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Der Direktor nickte. »Die Garrotte.« Ein barbarisches, inhumanes Tötungswerkzeug. Nur gut, dass die Hinrichtung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, dachte de la Fuente.

Die acht Männer bewegten sich langsam den Korridor hinunter. Von der Straße drangen die Sprechchöre der Menge herein: »Jaime. Jaime. Jaime.« Tausende von Kehlen skandierten seinen Namen lauter und lauter.

»Sie rufen nach Ihnen«, sagte Pedros Arrango.

»Nein, sie rufen für sich selbst. Sie fordern Freiheit. Morgen haben sie einen anderen Namen. Ich sterbe -aber es wird immer einen Namen geben.«

Sie durchschritten zwei Absperrungen und machten vor einer kleinen Kammer mit grüner Eisentür am Ende des Korridors halt. In diesem Augenblick bog ein katholischer Geistlicher in schwarzem Ornat um die Ecke.

»Gott sei Dank, dass ich noch rechtzeitig komme! Ich soll dem Verurteilten geistlichen Beistand leisten.«

Als er sich Miro nähern wollte, vertraten zwei Wärter ihm den Weg.

»Tut mir leid, Pater«, sagte Direktor de la Fuente, »aber zu ihm darf niemand.«

»Aber ich soll.«

»Wenn Sie ihm beistehen wollen, müssen Sie’s durch die geschlossene Tür hindurch tun. Machen Sie jetzt bitte Platz.«

Einer der Wärter öffnete die grüne Tür. In der kleinen Kammer stand ein Riese, der eine Halbmaske trug, hinter einem am Fußboden festgeschraubten Lehnstuhl mit breiten Armriemen. In seinen Händen hielt er die Garrotte.

Der Direktor nickte Molinas, Arrango und dem Arzt zu. Die vier Männer betraten nach Jaime den Raum. Die Wärter blieben draußen. Die grüne Tür wurde abgesperrt und verriegelt.

In der Kammer führten de la Fuentes Assistenten Jaime zu dem Lehnstuhl. Sie schließten seine Handschellen auf, ließen ihn sich setzen und zogen die breiten Armriemen straff, während der Direktor und Dr. Anuncion zusahen. Hinter der massiven Türe waren die lauten Gebete des Geistlichen kaum zu hören.

De la Fuente sah schulterzuckend zu Jaime hinüber. »Das macht nichts. Gott versteht, was er sagt.«

Der Riese mit der Garrotte trat hinter Jaime. »Wollen Sie eine Augenbinde?« fragte Direktor de la Fuente.

»Nein.«

Der Gefängnisdirektor nickte dem Riesen zu. Der Henker hob die Garrotte und beugte sich nach vorn.

Draußen hörten die vor der Tür Wache haltenden Wärter die Sprechchöre des Mobs auf der Straße.

»Wisst ihr was?« knurrte einer von ihnen. »Ich wollte, ich wäre bei denen dort draußen!«

Fünf Minuten später öffnete sich die grüne Tür.

»Bringt den Leichensack herein«, verlangte Dr. Anun-cion.

Den Anweisungen entsprechend wurde Miros Leichnam durch einen Hinterausgang aus dem Gefängnis gebracht. Der Leichensack wurde in den Laderaum eines neutralen Kastenwagens geworfen. Aber sobald das Fahrzeug den Gefängnishof verließ, drängte die auf der Straße versammelte Menge wie von einem geheimnisvollen Magneten angezogen heran.

»Jaime. Jaime.«

Aber die Sprechchöre klangen jetzt gemäßigter. Frauen und Männer weinten, und ihre Kinder starrten das Fahrzeug an, ohne recht zu begreifen, was es transportierte. Der Kastenwagen rollte langsam durch die Menge und erreichte schließlich eine der Ausfallstraßen der Hauptstadt.

»Jesus«, sagte der Fahrer, »das ist richtig unheimlich gewesen! Der Kerl muss was Besonderes an sich gehabt haben.«

»Allerdings«, bestätigte sein Beifahrer. »Und diese Leute haben’s alle gespürt.«

An diesem Nachmittag um 14 Uhr erschienen Gefängnisdirektor Gomez de la Fuente und seine beiden Assistenten Juanito Molinas und Pedros Arrango im Amtssitz von Ministerpräsident Martinez.

»Ich möchte Sie beglückwünschen«, sagte der Ministerpräsident. »Alles hat einwandfrei geklappt.«

Der Gefängnisdirektor ergriff das Wort. »Exzellenz, wir sind nicht gekommen, um uns beglückwünschen zu lassen«, stellte er richtig. »Wir sind hier, um unser Ausscheiden aus dem Staatsdienst zu erklären.«

Martinez starrte sie verwirrt an. »Ich. das verstehe ich nicht. Was.?«

»Das Ganze ist ein humanitäres Problem, Exzellenz. Wir haben heute einen Menschen sterben gesehen. Vielleicht hatte er den Tod verdient - aber nicht auf diese Weise. Seine Hinrichtung ist barbarisch gewesen. Mit dieser Art von Strafvollzug will ich nichts mehr zu schaffen haben, und meinen Kollegen geht es wie mir.«

»Vielleicht sollten Sie sich Ihr Ausscheiden noch einmal überlegen. Ihre Pensionen.«

»Wir müssen mit unserem Gewissen leben.« Direktor de la Fuente übergab dem Ministerpräsidenten drei gleich lautende Schreiben. »Hier sind unsere Rücktrittserklärungen.«

Am späten Abend passierte der Kastenwagen die französische Grenze und fuhr zu dem Dorf Bidache bei Bay-onne weiter. Dort hielt er vor einem hübschen Bauernhaus.

»Hier sind wir richtig. Komm, wir sehen zu, dass wir die Leiche loswerden, bevor sie zu stinken anfängt.«

Eine Mittfünfzigerin öffnete ihnen die Tür. »Sie haben ihn mitgebracht?«

»Ja, Senora. Wohin sollen wir sie. äh. ihn hinlegen?«

»Bringen Sie ihn bitte ins Wohnzimmer.«

»Wie Sie wünschen, Senora. An Ihrer Stelle würde ich mit der Beisetzung nicht allzu lange warten. Sie verstehen, was ich meine?«

Sie beobachtete, wie Fahrer und Beifahrer den Leichensack hereinschleppten und im Wohnzimmer auf den Fußboden legten.

»Ich danke Ihnen.«

»De nada.«

Sie sah den beiden nach, als sie mit dem Kastenwagen davonfuhren.

Eine weitere Frau kam ins Wohnzimmer gehastet und beugte sich über den Leichensack. Ihre Hand zitterte, als sie den Reißverschluss aufzog.

Jaime Miro blickte lächelnd zu ihnen auf. »Viel schlimmer als diese Fahrt hätte die Garrotte auch nicht sein können.«

»Rotwein oder Weißwein?« fragte Megan.

43

Auf dem Madrider Flughafen Barajas saß der ehemalige Gefängnisdirektor de la Fuente im Abfluggebäude mit seinen ehemaligen Assistenten Molinas und Arrango, Dr. Anuncion und dem riesenhaften Scharfrichter zusammen.

»Ich glaube noch immer, dass ihr einen Fehler macht, wenn ihr nicht mit mir nach Costa Rica kommt«, sagte de la Fuente. »Mit euren fünf Millionen Dollar könnt ihr den ganzen Scheißstaat aufkaufen.«

Molinas schüttelte den Kopf. »Arrango und ich wollen in die Schweiz. Ich hab’ die ewige Sonne satt. Dort kaufen wir uns ein paar Dutzend Skihäschen.«

»Ich auch«, sagte der Riese.

Sie wandten sich an Miguel Anuncion.

»Wie steht’s mit Ihnen, Doktor?«

»Ich gehe nach Bangladesh.«

»Wohin?«

»Richtig, nach Bangladesh. Mit meinen fünf Millionen eröffne ich dort ein Krankenhaus. Wißt ihr, ich habe lange nachgedacht, bevor ich Megan Scotts Angebot angenommen habe. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es zu rechtfertigen sei, einen Terroristen leben zu lassen, wenn man dadurch vielen unschuldigen Armen das Leben retten kann. Außerdem - das gebe ich offen zu - habe ich Jaime Miro schon immer gern gehabt.«

44

In Frankreich war die Ernte dieses Jahr bei prächtigem Wetter überdurchschnittlich gut ausgefallen und hatte den Landwirten reichliche Erträge beschert. Wenn doch nur alle Jahre so wunderbar wären, dachte Rubio Arzano. Das vergangene Jahr war in mehr als nur einer Beziehung wundervoll gewesen.

Erst seine Hochzeit und dann vor einem Jahr die Geburt der Zwillinge. Wer hätte sich träumen lassen, dass man alsMann so glücklich sein könnte?

Es begann leicht zu regnen. Rubio wendete mit dem Traktor und fuhr zum Gutshof zurück. Er dachte an die Zwillinge. Der Junge war ein kräftiger, stämmiger kleiner Bursche. Aber seine Schwester! Die hatte es faustdick hinter den Ohren. Mit der wird ihre Mama später alle Hände voll zu tun haben, dachte Rubio grinsend. Eben ganz die Mutter!