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»Hört euch das an!« kreischte Catulus Caesar von den Stufen vor dem Senatsgebäude. Seine Stimme überschlug sich fast. »Hört euch das an! So ist er! Nicht Rom! Italien! Italien, Italien, Italien, ich höre nur Italien! Er ist kein Römer. Rom ist ihm völlig gleichgültig!«

»Italien ist Rom!« donnerte Marius. »Das ist ein und dasselbe! Rom kann ohne Italien nicht leben, und umgekehrt genauso! Sind es nicht Römer ebenso wie Italiker, die ihr Leben Seite an Seite in den Legionen für Rom opfern? Wenn das stimmt - und wer wollte das bestreiten? -, warum sollte dann der eine Soldat etwas anderes sein als sein Kamerad neben ihm?«

»Italien!« schrie Catulus Caesar. »Immer nur Italien!«

»Unsinn!« brüllte Marius. »Die ersten Landzuteilungen gehen an römische, nicht an italische Soldaten! Sieht so die Bevorzugung der Italiker aus? Und warum sollen nicht drei der vielen tausend italischen Veteranen, die in die Kolonien gehen, das volle römische Bürgerrecht erhalten? Ich spreche von dreien, Volk von Rom! Nicht dreitausend Italiker, Volk von Rom! Nicht dreihundert Italiker, Volk von Rom! Nicht drei Dutzend, Volk von Rom! Drei einzelne Männer! Soviel wie ein Tropfen im Meer! Ein Bruchteil eines Tropfens im Meer!«

»Sie werden ein Tropfen Gift in diesem Meer von Menschen sein!« kreischte Catulus Caesar von der Senatstreppe.

»Der Gesetzentwurf sieht zwar vor, daß zuerst die römischen Soldaten ihr Land erhalten sollen. Wo aber steht geschrieben, daß die ersten Landzuteilungen auch die besten sind?« schrie Metellus Numidicus.

Trotz des heftigen Widerspruchs im Senat wurde das erste Gesetz zur Landreform durch Abstimmung in der Versammlung der Plebs beschlossen. Große Gebiete, die sich schon seit langem in staatlichem Besitz befanden und an römische Bürger verpachtet waren, die sich nie in den jeweiligen Ländern aufhielten, wurden neu verteilt.

Quintus Poppaedius Silo, inzwischen trotz seiner jungen Jahre Führer des mittelitalischen Volks der Marser, kam nach Rom, um die Debatten über die Landreform zu hören. Marcus Livius Drusus hatte ihn eingeladen, und so wohnte Silo in Drusus’ Haus.

»Dieses Thema, Rom gegen Italien, wird ziemlich hochgespielt, oder?« fragte Silo. Seines Wissens hatte Rom vorher noch nie darüber gestritten.

»In der Tat«, antwortete Drusus voller Ingrimm. »Mit der Zeit werden sich die Wogen glätten. Ich habe noch Hoffnung, Quintus Poppaedius.«

»Aber Gaius Marius kannst du dennoch nicht leiden?«

»Ich verabscheue diesen Mann. Trotzdem habe ich für ihn gestimmt«, sagte Drusus.

»Es ist erst vier Jahre her, daß wir in Arausio gekämpft haben.« Silo war nachdenklich geworden. »Ja, wahrscheinlich hast du recht, mit der Zeit wird sich der Aufruhr legen. Vor Arausio hatte ich noch Zweifel, ob es Gaius Marius überhaupt gelingen würde, seine italischen Truppen in den Kolonien unterzubringen.«

»Der Schlacht von Arausio ist es zu verdanken, daß die italischen Schuldsklaven freigelassen wurden«, sagte Drusus.

»Es macht mich froh, daß unsere Männer nicht umsonst gestorben sind. Aber dennoch - denk nur an Sizilien. Dort wurden die italischen Sklaven nicht freigelassen. Sie mußten sterben.«

»Ich krümme mich vor Scham, wenn ich an Sizilien denke.« Drusus errötete bei diesen Worten. »Das ist das Werk von zwei korrupten, selbstsüchtigen römischen Magistraten. Zwei erbärmlichen mentulae! Wenn alle so wären, Quintus Poppaedius, müßte man annehmen, daß auch Männer wie Metellus Numidicus oder Aemilius Scaurus fähig wären, sich ihre Finger mit Kornbetrügereien schmutzig zu machen.«

»Ja, du hast recht«, sagte Silo. »Dabei glauben sie immer noch, Marcus Livius, daß sie als Römer zum erlesensten Volk der Erde gehören - und daß kein Italiker es verdient, von diesem Volk adoptiert zu werden.«

»Adoptiert?«

»Ja, was sonst bedeutet die Verleihung des römischen Bürgerrechts? Ist das nicht eine Adoption in die Familie der Römer?«

Drusus seufzte. »Das stimmt schon. Der einzige Unterschied besteht im Namen. Durch die Verleihung des Bürgerrechts wird kein Italiker, kein Grieche zu einem Römer. Und im Laufe der Zeit wird sich zumindest der Senat immer hartnäckiger gegen eine wachsende Zahl solcher unechter Römer zur Wehr setzen.«

»Dann werden wir Italiker uns wohl selbst darum kümmern müssen, unechte Römer zu werden - mit oder ohne Zustimmung des Senats.«

Ein zweiter Gesetzentwurf zur Landreform folgte, darin ging es um die neuen Gebiete, die Rom im Laufe der Kriege gegen die Germanen erobert hatte. Der zweite Gesetzentwurf war sehr viel wichtiger als der erste, denn jetzt stand praktisch unerschlossenes Land zur Verteilung an, das weder Bauern noch Viehzüchter in größerem Umfang nutzten, das aber womöglich andere Reichtümer als Herden und Getreide bereithielt - Mineralien, Edelmetalle, Steinbrüche. Die Gebiete lagen alle in der westlichen Gallia Transalpina, in der Nähe von Narbo, Tolosa, Carcasso, in der mittleren Gallia Transalpina. Hinzu kam ein Gebiet in Hispania Citerior, wo es einen Aufstand gegeben hatte, als die Kimbern in das Gebiet am Fuß der Pyrenäen eingedrungen waren.

Viele adlige Gutsbesitzer und viele Unternehmen in Rom wollten gerne nach Gallia Transalpina expandieren. Mit dem Sieg über die Germanen sahen sie ihre Chance gekommen. Sie blickten erwartungsvoll auf ihre Patrone im Senat, die ihnen Zugang zu dem neuen ager publicus Galliae, dem neuen Gemeindeland in Gallien, verschaffen sollten. Die Wellen der Empörung schlugen so hoch wie zuvor nur in den schlimmsten Tagen der Gracchenzeit, als bekannt wurde, daß das meiste Land an Veteranen der Proletarierarmeen gehen sollte.

Der Widerstand im Senat wuchs, und ebenso der Widerstand der Ritter aus der Ersten Vermögensklasse. Die Ritter waren einst Marius’ bedeutendste Fürsprecher gewesen - jetzt fühlten sie sich um ihre Chancen als Landbesitzer in Gallia Transalpina betrogen und wurden zu Marius’ erbittertsten Feinden. Die Agenten von Metellus Numidicus und Catulus Caesar zogen überall ihre Kreise und flüsterten und flüsterten...

»Er verteilt das Eigentum des Staates, als ob ihm das Land und der Staat obendrein gehören würden«, hieß es erst hinter vorgehaltener Hand und bald in voller Lautstärke.

»Er will den ganzen Staat für sich! Warum hätte er sonst Konsul werden wollen, jetzt, wo der Krieg gegen die Germanen vorbei ist?«

»Noch nie hat Rom Legionäre mit Landzuweisungen unterstützt!«

»Die Italiker kriegen viel mehr, als sie verdienen!«

»Das Land der besiegten Feinde Roms steht ausschließlich Römern zu, nicht Latinern oder Italikern!«

»Jetzt fängt er mit dem ager publicus im Ausland an, aber es wird nicht lange dauern, bis er den ager publicus in Italien verteilt - und dann womöglich an die Italiker!«

»Er nennt sich dritter Gründer Roms, dabei will er König von Rom werden!«

Und so weiter, und so fort. Lauthals verkündete Marius seine Position auf der rostra und im Senat: Roms Provinzen müßten mit Kolonien einfacher Römer durchsetzt sein; ehemalige Legionäre seien brauchbare Besatzungstruppen; römische Ländereien im Ausland böten mehr Vorteile, wenn sie in den Händen vieler kleiner Grundbesitzer lägen als in den Händen weniger großer. Doch je mehr er donnerte, desto erbitterter wurde der Widerstand. Täglich schien sich mehr Ärger Luft zu machen, und statt abzuflauen, wuchs der Widerstand immer weiter. Bis sich schließlich, ganz allmählich, fast unmerklich die öffentliche Meinung über Saturninus’ zweites Ackergesetz änderte. Viele Politiker aus dem Volk - solche, die oft auf das Forum kamen, und einige aus dem sehr einflußreichen Ritterstand - zweifelten inzwischen, ob Marius auf dem richtigen Weg war. Denn solchen Widerstand hatte es noch nie gegeben.