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Aurelia rang die Hände. »Warum habe ich bloß keine Milch? Ich bin so vertrocknet wie eine alte Jungfer!«

Cardixa zuckte die Achseln. »Manche Frauen haben eben Milch und manche nicht. Das ist halt so. Deshalb brauchst du den Kopf nicht hängen zu lassen - eigentlich betrübt dich doch diese Sache mit der Bruderschaft. Die Frauen geben Ju-Ju gern ein paar Schlucke, das weißt du genau. Ich schicke einen Sklaven hinauf zu Rebekka, sie soll noch ein bißchen länger auf Ju-Ju aufpassen. Inzwischen gehen wir hinüber und knöpfen uns diese miesen Schufte vor.«

Aurelia erhob sich. »Dann laß uns gehen, damit wir es hinter uns bringen.«

Im Inneren der Taverne brannte nur ein trübes Licht. Aurelia stand im Türrahmen, von Sonnenlicht umflutet, im vollen Glanz der Schönheit, die sie ihr Leben lang behalten sollte. Das laute Stimmengewirr in der Taverne brach abrupt ab, setzte aber um so heftiger wieder ein, als Cardixas hünenhafte Gestalt sich hinter Aurelia auftürmte.

»Da ist dieses Ungeheuer, das uns heute morgen verprügelt hat!« ertönte eine Stimme aus dem Hintergrund.

Einige Männer rückten unruhig auf den Bänken hin und her. Aurelia marschierte schnurstracks hinein und blickte sich herausfordernd um, und Cardixa postierte sich wachsam am Eingang.

»Wer trägt die Verantwortung für euch Flegel?« fragte Aurelia in schneidendem Ton.

Ein kleiner, dünner Mann um die Vierzig mit unverwechselbar römischen Gesichtszügen erhob sich am hintersten Tisch in der Ecke. »Ich«, sagte er, während er nach vorn kam. »Lucius Decumius, zu deinen Diensten.«

»Du weißt, wer ich bin?« Er nickte. »Du wohnst - mietfrei! - auf meinem Grund und Boden.«

»Das hier gehört nicht dir, sondern dem Staat, Gnädigste!«

»Das stimmt nicht.« Aurelias Augen hatten sich allmählich an die düstere Beleuchtung gewöhnt, und sie blickte sich um. »Dieser Ort ist eine Schande. Du kümmerst dich überhaupt nicht darum. Ich kündige dir hiermit.«

Plötzlich hatte es allen die Sprache verschlagen. Lucius Decumius kniff die Augen zusammen. Er war jetzt auf der Hut. »Du kannst uns nicht kündigen.«

»Das wirst du schon sehen!«

»Ich werde mich beim Stadtprätor beschweren.«

»Tu das ruhig! Er ist ein Vetter von mir.«

»Dann gehe ich eben zum pontifex maximus

»Gut. Er ist auch ein Vetter von mir.«

Lucius Decumius ließ ein Schnauben vernehmen, es war schwer zu sagen, ob vor Wut oder vor Lachen. »Sie können ja wohl nicht alle deine Vettern sein!«

»Sie können, und sie sind es.« Aurelia zeigte ihre blendend weißen Zähne. »Mach keinen Fehler, Lucius Decumius. Du und deine dreckige Bande, ihr werdet verschwinden.«

Nachdenklich ließ Lucius Decumius seinen Blick über sie wandern und kratzte sich mit einer Hand am Kinn. Im Winkel seiner klaren, blauen Augen meinte Aurelia ein Zwinkern zu entdecken. Er trat zur Seite und wies mit einer galanten Armbewegung zu dem Tisch, von dem er gerade aufgestanden war. »Wie wäre es, wenn wir unser kleines Problem in aller Ruhe besprechen?« fragte er in butterweichem Ton wie Scaurus.

»Da ist nichts zu besprechen. Ihr verschwindet.«

»Ach was! Einen gewissen Verhandlungsspielraum gibt es doch immer. Also, Gnädigste, am besten setzen wir beide uns erst einmal hin«, schmeichelte Lucius Decumius.

Mit Schrecken bemerkte Aurelia, daß sie diesen Lucius Decumius eigentlich ganz gut leiden konnte! Lächerlich. Aber es war so.

»Also gut. Cardixa, stell dich hinter meinen Stuhl.«

Lucius Decumius zog einen Stuhl für sie heran und nahm selber auf der Bank Platz. »Einen Schluck Wein, Gnädigste?«

»Auf keinen Fall.«

»Also?«

»Also was?« fragte Lucius Decumius.

»Du wolltest etwas besprechen.«

»Ach ja, stimmt, so war’s.« Lucius Decumius räusperte sich. »Tja, was war es noch einmal genau, was dich stört?«

»Deine Anwesenheit unter meinem Dach.«

»Sachte, sachte. Das ist ja vielleicht ein bißchen sehr allgemein gesprochen, oder? Wir werden uns sicher irgendwie einigen können - jetzt erzählst du mir mal, was du auszusetzen hast, und dann kümmere ich mich drum, so gut ich kann.«

»Wie schäbig und heruntergekommen es hier aussieht. Der Dreck. Der Lärm. Daß ihr glaubt, euch gehört die Straße, das ganze Viertel, alles, und nichts davon stimmt!« Aurelia zählte einen Punkt nach dem anderen auf. »Vor allem eure kleinen Geschäfte in der Nachbarschaft! Anständige Geschäftsleute in Angst und Schrecken versetzen! Sie auspressen wie Zitronen! Das ist abscheulich, niederträchtig, gemein!«

Lucius Decumius blickte sie ernst an und beugte sich ein wenig vor. »Es gibt Wölfe und Schafe auf dieser Welt, Gnädigste. Das ist die Natur. Wir wissen doch alle, daß auf jeden Wolf mindestens tausend Schafe kommen. Wir hier drinnen sind die Wölfe in diesem Revier; so mußt du dir das vorstellen. Dabei sind wir nicht einmal so böse wie Wölfe. Wir haben nur kleine Zähne, schnappen mal hier, mal dort zu, aber wir brechen niemandem das Genick.«

»Dein Vergleich ist abstoßend und kann mich kein bißchen umstimmen. Du verschwindest.«

»Oh, ich armer Kerl! Was bin ich für ein armer Tropf!« Lucius Decumius richtete sich auf und warf Aurelia einen schnellen Blick zu. »Sind sie wirklich alle Vettern von dir?«

»Mein Vater war der Konsul Lucius Aurelius Cotta. Mein Onkel ist der Konsul Publius Rutilius Rufus. Mein anderer Onkel ist der Prätor Marcus Aurelius Cotta. Mein Mann ist der Quästor Gaius Julius Caesar.« Aurelia lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, neigte den Kopf zur Schulter, schloß die Augen und säuselte süffisant: »Und Gaius Marius ist mein Schwager.«

»Ha, ha, und mein Schwager ist der König von Ägypten.« Lucius Decumius hatte genug Namen gehört.

»Dann gehst du am besten nach Ägypten zurück, würde ich vorschlagen.« Lucius Decumius’ kläglicher Versuch, sarkastisch zu sein, hatte Aurelia kein bißchen aus der Ruhe gebracht. »Der Konsul Gaius Marius ist mein Schwager.«

»Ja, ja, und die Schwägerin von Gaius Marius lebt selbstverständlich in einer insula im letzten verkommenen Winkel der Subura!« gab Lucius Decumius zurück.

»Die insula gehört mir. Das war meine Mitgift, Lucius Decumius. Mein Mann ist nicht der älteste Sohn seines Vaters. Einstweilen wohnen wir hier in meiner insula, später werden wir sicher woanders leben.«

»Gaius Marius ist wirklich dein Schwager?«

»Von Kopf bis Fuß, jawohl.«

Lucius Decumius seufzte schwer. »Mir gefällt es hier. Laß uns also verhandeln.«

»Ich will, daß du verschwindest.«

»Schau, Gnädigste, ein paar Rechte habe ich doch immerhin auch. Das hier ist eine Kreuzwegebruderschaft, Gnädigste, so steht es in den amtlichen Büchern des Stadtprätors, wir hüten den heiligen Schrein dieser Kreuzung. Rechtmäßig. Du glaubst vielleicht, bei all deinen Vettern gehört dir der Staat - aber wenn wir ausziehen, werden andere Gauner kommen, stimmt’s? Soll ich dir ein kleines Geheimnis verraten?« Er beugte sich wieder vor. »Alle Brüder der Kreuzwegevereine sind Wölfe!« Er reckte den Kopf empor und sah jetzt wie eine Schildkröte aus. »Du und ich, wir könnten eine Vereinbarung treffen. Wir halten den Ort hier sauber, klatschen frische Farbe an die Wände, laufen nach Einbruch der Dunkelheit nur noch auf Zehenspitzen, helfen alten Damen über Rinnsteine und Abflußgitter, unterlassen für immer unsere kleinen Geschäfte mit der Nachbarschaft - werden, alles in allem, zu tragenden Säulen der Gesellschaft! Wie hört sich das an?«

Aurelia versuchte vergeblich, ein Lächeln zu unterdrücken. »Mit dir fahre ich besser, als wenn ich die Katze im Sack hier einziehen lasse, das willst du mir sagen, oder?«

»Viel besser!« bestätigte Lucius Decumius freundlich.

»Ich muß zugeben, daß es keine besonders angenehme Vorstellung ist, dieses ganze Theater noch einmal mit einer solchen Bande wie euch zu veranstalten. Also gut, Lucius Decumius, du bekommst eine Bewährungsfrist von sechs Monaten!« Aurelia erhob sich und ging zur Tür; Lucius Decumius begleitete sie. »Aber glaub bloß nicht einen Moment lang, ich hätte nicht den Mut, euch rauszuschmeißen und mir die neue Bande zu zähmen!« Mit diesen Worten trat sie hinaus auf die Straße.