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Julia fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen »Du wirst noch viele Jahre im Senat sitzen«, sagte sie. »Kannst du nicht einfach weiter darum kämpfen, daß das Gesetz erhalten bleibt?«

»Weiterkämpfen? Wann soll das je aufhören?« fragte er. »Ich habe das Kämpfen satt, Julia!«

Mit gespieltem Spott versuchte Julia ihn aufzuheitern. »Pah! Gaius Marius hat das Kämpfen satt? Du hast dein Leben lang gekämpft!«

»Aber nicht diese Art von Kampf.« Marius suchte nach Worten. »Das ist ein schmutziger Kampf. Es gibt keine Regeln. Du weißt nicht einmal, wer - geschweige denn wo! - deine Feinde sind. Auf dem Schlachtfeld, jederzeit! Aber der Senat von Rom ist ein Bordell, dort findest du die gemeinsten Kreaturen, die niedrigsten Verhaltensweisen. In diesem Schleim krieche ich Tag für Tag! Ach Julia, glaube mir, ich würde lieber bis zum Hals in Blut auf dem Schlachtfeld waten! Und wenn jemand immer noch so naiv ist und glaubt, daß der Krieg mehr Menschenleben kostet als die politische Intrige, dann hat er verdient, was die Politik mit ihm macht.«

Julia stand auf und ging zu ihm. Sie zwang ihn stehenzubleiben und hielt seine beiden Hände fest. »Es fällt mir nicht leicht, das zu sagen, mein Geliebter, aber für einen Mann wie dich, der so geradeheraus spricht, ist die politische Bühne nicht der richtige Ort.«

»Wenn ich es bisher nicht gewußt habe, kann jetzt zumindest kein Zweifel mehr daran bestehen«, sagte Marius düster. »Wahrscheinlich wird es auf Glaucias verfluchte Spezialklausel mit dem Schwur hinauslaufen. Aber hat Publius Rutilius nicht recht, wenn er mich immer fragt, wo uns all diese neuartigen Gesetze hinführen werden? Setzen wir wirklich etwas Gutes an die Stelle von etwas Schlechtem? Oder machen wir alles nur noch schlechter?«

»Das kann nur die Zeit entscheiden«, erwiderte sie ruhig. »Was auch geschieht, Gaius Marius, vergiß nicht, daß es immer große Schwierigkeiten beim Regieren gibt, daß die Leute immer umherlaufen und mit düsterer Miene verkünden, dieses neue Gesetz oder jenes bedeute das Ende der Republik, Rom sei nicht mehr Rom und so weiter! Ich weiß aus meinen Büchern, daß Scipio Africanus das über Cato den Zensor gesagt hat! Und irgendein früherer Julius Caesar wird es sicherlich über Brutus gesagt haben, als der vor vielen hundert Jahren seine Söhne umbringen ließ! Die Republik ist unzerstörbar, das wissen alle, auch wenn sie lauthals das Ende der Republik beklagen. Das mußt du dir immer vor Augen halten.«

Ihr gesunder Menschenverstand beruhigte ihn schließlich. Befriedigt registrierte Julia, daß der Rotstich aus seinen Augen wich und die hektischen Flecken auf seiner Haut verblaßten. Es war höchste Zeit, das Thema zu wechseln, fand sie.

»Übrigens, mein Bruder Gaius Julius möchte dich gerne morgen sprechen. Ich habe die Gelegenheit am Schopfe gepackt und ihn mit Aurelia zum Abendessen eingeladen, wenn es dir recht ist.«

Marius ächzte. »Natürlich! Stimmt ja! Ich hatte es vergessen! Er wird nach Kerkena abreisen, um dort meine erste Veteranenkolonie anzusiedeln, so war’s doch?« Er ließ den Kopf in die Hände fallen, schüttelte Julias Umklammerung ab. »War es das? Bei den Göttern, mein Gedächtnis? Was ist bloß mit mir los, Julia?«

»Nichts«, tröstete sie. »Du brauchst Erholung, ein paar Wochen Abstand von Rom täten dir gut. Aber das ist natürlich im Moment nicht möglich. Wie wäre es, wenn wir statt dessen nach dem kleinen Marius schauten?«

Der kleine Marius, inzwischen fast neun Jahre alt, war sehr hübsch, ein Sohn, der seinen Eltern viel Freude machte: groß und kräftig gebaut, blond, mit einer römischen Nase, die auch seinem Vater gefiel, und er neigte eher körperlicher als geistiger Betätigung zu, was ebenfalls dem Vater entgegenkam. Daß er bisher das einzige Kind geblieben war, betrübte Julia sehr viel mehr als Marius. Nach zwei Fehlgeburten fürchtete sie, daß sie kein Kind mehr würde austragen können. Aber Marius war zufrieden mit seinem Sohn, ein Stammhalter reichte ihm.

Der Abend verlief sehr angenehm. Nur Gaius Julius Caesar, Aurelia und Aurelias Onkel Publius Rutilius Rufus waren geladen.

Nach dem nächsten Markttag in acht Tagen sollte Caesar nach Kerkena in der Provinz Africa abreisen. Sein Auftrag gefiel ihm, nur ein Umstand trübte seine gute Laune.

»Ich werde nicht in Rom sein, wenn mein erster Sohn auf die Welt kommt«, sagte er lächelnd.

»Aurelia, nein! Schon wieder?« stöhnte Rutilius Rufus. »Es wird wieder ein Mädchen, ihr werdet schon sehen - und wo wollt ihr eine weitere Mitgift herbekommen?«

»Ach was, Onkel Publius.« Ungerührt stopfte sich Aurelia einen Happen Hühnerfleisch in den Mund. »Erstens werden wir keine Mitgift für unsere Töchter brauchen. Gaius Julius’ Vater hat uns das Versprechen abgenommen, daß wir keine so hochnäsige Caesaren werden, die ihre Töchter vor dem anrüchigen Hauch des Geldadels fernhalten müssen. Wir sind fest entschlossen, unsere Töchter an furchtbar reiche, unbedeutende Würstchen vom Lande zu verheiraten.« Weitere Happen Hühnerfleisch verschwanden in Aurelias Mund. »Außerdem haben wir jetzt unsere beiden Mädchen. Jetzt sind die Jungen an der Reihe.«

»Alle auf einmal?« fragte Rutilius Rufus verschmitzt.

»Oh ja, ich hätte nichts gegen Zwillinge! Gibt es Zwillinge in der julianischen Familie?« fragte Aurelia ihre Schwägerin.

»Ich glaube schon«, sagte Julia mit einem nachdenklichen Stirnrunzeln. »Unser Onkel Sextus hatte mit Sicherheit Zwillinge, einer ist aber gestorben - und Caesar Strabo ist doch auch ein Zwilling, oder?«

»Stimmt, ist er«, grinste Rutilius Rufus. »Unser armer, junger, schielender Freund zieht Spitznamen geradezu magisch an, einer davon ist ›Vopiscus‹, der Überlebende von Zwillingen. Aber er hat einen neuen Spitznamen, habe ich gehört.«

Seine Stimme hatte einen spöttischen Unterton bekommen, alle lauschten gespannt. Marius stellte die Frage, die allen auf der Zunge lag: »Was für einen?«

»Ihm ist eine Fistel am Hinterteil gewachsen. Irgendein Witzbold meinte, er habe jetzt einen anderthalbfachen Hintern~ und hat ihn ›Sesquisculus‹ getauft«, sagte Rutilius Rufus.

Die gesamte Abendgesellschaft brach in schallendes Gelächter aus, auch die Frauen, in deren Gegenwart so eine milde Zote gerade noch erzählt werden durfte.

»Auch in Lucius Cornelius’ Familie könnten Zwillinge vorkommen.« Marius wischte sich die Augen.

»Wie meinst du das?« fragte Rutilius Rufus, der schon weiteren Tratsch witterte.

»Nun, ihr wißt doch alle - auch wenn Rom es nicht weiß -, daß er ein Jahr bei den Kimbern verbracht hat. Er hatte ein Frau, eine Cheruskerin namens Hermana, die hat ihm Zwillinge geboren, zwei Jungen.«

Julia wurde ernst. »Gefangen? Oder tot?« fragte sie.

»Beim Pollux, nein! Er hat sie zurück zu ihren eigenen Leuten nach Germanien gebracht, bevor er wieder zu mir gestoßen ist.«

»Ein ulkiger Vogel, dieser Lucius Cornelius«, sagte Rutilius Rufus nachdenklich. »Wohl nicht ganz richtig im Kopf.«

»Da hast du einmal unrecht, Publius Rutilius«, sagte Marius. »Keiner ist richtiger im Kopf als Lucius Cornelius. In der Tat, ich würde meinen, er ist der zukünftige Mann, was Rom angeht.«

Julia kicherte. »Wie der Blitz ist er nach Gallia Cisalpina gesaust, nach dem Triumph. Mutter und er streiten immer mehr, je älter sie werden.«

»Ja, das kann ich gut verstehen!« sagte Marius mutig. »Deine Mutter ist der einzige Mensch auf diesem Flecken Erde, der mich zu Tode erschrecken kann.«

»Eine wunderbare Frau, Marcia«, schwelgte Rutilius Rufus in Erinnerungen. Als sich alle Augen auf ihn richteten, beeilte er sich hinzuzufügen: »Zumindest, was das Aussehen betrifft. Früher.«

»Sie hat sich wirklich mächtig ins Zeug gelegt, um eine neue Frau für Lucius Cornelius zu finden«, sagte Caesar.

Rutilius Rufus verschluckte sich fast an einem Pflaumenkern. »Tja, zufällig war ich vor ein paar Tagen gerade bei Marcus Aemilius Scaurus zum Abendessen eingeladen«, sagte er und genoß sichtlich seine Unverschämtheit, »und wenn sie nicht schon mit jemand anderem verheiratet wäre, würde ich darauf wetten, daß Lucius Cornelius ganz allein eine Frau für sich gefunden hat.