paolo die Zwillingshügel ihrer Brüste, die aufgerichteten Brustspitzen und das weiche dunkle Haar zwischen ihren Beinen.

Jesus, dachte Paolo, ich bin schließlich auch nur ein Mann.

Sie führte ihn zur Couch und half ihm, Hose und Unterhose auszuziehen. Als sie vor ihm niederkniete, seine harte Männlichkeit in den Mund nahm und sanft daran saugte, dachte er: Das tut sie nicht zum ersten Mal. Und als er auf ihr lag und tief in sie hineinstieß, während ihre Arme ihn umschlangen und ihre Hüften sich ihm gierig entgegenreckten, dachte er: Mein Gott, sie ist wunderbar.

Lucia fühlte sich wie im siebten Himmel. Es war, als sei sie zur Liebe geboren. Sie wusste instinktiv genau, was sie zu tun hatte, um Paolo und sich selbst Lust zu bereiten. Ihr ganzer Körper schien in Flammen zu stehen. Sie spürte, wie sie immer größere Höhen erreichte, und als sie endlich auf dem Höhepunkt angelangt war, schrie sie ihre Lust laut hinaus. Danach lagen sie beide erschöpft und schweratmend nebeneinander.

Lucia sprach als erste. »Morgen zur gleichen Zeit«, sagte sie.

Als Lucia sechzehn war, beschloss Angelo Carmine, seine Tochter müsse nun etwas von der Welt sehen. In Gesellschaft ihrer ältlichen Tante Rosa verbrachte Lucia ihre Ferien auf Capri und Ischia, in Rom, Venedig und einem Dutzend weiterer Städte.

»Du sollst eine Frau mit Kultur werden - kein Bauer wie dein Papa. Reisen vervollständigt deine Bildung. Auf Capri besucht Tante Rosa mit dir das Kartäuserkloster, die Kapelle San Michele und die Villen des Tiberius.«

»Ja, Papa.«

»In Venedig besichtigt ihr die Markuskirche, den Dogenpalast, die Kirche San Gregorio und das Museum des achtzehnten Jahrhunderts.«

»Ja, Papa.«

»Rom ist die Schatzkammer der Welt. Dort müsst ihr den Vatikan, den Petersdom, die Basilika Santa Maria Maggiore und natürlich die Galleria Borghese besuchen.«

»Ja, Papa.«

»Und erst Mailand! Ihr müsst zu einem Konzert im Konservatorium gehen. Und ich besorge Tante Rosa und dir Karten für die Scala. Ihr besichtigt den Dom, den Palazzo di Brera, den Palazzo Poldi-Pezzoli und Dutzende von weiteren Kirchen und Museen.«

»Ja, Papa.«

Dank sorgfältiger Planung gelang es Lucia, nur sehr wenige dieser langweiligen Kirchen und Museen kennen zu lernen. Tante Rosa bestand darauf, jeden Nachmittag ihre Siesta zu halten und abends sehr früh zu Bett zu gehen.

»Du brauchst auch deinen Schlaf, Kind.«

»Gewiss, Tante Rosa.«

Und während Tante Rosa den Schlaf der Gerechten schlief, tanzte Lucia auf Capri im Quisisana, fuhr mit einer Kutsche, gezogen von einem mit Federbüschen geschmückten Klepper, fand in Marina Piccola Anschluss an Studenten, wurde zu Picknicks bei den Tiberi-usbädern eingeladen und fuhr mit der Seilbahn nach A-nacapri hinauf, wo sie mit einer Gruppe französischer Studenten auf der Piazza Umberto feierte.

In Venedig ging ein hübscher Gondoliere mit ihr in die Disco, und in Chioggia nahm ein Fischer sie zum Fischen mit. In Rom trank Lucia Wein aus Apulien und entdeckte all die frechen In-Lokale wie Märte und Ranieri und Giggi Fazi. Und Tante Rosa schlief.

Wohin Lucia auch reiste, fand sie versteckte kleine Bars und Nachtclubs und romantische, gutaussehende Männer und dachte oft: Dein Heber Papa hat recht gehabt. Reisen hat deine Bildung vervollständigt.

Im Bett hatte sie Gelegenheit, mehrere Sprachen zu üben, und dachte dabei: Das macht sehr viel mehr Spaß als der Fremdsprachenunterricht in der Schule.

Nach ihrer Rückkehr nach Taormina vertraute Lucia ihren engsten Freundinnen an: »Ich bin in Neapel nackt und in Ancona angetörnt gewesen und hab’ mich in Bologna befummeln und in Venedig vögeln lassen.«

Sizilien selbst war ein Wunder, das sich zu erforschen lohnte: eine Insel mit griechischen Tempeln, römischbyzantinischen Amphitheatern, christlichen Kirchen, arabischen Bädern und Stauferkastellen.

Lucia fand Palermo lärmend und lebhaft und genoss es, durch die Kalsa, das alte arabische Viertel, zu streifen oder die Opera dei Pupi, das Marionettentheater, zu besuchen. Am liebsten war sie jedoch in ihrem Geburtsort Taormina, einer Bilderbuchstadt hoch über dem Ionischen Meer. Taormina war eine Stadt mit schönen alten Plätzen, an denen sich Juweliere und Modegeschäfte, Bars, Restaurants und elegante Hotels wie das Excelsior Palace und das San Domenico drängten.

Die vom Hafen Nachos heraufführende kurvenreiche Straße war steil, schmal und gefährlich, und nachdem Lucia zum achtzehnten Geburtstag einen Sportwagen geschenkt bekommen hatte, verstieß sie gegen sämtliche Verkehrsvorschriften, ohne jemals von den Carabinieri angehalten zu werden. Schließlich war sie Angelo Carmines Tochter.

Für jeden, der dumm oder mutig genug war, um sich danach zu erkundigen, war Angelo Carmine in der Immobilienbranche tätig. Und das stimmte zum Teil sogar, denn seine Familie besaß die Villa in Taormina, ein Haus in Cernobbia am Comersee, eine Ferienwohnung im schweizerischen Gstaad, ein Apartment in Rom und ein Weingut in der Toskana. Darüber hinaus war Angelo Carmine jedoch auch in anrüchigeren Branchen tätig. Ihm gehörten ein Dutzend Bordelle, zwei Spielkasinos, eine Kokainplantage in Kolumbien sowie weitere sehr lukrative Unternehmen wie eine Kreditbank, die Geld zu Wucherzinsen verlieh.

Angelo Carmine war der Capo der sizilianischen Mafiosi - deshalb war es nur angemessen, dass er gut lebte. Sein Lebensstil war eine Inspiration für andere: ein herzerwärmender Beweis dafür, dass ein armer siziliani-scher Bauer, der strebsam und fleißig war, es zu Erfolg und Reichtum bringen konnte.

Mit zwölf Jahren hatte Angelo Carmine als Laufbursche bei einem Mafioso angefangen. Mit fünfzehn war er bereits Schuldeneintreiber eines Kredithais gewesen, und als Sechzehnjähriger hatte er seinen ersten Mord verübt. Zwei Jahre später hatte er Anna Cisaro, Lucias Mutter, geheiratet. In den darauf folgenden Jahren hatte Carmine den schwierigen Aufstieg bis an die Spitze der siziliani-schen Mafia geschafft und dabei eine lange Reihe toter Feinde hinter sich zurückgelassen. Er war aufgestiegen, aber Anna war das einfache Bauernmädchen geblieben, das er einst geheiratet hatte. Sie gebar ihm drei wohlgeratene Kinder, aber danach hatte sie nichts mehr zu seinem Leben beizutragen. Als ob sie sich bewusst sei, dass ihre Familie sie nicht mehr brauche, starb sie gefälligerweise und war noch rücksichtsvoll genug, still und bescheiden abzutreten.

Arnaldo und Vittorio waren in den Unternehmen ihres Vaters tätig, und als kleines Mädchen belauschte Lucia manchmal die aufregenden Gespräche zwischen ihrem Vater und ihren Brüdern und hörte sie erzählen, wie sie Gegner mit List oder Gewalt ausgeschaltet hatten. Für Lucia war ihr Vater ein Ritter in schimmernder Wehr. Sie sah nichts Böses in dem, was er und ihre Brüder taten. Im Gegenteil - sie halfen den Menschen. Weshalb sollten Leute, die gern spielen, durch dumme Gesetze daran gehindert werden? War es nicht menschenfreundlich, Männern zu helfen, die Spaß daran hatten, für Sex zu bezahlen? Und wie großzügig von ihrem Vater und ihren Brüdern, dass sie Leuten, die von hartherzigen Bankiers abgewiesen worden waren, gutes Geld liehen!