»Nein!« Aurelia lehnte sich neugierig vor. »Ach komm, Onkel Publius, sag schon!«
»Die kleine Caecilia Metella Delmatica«, sagte Rutilius Rufus.
»Die Frau des princeps senatus höchstselbst?« quiekste Aurelia.
»Genau die. Lucius Cornelius warf ihr einen Blick zu, als sie ihm vorgestellt wurde, und sein Gesicht lief über und über rot an, roter noch als seine Haare. Wie ein begossener Pudel saß er da, das ganze Abendessen lang, und starrte sie an.«
»Nicht zu fassen!« sagte Marius.
»Aber genauso war es!« beharrte Rutilius Rufus. »Selbst Marcus Aemilius hat es bemerkt - er ist sowieso wie eine alternde Glucke mit ihrem einzigen Küken, was seine süße kleine Delmatica betrifft. So wurde sie nach dem Hauptgang ins Bett geschickt. Sie sah ziemlich enttäuscht aus. Und blickte scheu und voller Bewunderung zu Lucius Cornelius, als sie ging. Er hat seinen Wein verschüttet.«
»Solange er ihr seinen Saft nicht zwischen die Schenkel kippt«, sagte Marius grimmig.
»Oh, nein, nicht schon wieder ein Skandal!« rief Julia. »Lucius Cornelius kann sich nicht noch einen Skandal leisten. Gaius Marius, du mußt etwas tun!«
Auf Marius’ Gesicht erschien der typische Ausdruck, den alle Ehemänner bekommen, wenn ihre Frauen eine ganz und gar unmännliche und unmögliche Forderung an sie richten. »Mit Sicherheit nicht!«
»Warum denn nicht?« fragte Julia. Die Bitte schien ihr sehr vernünftig.
»Weil sich jeder Mann selbst um sein Privatleben kümmern muß - er würde sich schön bedanken, wenn ich meine Nase in seine Angelegenheiten stecke!«
Julia und Aurelia waren beide enttäuscht.
Wie immer mußte Caesar Frieden stiften. Er räusperte sich. »Nun, da Marcus Aemilius Scaurus so aussieht, als müßte man ihn in ungefähr tausend Jahren mit der Axt erschlagen, müssen wir uns wohl nicht allzu viele Sorgen um Lucius Cornelius und Delmatica machen. Meines Erachtens hat Mutter ihre Wahl schon getroffen; wie ich höre, ist Lucius Cornelius einverstanden, so werden wir wohl eine Einladung zur Hochzeit erhalten, sobald er aus Gallia Cisalpina zurück ist.«
»Wer?« fragte Rutilius Rufus. »Ich habe kein Sterbenswörtchen gehört!«
»Aelia, die einzige Tochter von Quintus Aelius Tubero.«
»Ist die nicht schon ein bißchen vertrocknet?« wandte Marius ein.
»Ende dreißig, so alt wie Lucius Cornelius«, gab Caesar gelassen zurück. »Er will anscheinend keine Kinder mehr, deshalb meinte Mutter, eine kinderlose Witwe sei das Beste für ihn. Und sie sieht immer noch gut aus.«
»Aus einer guten alten Familie«, fügte Rutilius Rufus hinzu. »Sehr reich!«
»Um so besser für Lucius Cornelius!« sagte Aurelia warm. »Ich kann mir nicht helfen, ich mag ihn einfach!«
»Das tun wir alle.« Marius blinzelte ihr zu. »Gaius Julius, macht dich das Eingeständnis dieser Zuneigung nicht eifersüchtig?«
»Ach, ich habe noch viel ernstere Rivalen, was Aurelias Gefühle betrifft, als solche patrizischen Erben«, grinste Caesar.
Julia blickte auf. »Wirklich? Wen denn?«
»Er heißt Lucius Decumius, ist ein schmuddeliger kleiner Mann um die Vierzig, mit dünnen Beinen und fettigem Haar. Außerdem riecht er penetrant nach Knoblauch«, sagte Caesar, während er sich die dicksten Rosinen aus dem Nachtisch aus Trockenfrüchten pickte. »Überall stehen seine prachtvollen Blumensträuße. Alle vier bis fünf Tage schickt er einen neuen Strauß vorbei. Und besucht meine Frau. Er freut sich so auf unser Baby, daß ich manchmal ins Grübeln komme.«
»Hör auf, Gaius Julius!« sagte Aurelia lachend.
»Wer ist er?« fragte Rutilius Rufus.
»Er ist Hausmeister oder so etwas Ähnliches bei der Bruderschaft an der Kreuzung, die Aurelia mietfrei beherbergen muß«, sagte Caesar.
»Lucius Decumius und ich haben eine Abmachung getroffen«, sagte Aurelia und schnappte sich dabei die Rosine, die sich Caesar gerade in den Mund stecken wollte.
»Was für eine Abmachung?« fragte Rutilius Rufus.
»Es geht darum, wo er seinen Beruf ausübt, nämlich überall, nur nicht in meiner Nachbarschaft.«
»Was für einen Beruf?«
»Er ist ein Mörder«, sagte Aurelia.
Als Saturninus das zweite Ackergesetz einbrachte, löste die Klausel, die von jedem Senator einen Eid verlangte, einen Sturm der Entrüstung auf dem Forum aus. Die Formel schlug ein wie ein Blitz des Jupiters, mehr noch, wie das verheerende Donnern der alten Götter, der wahren, gesichtslosen Götter, der numina. Nicht nur, daß jeder Senator den Eid schwören mußte, nein, der Schwur sollte nach Appuleius’ Gesetz auch nicht wie üblich im Tempel des Saturn abgelegt werden, sondern unter freiem Himmel, in dem nach oben offenen Tempel des Semo Sancus Dius Fidius auf dem unteren Quirinal. Nur eine Statue der Gaia Caecilia, der Gattin des Königs Tarquinius Priscus aus der Frühzeit von Rom, gab der Wohnstätte des gesichtslosen Gottes ohne Mythologie einen menschlichen Rahmen. Und nicht auf den Namen der großen Gottheiten des Kapitols sollte der Eid geschworen werden, sondern auf die kleinen, gesichtslosen numina, die wahren Götter Roms: auf die Di Penates Publici, die Hüter der öffentlichen Schätze und Vorräte, auf die Lares Praestites, die Hüter des Staates, und auf Vesta, die Hüterin des Herdes. Niemand wußte, wie diese Götter aussahen, wo sie herkamen, welches Geschlecht sie hatten, ob sie überhaupt ein Geschlecht hatten. Aber sie waren da. Und sie waren wichtig. Sie waren römisch. Sie waren die öffentlichen Vertreter der ganz privaten Götter, der Hausgötter, dieser wichtigsten römischen Tradition. Kein Römer konnte einen Eid auf den Namen dieser Götter je brechen, denn Auflösung seiner Familie, Untergang seines Hauses, Zerfall seines Besitzes wären die sichere Folge gewesen.
Aber Glaucia mit seinem unerschütterlichen Glauben an die Gesetze wollte nicht nur auf die namenlose Angst vor den namenlosen Göttern vertrauen. Er setzte eine menschliche Strafe fest, die verhindern sollte, daß sich ein Senator dem Eid entzog: Wasser und Feuer sollten in ganz Italien demjenigen verboten werden, der den Eid verweigerte, er müßte zwanzig Talente in Silber bezahlen und würde alle seine Bürgerrechte verlieren.
»Das Problem ist, daß wir noch nicht schnell genug waren und nicht weit genug gegangen sind«, sagte Metellus Numidicus zu Catulus Caesar, dem pontifex maximus Ahenobarbus, Metellus dem Ferkel, zu Scaurus, Lucius Cotta und seinem Onkel Marcus Cotta. »Das Volk ist noch nicht bereit, Gaius Marius fallen zu lassen. Das Gesetz wird in dieser Form durchkommen. Und wir werden schwören müssen.« Er zitterte. »Und wenn ich schwöre, muß ich mich an meinen Eid halten.«
»Dann darf dieses Gesetz nicht durchkommen«, sagte Ahenobarbus.
»Kein Volkstribun wird es wagen, sein Veto einzulegen«, sagte Marcus Cotta.
»Dann müssen wir eben mit religiösen Argumenten dagegen ankämpfen.« Scaurus warf Ahenobarbus vieldeutige Blicke zu. »Unsere Gegner haben die Religion ins Spiel gebracht, also gibt es keinen Grund, warum wir das nicht auch tun sollten.«
»Ich glaube, ich weiß schon, was du willst«, sagte Ahenobarbus.
»Nun, ich nicht«, sagte Lucius Cotta.
»Am Tag der Abstimmung über das Gesetz müssen die Auguren die göttlichen Zeichen prüfen, damit alle sicher sein können, daß die Versammlung nicht gegen göttliches Gesetz verstößt. Ja, und wir werden dafür sorgen, daß die Zeichen Unheil verheißen«, sagte Ahenobarbus. »Wir werden so lange unheilträchtige Zeichen sehen, bis einer unserer Volkstribunen den Mut findet, sein Veto aus religiösen Gründen einzulegen. Damit ist das Gesetz erledigt. Das Volk hat solche Dinge schnell satt.«