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Der Plan wurde in die Tat umgesetzt. Die Auguren erklärten, die Zeichen würden Unheil verkünden. Unglücklicherweise war aber Lucius Appuleius Saturninus selbst Augur - eine kleine Entschädigung für die falschen Beschuldigungen in Ostia -, und Saturninus deutete die Zeichen ganz anders.

»Das ist ein Trick!« brüllte er die Plebejer auf dem Versammlungsplatz an. »Seht sie euch an! Alle sind sie Handlanger derer, die im Senat die Fäden ziehen! An den Zeichen ist nichts auszusetzen - auf diesem Wege soll die Macht des Volkes gebrochen werden! Wir wissen es alle: Der Senatsvorsitzende Scaurus, Metellus Numidicus und Catulus wollen unsere Soldaten um ihren gerechten Lohn bringen, dafür ist ihnen jedes Mittel recht. Und dies hier beweist, daß sie wirklich vor nichts zurückscheuen! Sie haben absichtlich den Willen der Götter mißdeutet!«

Das Volk glaubte Saturninus, der darüber hinaus so umsichtig gewesen war, seine Gladiatoren unter die Menge zu mischen. Als ein Volkstribun einen zaghaften Versuch machte, sein Veto einzulegen - die Zeichen seien unheilträchtig, er habe schon Donner gehört, ein Gesetz, das an diesem Tag verabschiedet würde, sei nefas, ein Sakrileg -, schlugen die Gladiatoren zu. Während Saturninus mit schallender Stimme verkündete, daß er dieses Veto nicht zulassen werde, rissen seine Muskelmänner den glücklosen Volkstribunen von der Rednerbühne, stießen ihn den Clivus Argentarius hinauf bis zu den Lautumiae und hielten ihn dort fest, bis die Versammlung aufgehoben war. Das zweite Landreformgesetz stand schließlich zur Abstimmung, und sämtliche Tribus stimmten dafür, denn die ungewöhnliche Schwurformel stachelte die Neugier der regelmäßigen Besucher des Forums an: Was würde passieren, wenn dieses Gesetz verabschiedet war? Wer würde es verhindern wollen? Wie würde der Senat reagieren? So etwas durfte man nicht verpassen! Das Volk wartete gespannt.

Am Tag nach der Verabschiedung des Gesetzes erhob sich Metellus Numidicus im Senat und kündigte feierlich an, daß er den Eid nicht schwören werde.

»Mein Gewissen, meine Prinzipien, ja mein ganzes Leben hängen an dieser Entscheidung!« rief er donnernd. »Ich werde die Strafe bezahlen, ich werde in die Verbannung nach Rhodos gehen. Denn ich werde nicht schwören. Hört ihr mich, Senatoren? Ich - werde - nicht - schwören! Ich könnte niemals etwas schwören, gegen das sich mein Innerstes so hartnäckig sträubt. Wann wird ein Eid zum Meineid? Was ist das schlimmere Verbrechen - den Eid schwören, ein Gesetz zu hüten, das ich grundsätzlich ablehne, oder einen solchen Eid nicht zu schwören? Diese Entscheidung müßt ihr alle für euch allein treffen. Meine Entscheidung ist gefallen. Der Schwur wäre das größere Verbrechen. So wisse, Lucius Appuleius Saturninus, und auch du, Gaius Marius: Ich - werde - nicht - schwören! Ich habe mich entschieden, die Strafe zu bezahlen und ins Exil zu gehen.«

Seine Rede machte großen Eindruck, denn alle Anwesenden spürten, daß es ihm ernst war. Marius’ Augenbrauen trafen sich über der Nase. Saturninus fletschte die Zähne. Ein Gemurmel hob an, Zweifel und Unzufriedenheit quälten, nagten und verschafften sich immer lauter Gehör.

»Sie wollen Schwierigkeiten machen«, flüsterte Glaucia, dessen Amtsschemel ganz nahe neben dem von Marius stand.

»Wenn ich die Versammlung nicht schließe, werden sich noch alle weigern, den Eid zu schwören«, murmelte Marius. Er erhob sich und entließ die Versammlung. »Ich möchte euch eindringlichst bitten, nach Hause zu gehen und drei Tage lang über die sehr ernsten Folgen nachzudenken, die es hätte, wenn ihr den Eid nicht schwört. Für Quintus Caecilius ist es leicht - er hat genug Geld, um die Strafe zu bezahlen und sich in der Verbannung behaglich einzurichten. Aber wie viele sonst von euch können das sagen? Geht nach Hause, Senatoren, und überlegt es euch gut. Ihr habt drei Tage Zeit. Am vierten Tage von heute an gerechnet wird sich der Senat wieder versammeln. Bis dahin müßt ihr euch entscheiden. Vergeßt nicht, daß das zweite Ackergesetz des Appuleius eine zeitliche Beschränkung enthält.«

So kannst du doch nicht mit ihnen reden! sagte sich Marius. Er lief unruhig in seinem großen, schönen Haus unterhalb des Tempels der Juno Moneta hin und her, Julia stand hilflos daneben. Selbst sein sonst so kecker Sohn hatte sich in seinem Spielzimmer versteckt.

So kannst du einfach nicht mit ihnen reden, Gaius Marius! Sie sind keine Soldaten. Sie sind noch nicht einmal untergeordnete Offiziere, auch wenn ich Konsul bin und sie größtenteils Hinterbänkler, die niemals wissen werden, wie sich ein Amtsstuhl aus Elfenbein unter ihren fetten Ärschen anfühlen würde. Alle, bis auf den letzten, glauben sie, sind mir gleichgestellt - mir, Gaius Marius, zum sechsten Male Konsul dieser Stadt, dieses Staates, dieses Weltreiches! Ich muß mit ihnen fertig werden, die Schande einer solchen Niederlage könnte ich nicht ertragen. Meine dignitas ist soviel größer als ihre, und wenn sie tausendmal das Gegenteil behaupten. Und meine Würde darf keinen Schaden nehmen. Ich bin der Erste Mann in Rom. Ich bin der dritte Gründer Roms. Und nach meinem Tod werden sie zugeben müssen, daß ich, Gaius Marius, der italische Bauer, der angeblich kein Griechisch kann, der größte Mann in der Geschichte der Republik war, in der Geschichte des Senats und des Volkes von Rom.

Nichts anderes konnte er denken während der drei Tage, die er den Senatoren als Bedenkzeit gegeben hatte, unaufhörlich kreisten seine Gedanken um den Verlust seiner dignitas, falls sein Gesetz nicht durchkommen sollte. Bei Anbruch des vierten Tages marschierte er mit festem Siegeswillen in die curia hostilia - über die Taktik, wie die konservative Senatorenclique ihn wohl zu schlagen versuchen würde, hatte er überhaupt nicht nachgedacht. Statt dessen legte er große Sorgfalt auf sein Aussehen, niemand sollte ihm ansehen, daß er drei Tage in seinem Haus auf und ab gelaufen war. Seine zwölf Liktoren zogen vor ihm her, als er die Straße der Geldverleiher hinunterschritt. Ihm war, als gehörte ihm die ganze Stadt.

Der Senat versammelte sich ungewöhnlich ruhig, kaum ein Stuhl wurde gerückt, kaum ein Hüsteln war zu hören, nur wenige Besucher flüsterten mit ihren Nachbarn. Das Opfer wurde dargebracht, die Auguren erklärten die Zeichen für günstig.

Marius erhob sich mit majestätischer Würde, er hatte jede Faser seines massigen Körpers unter Kontrolle. Wenn er auch keinen Gedanken auf die möglichen Strategien der konservativen Senatorenclique verschwendet hatte, so hatte er doch sein eigenes Vorgehen bis in die letzte Einzelheit geplant. Das Selbstvertrauen stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.

»Auch ich habe viel nachgedacht in den letzten drei Tagen, eingeschriebene Väter«, begann er. Seine Augen waren auf einen Punkt irgendwo zwischen den Senatoren gerichtet. Er schaute niemandem direkt ins Gesicht, weder freundlich noch feindselig. Ohnehin hätte niemand sagen können, wo Marius hinschaute, denn nur aus nächster Nähe gaben seine buschigen Augenbrauen den Blick in seine Augen frei. Die linke Hand steckte er in den vorderen Saum seiner Toga, dort, wo sie in vielen wohlgeordneten Falten von seiner linken Schulter bis auf die Knöchel fiel. So trat er von dem Podium, wo die Amtsschemel standen, in den Versammlungsraum hinunter. »Eines ist offensichtlich.« Er machte ein paar Schritte und hielt dann inne. »Wenn dieses Gesetz gültig wird, müssen wir alle schwören, daß wir uns daran halten werden.« Er machte noch ein paar Schritte. »Wenn dieses Gesetz gültig wird, müssen wir alle den Schwur ablegen.« Er ging zu den Türen und wandte sich um, so daß er beide Seiten des Senats überblicken konnte. »Aber ist es gültig?« fragte er laut.

Die Frage fiel in eine atemlose Stille.

»Das war’s!« flüsterte der Senatsvorsitzende Scaurus zu Metellus Numidicus. »Er ist erledigt! Jetzt hat er sich selbst den Todesstoß versetzt!«