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»Das ist ein gutes Zeichen, da bin ich sicher«, sagte sie. »Du wirst bald wieder gesund sein. Du mußt dich nur ausruhen, noch länger hierbleiben.«

»Das geht nicht! Sie werden sagen, ich sei zu feige, ihnen ins Gesicht zu sehen!«

»Wenn ihnen etwas daran gelegen ist, dich zu besuchen - und ich bin sicher, daß sie das tun werden! -, werden sie schon merken, was mit dir los ist, Gaius Marius. Ob es dir paßt oder nicht, du bleibst hier, bis es dir besser geht«, sagte Julia resolut, ein Zug, der Marius ganz neu war an ihr. »Nein, keine Diskussionen! Ich habe recht, und das weißt du auch! Was meinst du eigentlich, was du in Rom erreichen könntest, außer daß du noch einen Schlaganfall bekommst?«

»Nichts«, stotterte er. Verzweifelt ließ er sich in seine Kissen zurückfallen. »Julia, Julia, wie soll ich mich von dieser Krankheit erholen, bei der ich mich eher häßlich als krank fühle? Ich muß gesund werden! Sie dürfen mich nicht unterkriegen, wo es jetzt um soviel geht für mich!«

»Sie werden dich nicht unterkriegen, Gaius Marius«, sagte sie bestimmt. »Nur der Tod wird dich unterkriegen, und an diesem kleinen Schlaganfall stirbst du nicht. Die Lähmung wird zurückgehen. Und wenn du dich ausruhst, dich vernünftig bewegst, mäßig ißt, keinen Wein trinkst und dir keine Sorgen über die Politik in Rom machst, wirst du viel schneller wieder gesund.«

Im Frühling regnete es in Sizilien und Sardinien überhaupt nicht, in Africa nur ein paar Tropfen. Dann aber, als das Korn gerade die Ähren bildete, goß es in Strömen, und Fluten und Fäulnis zerstörten die Ernte vollständig. Nur aus Africa würden ein paar Säcke Korn nach Puteoli und Ostia kommen. Und das bedeutete, daß die Getreidepreise in Rom jetzt im vierten Jahr hintereinander hoch sein würden, und daß viele Menschen würden hungern müssen.

Der zweite Konsul und flamen Martialis, Lucius Valerius Flaccus, mußte feststellen, daß die Kornspeicher unter den Abhängen des Aventin und neben dem Hafen leer waren. Auch in den privaten Kornspeichern entlang des Vicus Tuscus war nicht viel gelagert. Diese geringen Mengen, so teilten die Kornhändler Flaccus und seinen Ädilen mit, würden mehr als fünfzig Sesterze pro Scheffel kosten. Die meisten Proletarierfamilien konnten nicht einmal ein Viertel bezahlen. Es gab andere, billigere Nahrungsmittel, aber alles wurde teurer durch den erhöhten Verbrauch bei verminderter Produktion. Mägen, die an gutes Brot gewöhnt waren, gaben sich nicht mit dünnem Haferschleim und Steckrüben zufrieden, der üblichen Kost der Massen in Hungerzeiten. Die Starken und Gesunden überlebten, aber die Alten und die Schwachen, die Säuglinge und die Kranken starben in solchen Zeiten nur allzuoft.

Im Oktober gärte es unter den Proletariern, die übrigen Bürger der Stadt lebten in Angst und Schrecken. Wenn die Proletarier in Rom nichts zu essen hatten, konnte das niemand gelassen hinnehmen. Viele Bürger aus der Dritten und Vierten Vermögensklasse, die auch nur unter großen Mühen die Getreidepreise bezahlen konnten, bewaffneten sich, um ihre Speisekammern gegen die Übergriffe derer, die noch weniger hatten, zu verteidigen.

Lucius Valerius Flaccus beriet sich mit den Ädilen, die für die staatlichen Getreideeinkäufe, für Lagerung und Verkauf des staatlichen Getreides zuständig waren. Er beantragte im Senat, zusätzliche Mittel zum Kauf von Getreide zur Verfügung zu stellen und Getreide überall zu kaufen, wo man es bekommen konnte, Getreide aller Art - Gerste, Hirse, Emmer und Brotweizen. Aber die wenigsten Senatoren waren wirklich beunruhigt. Zu viele Jahre waren seit den letzten Hungeraufständen der besitzlosen proletarii vergangen, zu groß war die Distanz der Senatoren zu der Welt, in der die Armen lebten.

Die Lage wurde zusätzlich dadurch verschlimmert, daß die beiden jungen Männer, die als Quästoren für den Staatsschatz zuständig waren, zwei besonders arrogante und mitleidslose Senatoren waren, die Ärmsten kümmerten sie nicht. Beide hatten sich nach der Wahl zu Quästoren für den Dienst in Rom gemeldet und gesagt, sie wollten »der ungerechtfertigten Belastung des Staatsschatzes von Rom ein Ende machen« - was im Klartext bedeutete, daß sie weder für die Veteranen des Proletarierheeres noch für billiges Getreide auch nur einen Sesterz ausgeben wollten. Der Stadtquästor, der ältere der beiden, war kein anderer als der junge Caepio, der Sohn des Konsuls, der das Gold von Tolosa gestohlen und die Schlacht von Arausio verloren hatte. Der andere war Metellus das Ferkel, der Sohn des verbannten Metellus Numidicus. Beide hatten alte Rechnungen mit Gaius Marius zu begleichen.

Üblicherweise hielten sich die Senatoren an die Empfehlungen der Quästoren, die für den Staatsschatz zuständig waren. Als der junge Caepio und der junge Metellus im Senat über die finanzielle Lage Rechenschaft ablegen sollten, erklärten sie schlichtweg, für Getreidekäufe sei kein Geld da. Die Ausstattung, Besoldung und der Unterhalt des Proletarierheeres hätten den Staat so viel gekostet, daß er jetzt pleite sei. Weder der Krieg gegen Jugurtha noch der Krieg gegen die Germanen hätten auch nur annähernd genug Geld durch Beute und Tributzahlungen eingebracht, um das Loch in der Staatskasse zu stopfen. Als Beweis legten sie ihre Rechnungsbücher vor. Rom war bankrott. Wer nicht genug Geld habe, um die steigenden Getreidepreise bezahlen zu können, werde eben hungern müssen. So sei nun einmal die Lage. Leider.

Anfang November hatte es sich in ganz Rom herumgesprochen, daß es kein staatliches Korn zu vernünftigen Preisen geben würde, weil der Senat gegen zusätzliche Mittel für den Getreidepreis gestimmt hatte. Da die Nachricht als Gerücht von Mund zu Mund ging, war von Mißernten und mürrischen Quästoren keine Rede. Es hieß einfach, es werde kein billiges Korn geben.

Sofort füllte sich das Forum Romanum mit Menschen, die dort normalerweise nicht auftauchten. Die anderen Forumsbesucher verschwanden oder gingen in der Masse der Neuankömmlinge unter. Die Proletarier und die Bürger der Fünften Klasse waren gekommen, und ihre Stimmung war äußerst gereizt. Für die Senatoren war es ein Spießrutenlauf, wenn sie unter dem Zischen aus Tausenden von Kehlen über das Forum gingen, das sie doch als ihr angestammtes Revier ansahen. Zuerst ließen sie sich nicht einschüchtern, doch bald zischten die Leute nicht nur, sondern schleuderten einen Hagel von Dreck - Exkremente, Mist, stinkenden Schlamm aus dem Tiber, verrotteten Abfall. Der Senat setzte alle Versammlungen bis auf weiteres aus. Bankiers, Kaufleute aus dem Ritterstand, Advokaten und Beamte des Staatsschatzes waren jetzt die Unglücklichen, die ohne Unterstützung durch den Senat die Besudelungen über sich ergehen lassen mußten.

Der zweite Konsul Flaccus war nicht energisch genug, um die Initiative zu ergreifen, er ließ den Dingen ihren Lauf, während Caepio und Metellus sich gegenseitig zu der gelungenen Tat beglückwünschten. Was machte es schon, wenn ein paar tausend capite censi in diesem Winter in Rom starben? Dann würde man in Zukunft weniger Mäuler zu stopfen haben.

Als sich die Lage so weit zugespitzt hatte, berief der Volkstribun Lucius Appuleius Saturninus eine Versammlung der Plebs ein und schlug ihr ein Korngesetz vor. Der Staat sollte verpflichtet werden, auf der Stelle jede Unze Weizen, Gerste, Hirse in Italien und Gallia Cisalpina aufzukaufen und zu dem lächerlich geringen Preis von einem Sesterz pro Scheffel zu verkaufen. Natürlich sagte Saturninus nichts darüber, wie schwierig es sein würde, Getreide aus Gallia Cisalpina in die Gebiete südlich des Apennin zu verschiffen, und er verschwieg auch, daß es südlich des Apennin praktisch nirgendwo Getreide gab. Er wollte die Massen hinter sich bringen, wollte als der Retter in der Not dastehen.

Da der Senat keine Versammlungen abhielt, gab es fast keinen Widerstand, denn jeder in Rom, der nicht zu den ganz Reichen gehörte, war von der Getreideknappheit betroffen. Alle Kaufleute, die mit Lebensmitteln zu tun hatten, waren für Saturninus’ Gesetz, ebenso die Dritte und Vierte Klasse und selbst viele Zenturien der Zweiten Klasse. Als der November zur Hälfte vorüber war und sich dem Dezember zuneigte, war ganz Rom auf Saturninus’ Seite.