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»Gestern hat Miro Pamplona in ein Schlachtfeld verwandelt.« Martinez schlug mit der Faust auf seinen Schreibtisch. »Er hat zwei Gefängnisaufseher ermordet und zwei seiner Mordgesellen aus der Haft befreit. Weil er die Stiere freigelassen hat, hat er Dutzende von Toten und Verletzten auf dem Gewissen.«

Keiner der anderen äußerte sich dazu.

Bei seiner Amtsübernahme hatte der Ministerpräsident siegesgewiss erklärt: »Meine erste Amtshandlung wird darin bestehen, diesen Separatistengruppen das Handwerk zu legen. Madrid verwandelt Andalusier, Basken, Galicier und Katalanen in Spanier.«

Er war übermäßig optimistisch gewesen. Die verbissen nach Unabhängigkeit strebenden Basken hatten andere Vorstellungen, und die Woge von Bombenanschlägen, Banküberfällen und Demonstrationen durch Terroristen der Euzkadita Azkatasuna (ETA) rollte ungebrochen weiter übers Land.

»Ich spüre ihn auf«, sagte der Mann rechts neben Martinez ruhig.

Der Sprechende war Oberst Ramon Acoca, Chef der zur Bekämpfung baskischer Terroristen gegründeten Grupo de Operaciones Especiales (GOE). Acoca war eine riesenhafte Gestalt Mitte Sechzig mit narbenzerfurchtem Gesicht und kalten Obsidianaugen. Im Bürgerkrieg hatte er als junger Offizier für Francisco Franco gekämpft und war noch heute ein fanatischer Anhänger der Devise des Generals: »Rechenschaft schuldig sind wir nur Gott und der Geschichte.«

Der brillante Offizier Acoca war einer der engsten Vertrauten Francos gewesen. Der Oberst trauerte der einstmaligen eisernen Disziplin, der schnellen Bestrafung von Zweiflern und Gesetzesbrechern noch immer nach. Er hatte die Wirkung des Bürgerkriegs zwischen dem nationalistischen Bündnis aus Monarchisten, aufständischen Generalen, Grundbesitzern, der Kirche und den faschistischen Falangisten auf der einen Seite und den von Sozialisten, Kommunisten, Liberalen und baskischen und katalanischen Separatisten unterstützten Truppen der republikanischen Regierung auf der anderen miterlebt. Und jetzt kämpften und mordeten die Basken wieder.

Oberst Acoca befehligte eine schlagkräftige, rücksichtslos vorgehende Antiterroreinheit. Seine Männer arbeiteten ausgezeichnet getarnt im Untergrund und ließen sich aus Angst vor Vergeltungsschlägen weder zitieren noch fotografieren.

Wenn irgendeiner Jaime Miro das Handwerk legen kann, ist’s Oberst Acoca, dachte der Ministerpräsident. Aber die Sache hatte einen Haken: Wer soll Oberst Acoca das Handwerk legen können?

Die Berufung Acocas an die Spitze der GOE war nicht die Idee des Ministerpräsidenten gewesen. Martinez war eines Nachts unter seiner Privatnummer angerufen worden. Er hatte die Stimme des Anrufers sofort erkannt.

»Die Aktivitäten Jaime Miros und seiner Terroristen machen uns große Sorgen. Wir schlagen vor, dass Sie Oberst Ramon Acoca mit der Führung der GOE betrauen. Haben Sie verstanden?«

»Gewiss! Ich sorge sofort dafür.«

Am anderen Ende wurde aufgelegt.

Die Stimme hatte einem Mitglied der Geheimloge OPUS mundo gehört, einem Geheimbund aus Bankiers, Anwälten, Industriellen und Ministern. Angeblich verfügte er über gewaltige Geldmittel, Herkunft und Verwendung dieses Geldes blieben jedoch rätselhaft. Es galt als ungesund, sich allzu hartnäckig dafür zu interessieren.

Der Ministerpräsident hatte Oberst Acoca an die Spitze der GOE gestellt, wie ihm aufgetragen worden war, aber der Riese hatte sich als unkontrollierbarer Fanatiker erwiesen. Unter ihm hatte die GOE eine Schreckensherrschaft errichtet. Martinez dachte an die baskischen Terroristen, die Acocas Männer bei Pamplona geschnappt hatten. Sie waren zum Tode durch den Strang verurteilt worden. Oberst Acoca hatte jedoch auf ihrer Hinrichtung durch die Garrotte bestanden, das barbarische Würgeisen, dessen Eisendorn in den Nacken des Opfers eindringt und sein Rückenmark durchtrennt.

Der Kampf gegen Jaime Miro war für Oberst Acoca zu einer fixen Idee geworden.

»Ich will seinen Kopf«, sagte Oberst Acoca, »mit seinem Tod ist die baskische Untergrundbewegung erledigt.«

Eine Übertreibung, fand der Ministerpräsident, obwohl er zugeben musste, dass diese Behauptung nicht ganz unzutreffend war. Jaime Miro war ein charismatischer Führer, der die Ziele seiner Bewegung fanatisch verfolgte und deshalb so gefährlich war.

Aber auf seine Weise, dachte Martinez, ist Oberst Acoca ebenso gefährlich.

Primo Casado, der Director General de Seguridad, hatte das Wort ergriffen. »Exzellenz, was sich in Pamplona ereignet hat, ist nicht vorherzusehen gewesen. Jaime Miro ist.«

»Was er ist, weiß ich!« knurrte der Ministerpräsident. »Ich möchte wissen, wo er ist.« Er wandte sich aufgebracht an Acoca.

»Ich bin ihm auf den Fersen«, behauptete der Oberst. Seine Stimme klang eiskalt. »Ich darf Sie daran erinnern, Exzellenz, dass wir es nicht nur mit einem einzigen Mann zu tun haben. Wir kämpfen gegen die Mehrzahl der Basken. Sie versorgen Miro und seine Terroristen mit Nahrung und Waffen und gewähren ihnen Unterschlupf. Für sie ist dieser Mann ein Held. Aber seien Sie unbesorgt - er wird bald ein toter Held sein. Natürlich erst, nachdem ich ihm einen fairen Prozess gemacht habe.«

Nicht wir - ich. Martinez fragte sich, ob das den anderen auch aufgefallen war. Ja, dachte er nervös, gegen Acoca wird bald etwas unternommen werden müssen.

Der Ministerpräsident erhob sich. »Das war vorläufig alles, meine Herren.«

Die anderen standen auf, um zu gehen. Alle außer Oberst Acoca. Er blieb.

Leopoldo Martinez begann auf und ab zu gehen. »Der Teufel soll die Basken holen! Weshalb sind sie nicht damit zufrieden, einfach Spanier zu sein? Was wollen sie denn noch?«

»Sie sind machthungrig«, behauptete der Oberst. »Sie fordern Autonomie, ihre eigene Sprache und ihre Flagge.«

»Nein! Nicht in meiner Amtszeit! Ich lasse nicht zu, dass sie Stücke aus Spanien herausreißen. Die Regierung teilt ihnen mit, was sie bekommen können und was ihnen verweigert werden muss. Sie sind nur ein Pöbelhaufen, der.«

Einer seiner Mitarbeiter betrat den Raum. »Entschuldigen Sie, Exzellenz«, sagte er halblaut, »aber Bischof Iba-nez ist da.«

»Schicken Sie ihn rein.«

Der Oberst kniff die Augen zusammen. »Ich garantiere Ihnen, dass die Kirche hinter dieser ganzen Sache steckt. Es wird Zeit, dass wir ihr eine Lehre erteilen.«

Die Kirche gehört zu den großen Ironien unserer Geschichte, dachte Oberst Acoca erbittert.

Zu Beginn des Bürgerkriegs hatte die katholische Kirche auf der Seite der Nationalisten gestanden. Der Papst hatte Generalissimus Franco unterstützt und ihm dadurch die Möglichkeit gegeben, sich als Streiter für die Sache Gottes zu bezeichnen. Aber als baskische Kirchen, Klöster und Geistliche angegriffen worden waren, hatte die Kirche ihre Unterstützung zurückgezogen.

»Sie müssen den Basken und Katalanen mehr Freiheit gewähren«, hatte die Kirche gefordert, »und Sie müssen aufhören, baskische Priester hinrichten zu lassen.«

Generalissimus Franco war wütend gewesen. Wie konnte die Kirche es wagen, der Regierung Vorschriften zu machen?

Danach hatte ein Abnützungskrieg begonnen. Francos Truppen überfielen weitere Kirchen und Klöster; Nonnen und Priester wurden ermordet. Bischöfe wurden unter Hausarrest gestellt, und in ganz Spanien wurden Geistliche wegen Predigten, die staatliche Stellen für aufrührerisch hielten, mit Geldstrafen belegt. Erst als die Kirche Franco mit der Exkommunikation drohte, stellte er seine Angriffe ein.

Die gottverdammte Kirche! dachte Acoca. Weil Franco tot ist, glaubt sie, sich wieder einmischen zu können.

Er wandte sich an den Ministerpräsidenten. »Allmählich wird’s Zeit, dass dem Bischof beigebracht wird, wer in Spanien das Sagen hat.«