»Wo viel Rauch ist, muß auch ein Feuer sein«, sagten sie, erst untereinander, und dann auch zu denen, die auf sie hörten, weil sie Politiker waren.
»Diesmal ist es nicht nur ein dummer Zank im Senat. Dazu ist der Streit zu erbittert.«
»Wenn ein Mann wie Quintus Caecilius Metellus Numidicus, der immerhin Zensor und Konsul war, und war er nicht sehr mutig als Zensor? - immer mehr Unterstützung findet, kann er nicht ganz unrecht haben.«
»Gestern habe ich gehört, wie ein Ritter, auf dessen Unterstützung Gaius Marius dringend angewiesen ist, öffentlich über ihn geschimpft hat! Gaius Marius hatte ihm Land in der Nähe von Tolosa versprochen, und jetzt wird es an die Veteranen verteilt.«
»Jemand hat mir erzählt, daß er gehört hat, wie Marius gesagt hat, er wolle persönlich jedem einzelnen Italiker das Bürgerrecht verleihen.«
»Das ist Marius’ sechste Amtszeit als Konsul - und die fünfte ohne Unterbrechung. Er soll neulich bei einem Gastmahl gesagt haben, daß er dieses Amt nie mehr aufgeben will! Er wird jedes Jahr kandidieren, bis er stirbt.«
»Eigentlich will er nämlich König von Rom werden!«
Allmählich zeigte die Flüsterkampagne von Metellus Numidicus und Catulus Caesar Wirkung. Und plötzlich waren sich sogar Glaucia und Saturninus nicht mehr sicher, daß das zweite Gesetz zur Landreform durchgehen würde.
»Ich muß das Land haben, unbedingt!« tobte Marius verzweifelt in Gegenwart von Julia, die seit Tagen geduldig darauf wartete, daß er die Lage mit ihr besprechen würde. Nicht weil sie neue Ideen zu bieten oder gute Nachrichten zu berichten hatte, sondern weil sie wußte, daß sie der einzige wahre Freund in seiner Nähe war. Sulla war nach dem Triumph nach Gallia Cisalpina zurückgeschickt worden, und Sertorius war nach Hispania Citerior gereist, um seine germanische Frau und sein Kind zu besuchen.
»Gaius Marius, ist es denn wirklich so wichtig?« fragte Julia. »Was macht es schon, wenn deine Soldaten ihr Land nicht bekommen? Noch nie haben römische Soldaten Land bekommen - das hat es noch nie in der Geschichte gegeben. Und sie können nicht sagen, du hättest es nicht wenigstens versucht.«
»Das verstehst du nicht«, sagte er ungeduldig. »Es geht nicht mehr nur um die Soldaten, es geht um meine dignitas, um meine Stellung im öffentlichen Leben. Wenn dieses Gesetz nicht durchkommt, bin ich nicht länger der Erste Mann in Rom.«
»Kann Lucius Appuleius dir nicht helfen?«
»Er versucht es, bei den Göttern, er versucht es! Aber statt Boden gutzumachen, verlieren wir immer mehr. Ich fühle mich wie Achilles, der nicht aus dem Fluß steigen kann, weil die Ufer immer weiter zurückweichen. Ich ziehe mich ein bißchen hoch und sinke dann doppelt so tief wieder ein. Die Gerüchte sind so unglaublich, Julia! Und ich kann sie nicht bekämpfen, weil niemals etwas offen gesagt wird. Wenn ich nur ein Zehntel der Dinge, die sie mir zuschreiben, getan hätte, wäre ich schon lange im Tartarus und müßte einen Felsblock den Berg hinaufrollen.«
»Ja, sicher, gegen solche Verleumdungskampagnen kann man nichts machen«, tröstete Julia. »Früher oder später werden die Gerüchte so grotesk, daß es allen wie Schuppen von den Augen fällt. Das wird auch in diesem Fall so sein. Sie haben dich umgebracht, aber sie stechen noch so lange auf dich ein, bis ganz Rom es nicht mehr mit ansehen kann. Das Volk ist schrecklich naiv und leichtgläubig, aber selbst die größte Naivität und Leichtgläubigkeit ist irgendwann überreizt. Das Gesetz kommt durch, Gaius Marius, da bin ich ganz sicher. Du darfst nur nicht zu sehr drängen. Besser, du wartest, bis die Stimmung wieder zu deinen Gunsten umschlägt.«
»Ja, es kann gut sein, daß das Gesetz durchkommt, genau wie du sagst, Julia. Aber was hindert den Senat, das Gesetz zu annullieren, sobald Lucius Appuleius aus dem Amt ist? Und was soll ich dann tun, wenn ich keinen so fähigen Volkstribunen mehr habe, der sich dem Senat so zäh widersetzt?« stöhnte Marius.
»Hm, ich verstehe.«
»Wirklich?«
»Ja, sicherlich. Ich bin eine Julius Caesar, mein Gatte, und das bedeutet, daß ich in meiner Kindheit tagtäglich politische Diskussionen mit angehört habe, auch wenn durch mein Geschlecht eine Karriere in der Politik von vornherein ausgeschlossen war.« Sie biß sich auf die Unterlippe. »Es ist ein großes Problem, nicht wahr? Ackergesetze lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen vollziehen, es dauert ewig, bis sie durchgeführt sind. Jahre. Man muß das Land aussuchen, vermessen, aufteilen, die Männer finden, die als Siedler ausgelost wurden, Ausschüsse bilden, Ausschußmitglieder aussuchen - eine endlose Aufgabe.«
Marius grinste. »Du hast mit Gaius Julius gesprochen!«
»Stimmt. In der Tat, ich bin fast ein Experte.« Sie klopfte leicht auf den freien Platz an ihrer Seite. »Komm, mein Lieber, setz dich zu mir!«
»Ich kann nicht, Julia.«
»Gibt es keine Möglichkeit, die Gesetze abzusichern?«
Marius, der im Zimmer hin und her gelaufen war, hielt inne, wandte sich zu Julia und schaute sie scharf an. »An sich schon.«
»Welche denn?« drängte sie sanft.
»Gaius Servilius Glaucia hat sich das ausgedacht, und Lucius Appuleius ist ganz verrückt danach. So habe ich sie beide am Hals, beide wollen mich überreden, aber ich bin nicht so sicher.«
»Ist es so neuartig?« Julia kannte Glaucias Ruf.
»Völlig neuartig.«
»Bitte, Gaius Marius, erzähl es mir!«
Marius fühlte sich müde. Es wäre eine Erleichterung, einmal mit jemandem darüber zu sprechen, der dabei nicht seinen eigenen Vorteil im Sinn hatte. »Ich bin ein Mann des Militärs, Julia, und ich mag militärische Lösungen«, sagte er. »Wenn ich in der Armee einen Befehl ausgebe, weiß jeder, daß es der bestmögliche Befehl unter den gegebenen Umständen ist. Ohne Widerrede beeilt sich jeder, den Befehl auszuführen. Sie kennen mich schließlich, und sie vertrauen mir. Nun, dieses Gesindel in Rom kennt mich auch, und sie sollten Vertrauen zu mir haben! Aber was tun sie? Sie haben nur ihre eigenen Ideen im Kopf, die wollen sie durchsetzen, sie hören nicht einmal zu, wenn jemand andere Ideen hat, selbst wenn die besser sind. Dieser Haß im Senat! Und ständig diese dummen Zwischenrufe! Ich bin schon erschöpft, bevor ich überhaupt angefangen habe. Ich bin zu alt, ich werde mich nicht mehr ändern, und ich kann mich nicht mehr mit solchen Leuten abgeben, Julia. Das sind doch alles Idioten! Wenn sie weiter so tun, als hätte sich seit Scipio Africanus’ Kindheit nichts geändert, werden sie die Republik zugrunde richten. Meine Veteranensiedlungen sind eine so gute Idee!«
»Ja, gewiß.« sagte Julia, bemüht, ihre Bestürzung zu verbergen. Marius sah angegriffen aus in diesen Tagen, älter als er war, statt jünger. Er bekam einen Bauch, bisher war er immer schlank und muskulös gewesen. Aber jetzt mußte er ja dauernd in Versammlungen herumsitzen, statt sich unter freiem Himmel bewegen zu können. Sein Haar war ergraut und dünn geworden. Kriege führen bekam dem Körper eines Mannes sichtlich besser als Gesetze machen! »Gaius Marius, hör auf damit und erzähl mir, worum es geht!« beharrte sie.
»Dieser zweite Gesetzentwurf enthält eine zusätzliche Klausel, die sich Glaucia extra dafür ausgedacht hat.« Marius fing wieder an, im Zimmer hin und her zu laufen. Die Worte purzelten jetzt aus seinem Mund. »Wenn das Gesetz beschlossen ist, muß jeder Senator innerhalb von fünf Tagen einen Eid schwören, daß dieses Gesetz für immer gültig bleiben wird.«
Unwillkürlich schnappte Julia nach Luft, schlug die Hände vors Gesicht und blickte Marius entsetzt an. Dann sagte sie das stärkste Wort, das in ihrem Wortschatz vorkam: » Ecastor!«
»Das ist ein Schock, nicht wahr?«
»Oh, Gaius Marius, das werden sie dir nie verzeihen, wenn du diese Klausel in das Gesetz einfügst!«
»Meinst du, ich wüßte das nicht?« rief Marius aus. Hilflos streckte er die Hände zur Decke. »Aber was soll ich sonst tun? Ich muß das Land haben!«