Sieben Wochen vergingen, bis sie endlich ihren idealen Mieter gefunden hatte. Er hieß Gaius Matius, war Ritter und Sohn eines Ritters, ungefähr so alt wie Caesar, und seine Frau war im gleichen Alter wie Aurelia. Beide waren wohlerzogen und gebildet, hatten etwa zur gleichen Zeit geheiratet wie Caesar und Aurelia, und sie hatten ein kleines Mädchen in Lias Alter. Außerdem waren sie gut betucht. Seine Frau hieß Priscilla, der Name kam wohl eher vom cognomen als vom gentilnomen ihres Vaters, aber in all den Jahren, in denen die Familie im gleichen Haus wohnte, fand Aurelia nie heraus, wie Priscilla eigentlich hieß. Die Familie Matius verdiente ihr Geld mit der Vermittlung von Geschäften und der Abfassung von Verträgen. Der Vater von Gaius Matius lebte mit seiner zweiten Frau und sehr viel jüngeren Kindern in einem geräumigen Haus auf dem Quirinal. Aurelia überprüfte diese Angaben sorgfältig, und als sie sicher war, daß alles der Wahrheit entsprach, vermietete sie Gaius Matius die Parterrewohnung für die stattliche Summe von zehntausend denarii jährlich. Epaphroditos’ wertvolle Wandmalereien und der schöne Mosaikboden trugen nicht wenig dazu bei, daß der Mietvertrag zustande kam, und ebenso die Abmachung, daß Aurelia in Zukunft ihre Mietverträge von der Firma Gaius Matius und Sohn aufsetzen lassen würde.
Denn inzwischen zogen nicht mehr die Makler die Mieten ein, sondern Aurelia kümmerte sich selbst um ihre insula. Für alle Wohnungen sollten schriftliche Mietverträge aufgestellt werden, die alle zwei Jahre verlängert werden konnten. Die Mietverträge enthielten Klauseln, die den Schadenersatz im Falle einer Beschädigung der Wohnung regelten und die Mieter davor schützten, vom Vermieter übervorteilt zu werden.
Aurelias Wohnzimmer verwandelte sich allmählich in ein Büro, in dem sich die Rechnungsbücher stapelten. Ihre früheren Beschäftigungen hatte sie aufgegeben, nur der Webstuhl stand noch da. Sorgfältig arbeitete sie sich in die vielfältigen Aufgaben einer Hausbesitzerin ein. Sie holte sich alle Unterlagen von den früheren Hausverwaltern und ging Berge von Akten durch: Adressenlisten von Steinmetzen, Malern, Gipsern, Händlern aller Art, Aufstellungen über Wassergeld, Steuer, Landrechte, Sammlungen von Rechnungen und Quittungen. Ein großer Teil der Einnahmen mußte sofort wieder ausgegeben werden, denn der Staat stellte das Wasser und die Kanalisation in Rechnung, und für jedes Fenster der insula, für jede Tür, die auf die Straße hinausführte, für jede Treppe zu jedem Stockwerk mußte eine Gebühr entrichtet werden. Ständig fielen Reparaturen an, obwohl die insula zweifelsohne sehr solide gebaut war. Mehrere Zimmermänner standen auf der Liste, Aurelia verglich die Rechnungen sorgfältig und fand schließlich den heraus, der die meiste Arbeit in der kürzesten Zeit geleistet zu haben schien. Sie bestellte ihn zu sich und wies ihn an, die hölzernen Gitter zu entfernen, mit denen der Lichtschacht ausgekleidet war.
Seit sie mit Caesar in die insula gezogen war, verfolgte sie diesen Plan - Aurelia wünschte sich sehnlich, einen Garten anzulegen. Sie träumte davon, den ungepflegten Innenhof in eine Oase für alle Bewohner des Hauses zu verwandeln. Doch alles schien sich gegen sie verschworen zu haben, angefangen mit Epaphroditos, der auch den Hof benutzen durfte. Caesar hatte das seltsame Treiben in der anderen Wohnung selbst nie beobachtet, denn Epaphroditos war gewitzt genug gewesen, dafür zu sorgen, daß seine Ausschweifungen nur stattfanden, wenn Caesar außer Haus war. Und Aurelia hatte lernen müssen, daß Caesar insgeheim die Berichte von Frauen immer für übertrieben hielt.
Alle oberen Stockwerke hatten einen Balkon zur Hofseite hin, doch zwischen den Säulen, auf denen die Balkone ruhten, waren so dichte hölzerne Gitter angebracht, daß kein Bewohner auch nur einen Blick nach draußen werfen konnte. Diese Gitter schützten zugegebenermaßen den Hof gegen unerwünschte Einblicke und dämpften den ständigen Lärm, der aus allen Wohnungen drang. Aber dadurch war der Lichtschacht ein trüber, dunkelbrauner Schornstein, der Hof ein ebenso trübes, dunkles Loch. Die oberen Stockwerke bekamen weder Licht noch frische Luft.
Caesar war kaum fort, da bestellte Aurelia den Zimmermann und wies ihn an, alle Gitter zu entfernen.
Völlig entgeistert starrte er sie an.
»Was ist los?« fragte sie verblüfft.
» Domina, es wird keine drei Tage dauern, bis der Hof knietief in Pisse und Scheiße schwimmt. Von den anderen Dingen, die sie dir auf den Kopf schmeißen werden, will ich gar nicht erst reden: Von toten Hunden über tote Omas bis zu unerwünschten Töchtern ist alles möglich.«
Aurelia spürte, wie sie bis unter die Haarwurzeln errötete. Nicht die drastischen Worte des Zimmermanns brachten sie in solche Verlegenheit, sondern ihre eigene Naivität. Sie war so schrecklich dumm und unerfahren! Warum hatte sie nicht selbst daran gedacht? Sie hatte ihr ganzes Leben in großen Privathäusern verbracht und war an den Treppen und Eingängen der Mietshäuser vorbeigelaufen, ohne auch nur die blasseste Ahnung zu haben, wie das Leben darin wirklich aussah. Selbst ihrem Onkel Cotta wäre der Sinn der hölzernen Gitter nicht aufgegangen.
Aurelia schlug die Hände vor das Gesicht und bot dem Zimmermann in ihrer Verwirrung einen so entzückenden Anblick, daß er monatelang von ihr träumte, regelmäßig vorbeikam, um nach dem Rechten zu sehen, und seine Arbeitsleistung auf das Doppelte steigerte.
Aurelia war ihm sehr dankbar.
Nachdem sie den widerspenstigen Epaphroditos endlich hinausgesetzt hatte, konnte sie darangehen, ihre Gartenpläne zu verwirklichen. Wie sich herausstellte, war ihr neuer Mieter Gaius Matius von dem Gedanken an einen Garten ebenso begeistert wie sie.
»Laß mich mithelfen!« bat er inständig.
Sie konnte schlecht nein sagen, wo sie mit solcher Mühe die passenden Mieter ausgewählt hatte. »Natürlich kannst du mir helfen.«
Wieder mußte sie dazulernen: Vom Traum von einem blühenden Garten bis zu den ersten Blüten im Garten war es ein weiter und mühsamer Weg. Gaius Matius erwies sich als unschätzbare Hilfe, er hatte das richtige Händchen für Blumen und Pflanzen. Caesars Badewasser, das früher in den Abwasserkanälen versickert war, speiste jetzt eine kleine Zisterne im Hof. Damit bewässerten sie die Pflanzen, die Gaius mit verblüffender Geschwindigkeit herbeizauberte. Die meisten ließ Gaius, wie er Aurelia gestand, aus dem weitläufigen Garten seines Vaters auf dem Quirinal mitgehen, aber auch überall sonst, wo er geeignete Büsche, Bäume, Weinstöcke oder Sträucher entdeckte. Er wußte, wie man schwächliche Pflänzchen auf starke Wurzelstöcke derselben Art aufpfropfte, er wußte, welche Pflanzen ein bißchen Kalk brauchten und welche in der sauren römischen Erde gediehen. Er wußte, wann die Samen eingesät, die Pflanzen ausgesetzt, die Sträucher beschnitten werden mußten. In einem Jahr verwandelte er den Hof - der immerhin dreißig Fuß lang und dreißig Fuß breit war - in eine grüne Laube, und vom Hof aus rankte sich an den Gittern zwischen den Säulen der Efeu dem handtuchbreiten Stück Himmel hoch oben entgegen.
Eines Tages klopfte Shimon, der jüdische Schreiber, bei ihr an. Mit seinem langen Bart und den langen Locken, die aus seinem kleinen Käppchen quollen, mutete er Aurelia reichlich fremdartig
» Domina Aurelia, wir vom vierten Stockwerk möchten dich um einen ganz besonderen Gefallen bitten.«
»Laß hören, ich werde tun, was ich kann.«