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Oberst Ramon Acoca besaß den Instinkt eines Jägers. Er liebte die Jagd, aber erst das Töten verschaffte ihm die wahre innerliche Befriedigung. »Wenn ich töte, habe ich einen Orgasmus«, hatte er einst einem Freund gestanden. »Ob’s ein Stück Wild oder ein Mensch ist, spielt dabei keine Rolle - einem Leben ein Ende zu setzen erweckt in einem gottähnliche Gefühle.«

Acoca war ursprünglich Nachrichtendienstoffizier gewesen und rasch in den Ruf eines brillanten Kopfs gelangt. Er war furchtlos, skrupellos und intelligent: eine Kombination, die einen der Stabsoffiziere General Fran-cos auf ihn aufmerksam werden ließ.

Ramon Acoca war als Leutnant in Francos Stab eingetreten und hatte es in weniger als drei Jahren zum Major gebracht - eine nahezu unglaublich rasche Beförderung. Er bekleidete eine Führungsposition bei den Falangisten, der Sonderformation zur Terrorisierung der Gegner Francos.

Während des Bürgerkriegs hatte ein Mitglied des OPUS mundo Acoca zu sich bestellt.

»Ich möchte, dass Sie wissen, dass wir mit Erlaubnis General Francos mit Ihnen sprechen.«

»Gewiss, Exzellenz.«

»Wir haben Sie beobachtet, Major. Was wir sehen, gefällt uns.«

»Danke, Exzellenz.«

»Von Zeit zu Zeit haben wir bestimmte Aufträge, die. sagen wir mal. höchst vertraulich sind. Und sehr gefährlich.«

»Ich verstehe, Exzellenz.«

»Wir haben viele Feinde. Leute, die nicht begreifen, wie wichtig unsere Arbeit ist.«

»Ja, Exzellenz.«

»Manchmal stellen sie sich uns sogar in den Weg. Das können wir nicht zulassen.«

»Nein, Exzellenz.«

»Ich glaube, wir könnten einen Mann wie Sie brauchen, Major. Ich denke, wir verstehen einander.«

»Gewiss, Exzellenz. Für mich wäre es eine Ehre, helfen zu dürfen.«

»Wir möchten, dass Sie beim Militär bleiben. Das kann für uns nützlich sein. Aber wir sorgen dafür, dass Sie gelegentlich zu solchen „Sondereinsätzen abkommandiert werden.«

»Danke, Exzellenz.«

»Von diesem Gespräch darf niemals jemand erfahren.«

»Nein, Exzellenz.«

Der Mann hinter dem Schreibtisch hatte Acoca nervös gemacht. Er hatte etwas überwältigend Furchterregendes an sich gehabt.

Im Laufe der Jahre war Ramon Acoca aufgefordert worden, ein halbes Dutzend Aufträge für das OPUS MUNDO durchzuführen. Wie ihm vorher mitgeteilt worden war, waren sie alle gefährlich. Und höchst vertraulich.

Bei einem dieser Einsätze hatte Acoca ein sehr hübsches junges Mädchen aus vornehmer Familie kennen gelernt. Bis dahin waren alle seine Frauen Prostituierte gewesen, die er mit brutaler Verachtung behandelt hatte. Einige von ihnen, die seine Kraft und Vitalität anziehend fanden, hatten sich tatsächlich in ihn verliebt. Diesen Frauen gegenüber hatte er sich am miesesten aufgeführt.

Susanna Cerredilla jedoch gehörte einer anderen Welt an. Ihr Vater war Professor an der Universität Madrid, ihre Mutter praktizierte als Rechtsanwältin. Die siebzehnjährige Susanna besaß den Körper einer Frau und das Engelsgesicht einer Madonna. Ramon Acoca hatte noch nie ein Wesen wie diese Kindfrau gekannt. Auf ihre sanfte Verletzbarkeit reagierte er mit einer Zärtlichkeit, die ihn selbst überraschte. Er verliebte sich Hals über Kopf in sie, und aus Gründen, die weder er noch ihre Eltern verstanden, verliebte Susanna sich auch in ihn.

In den Flitterwochen hatte Acoca das Gefühl, nie andere Frauen gekannt zu haben. Lust empfunden hatte er auch bei anderen, aber diese Kombination aus Liebe und Leidenschaft war für ihn etwas gänzlich Neues.

Drei Monate nach ihrer Hochzeit teilte Susanna ihm mit, dass sie schwanger sei. Diese Nachricht löste bei Acoca wilde Begeisterung aus. Vergrößert wurde seine Freude durch die Tatsache, dass er zu einer Dienststelle in dem schönen Dorf Castilbanca im Baskenland versetzt wurde. Das war im Herbst 1936, als die Kämpfe zwischen Nationalisten und Republikanern am heftigsten tobten.

Als das Ehepaar Acoca an einem friedlichen Sonntagmorgen auf der Plaza von Castilbanca Kaffee trank, füllte sich der Platz überraschend mit baskischen Demonstranten.

»Ich möchte, dass du nach Hause gehst«, sagte Ramon Acoca zu seiner jungen Frau. »Hier gibt’s bestimmt Auseinandersetzungen.«

»Aber du.?«

»Bitte geh! Mir passiert schon nichts.«

Die Demonstranten begannen jetzt, sich drohend zusammenzurotten.

Acoca beobachtete erleichtert, wie seine junge Frau sich von der Menge entfernte und auf das Nonnenkloster am jenseitigen Rand der Plaza zuging. Als sie das Portal fast erreicht hatte, wurde die Klosterpforte aufgestoßen, und bewaffnete Basken, die sich dahinter verborgen gehalten hatten, stürmten wild um sich schießend ins Freie. Ohne seiner Frau helfen zu können, musste Acoca mit ansehen, wie sie im Kugelhagel tot zusammenbrach.

Seit diesem Tag hatte Acoca den Basken ewige Rache geschworen. Und die Kirche war in seinen Augen mitschuldig.

Jetzt stand er in Avila vor einem weiteren Nonnenkloster. Diesmal müssen sie sterben.

Im Kloster hielt Schwester Teresa im Dunkel vor Tagesanbruch die Disziplin mit der rechten Hand umklammert, geißelte sich unbarmherzig damit und spürte, wie die verknoteten Stricke in ihr Fleisch schnitten, während sie im stillen das Miserere aufsagte. Sie hätte beinahe laut aufgeschrien, aber das absolute Schweigegebot zwang sie dazu, ihre Schreie zu unterdrücken. Jesus, vergib mir meine Sünden. Sieh, wie ich mich züchtige, wie du gezüchtigt worden bist, und mir Wunden zufüge, wie dir Wunden zugefügt worden sind. Lass mich leiden, wie du gelitten hast.

Sie war nahe daran, vor Schmerzen ohnmächtig zu werden. Noch dreimal geißelte sie sich, dann sank sie schmerzgepeinigt auf ihren Strohsack. Schwester Teresa hatte sich nicht blutig geschlagen. Das war verboten. Mit zusammengebissenen Zähnen, weil jede Bewegung schmerzte, legte sie die Peitsche in ihren schwarzen Kasten zurück und stellte ihn in eine Ecke der Zelle. Dort erinnerte er sie ständig daran, dass selbst die lässlichste Sünde unter Schmerzen gebüßt werden musste.

Schwester Teresas Vergehen hatte sich an diesem Morgen ereignet, als sie auf dem Korridor mit gesenktem Blick um eine Ecke gebogen und mit Schwester Graciela zusammengestoßen war. Im ersten Schreck hatte Schwester Teresa den Kopf gehoben und ihrer Mitschwester ins Gesicht gesehen. Schwester Teresa hatte ihren Verstoß gegen die Ordensregel sofort gemeldet, und die Ehrwürdige Mutter Betina hatte missbilligend die Stirn gerunzelt und das Zeichen der Disziplin gemacht: eine dreimalige Bewegung der wie um einen Peitschengriff geschlossenen rechten Hand von Schulter zu Schulter, wobei die Daumenspitze gegen die Innenseite des Zeigefingers gedrückt wurde.

Nachts auf ihrem Strohsack hatte Schwester Teresa immer wieder an das überirdisch schöne Gesicht denken müssen, in das sie geblickt hatte. Sie wusste genau, dass sie ihr Leben lang niemals mit Schwester Graciela sprechen und sie nie wieder ansehen würde, denn schon die geringste Vertraulichkeit zwischen Nonnen wurde streng bestraft. In der hier herrschenden Atmosphäre körperlicher und moralischer Askese durften sich keine Beziehungen entwickeln. Schienen zusammenarbeitende Schwestern Freude an der stummen Gesellschaft der anderen zu haben, veranlasste die Ehrwürdige Mutter sofort eine Trennung. Auch bei Tisch durften Schwestern nie zweimal nebeneinander sitzen. Die Neigung einer Nonne zu einer anderen bezeichnete die Kirche delikat als »besondere Freundschaft«, die rasch und streng bestraft wurde. Schwester Teresa hatte dafür gebüßt, dass sie gegen die Ordensregel verstoßen hatte.

Jetzt hörte Schwester Teresa die Kirchenglocke wie aus weiter Ferne. Das war die Stimme Gottes, die sie tadelte.

In der benachbarten Zelle drang die Stimme aus Erz durch die Korridore von Schwester Gracielas Träumen, und in das Läuten mischte sich das obszöne Knarren einer Sprungfedermatratze. Der Maure kam auf sie zu, nackt, mit aufgerichtetem Geschlecht und nach ihr greifenden Händen. Schwester Graciela schrak hoch und fühlte ihr Herz jagen. Sie sah sich erschrocken um, aber sie war in ihrer winzigen Zelle allein, und das einzige Geräusch war das beruhigende Glockengeläut.