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Der junge Caepio spuckte ihnen nach. »Da geht er für heute hin, der Pöbel!« preßte er mit wutverzerrtem Gesicht hervor. »Schaut sie euch an! Diebe, Mörder, Männer, die ihre eigenen Töchter vergewaltigen!«

»Sie sind kein Pöbel, Quintus Servilius«, sagte Marius mit strenger Miene. »Sie sind Römer, und sie sind arm, aber sie sind keine Diebe und Mörder. Und sie haben ihre tägliche Hirse mit Steckrüben langsam satt. Ihr solltet lieber hoffen, daß Lucius Equitius sie nicht aufhetzt. Während dieser ganzen elenden Wahlen haben sie sich ausgezeichnet benommen, aber das könnte sich schnell ändern, wenn Hirse und Steckrüben auf dem Markt immer teurer werden.«

»Ach, darüber müssen wir uns keine Sorgen machen«, sagte Gaius Memmius fröhlich. Er war in bester Laune, denn die Wahl der Volkstribunen hatte vorschriftsmäßig stattgefunden, und seine gemeinsame Kandidatur mit Marcus Antonius Orator für das Amt des Konsuls erschien aussichtsreicher denn je. »In ein paar Tagen wird sich die Lage bessern. Marcus Antonius hat mir erzählt, daß es unseren Agenten in der Provinz Asia gelungen ist, irgendwo ganz am nördlichen Ufer des Schwarzen Meeres eine große Menge Getreide aufzukaufen. Das erste Schiff der Getreideflotte müßte jeden Tag in Puteoli eintreffen.«

Alle starrten ihn mit offenen Mündern an.

»Nun«, sagte Marius, und weil er einen Augenblick vergaß, daß er nicht mehr mit süßer Ironie lächeln konnte, verzog er sein Gesicht zu einer furchtbaren Grimasse. »Wir alle haben zur Kenntnis genommen, daß du anscheinend die Gabe besitzt, die Zukunft der Getreideversorgung vorherzusehen. Dennoch wüßte ich gern, wie ausgerechnet du zu dieser Information gekommen bist, obwohl weder ich - immerhin der erste Konsul! - noch Marcus Aemilius hier - der Vorsitzende des Senats und curator annonae - etwas davon wissen?«

Zwanzig Augenpaare richteten sich auf Memmius. Der schluckte. »Es ist kein Geheimnis, Gaius Marius. In Athen sind wir zufällig im Gespräch darauf gestoßen, nachdem Marcus Antonius von seiner letzten Reise nach Pergamum zurückgekehrt war. Er hatte ein paar unserer Getreideaufkäufer dort getroffen, und die haben es ihm erzählt.«

»Und warum hat es Marcus Antonius nicht für nötig befunden, mich als den für die Getreideversorgung verantwortlichen Beamten davon in Kenntnis zu setzen?« fragte Scaurus in eisigem Ton.

»Ich nehme an, weil er - wie ich doch auch, wirklich! - angenommen hat, daß du das längst wußtest. Die Einkäufer haben doch Briefe geschrieben, warum solltest du nicht Bescheid gewußt haben?«

»Die Briefe sind hier nicht eingetroffen«, sagte Marius und nickte zu Scaurus hinüber. »Darf ich dir, Gaius Memmius, unseren Dank dafür aussprechen, daß du uns diese großartigen Neuigkeiten mitgeteilt hast?«

»Wirklich gute Nachrichten«, sagte Scaurus. Sein Zorn legte sich langsam.

»Wir sollten jetzt um unser aller Wohl willen hoffen, daß kein Sturm aufkommt und das Getreide auf dem Grund des Mittelmeeres versenkt«, sagte Marius. Die Menschen auf dem Forum hatten sich inzwischen so weit verlaufen, daß er den Heimweg für sicher hielt. Außerdem hatte er nichts dagegen, noch mit ein paar von ihnen zu sprechen. »Senatoren, morgen treffen wir uns wieder hier, zur Wahl der Quästoren. Und am Tage darauf marschieren wir alle hinaus auf das Marsfeld, wenn sich dort die Männer vorstellen, die als Konsuln und Prätoren kandidieren. Ich wünsche euch noch einen schönen Tag.«

»Du bist ein Schwachkopf, Gaius Memmius«, verkündete Catulus Caesar von seinem Stuhl aus ein niederschmetterndes Verdikt.

Gaius Memmius hatte keine Lust, ein Streitgespräch mit einem Mitglied der hohen Aristokratie zu beginnen, und ging in Marius’ Kielwasser davon. Er wollte Marcus Antonius in seiner gemieteten Villa auf dem Marsfeld besuchen und ihm die Ereignisse des Tages berichten. Während er hurtig ausschritt, wurde ihm klar, wie er und Marcus Antonius sich zusätzliche Pluspunkte in der Gunst der Wähler erwerben konnten. Wenn sich am übernächsten Tag die Zenturien versammelten, um sich die Vorstellung der Kandidaten für die kurulischen Ämter anzuschauen, mußten Marcus Antonius und er nur ihre Agenten unter die Wähler mischen, und die Agenten sollten die Nachricht vom baldigen Eintreffen der Getreideflotte so verbreiten, als ob man das den beiden Kandidaten für das Konsulat zu verdanken hätte. Die Erste und die Zweite Vermögensklasse mochten darüber jammern, daß die Getreidekäufe den Staat viel zuviel Geld kosteten, aber nachdem Memmius die Menschenmengen auf dem Forum gesehen hatte, zählte er darauf, daß auch die Reichen froh wären, wenn Roms hungrige Mäuler endlich gestopft wurden.

In der Morgendämmerung des Tages, an dem die Vorstellung der Kandidaten in der Saepta stattfinden sollte, machte sich Memmius auf den Weg vom Palatin zum Marsfeld, begleitet von Freunden und Anhängern, die alle bester Laune waren, denn sie zweifelten nicht daran, daß Antonius und er es schaffen würden. Lachend und scherzend marschierten sie schnellen Schrittes über das Forum Romanum. An diesem klaren Morgen im Spätherbst wehte ein kühler Wind, und so zitterten sie ein wenig, als sie das Fontinalis-Tor passierten, das in tiefem Schatten lag. Aber der Gedanke an den Sieg, der auf der sonnigen Ebene unterhalb der Arx auf sie wartete, lenkte sie ab. Bald würde Gaius Memmius Konsul sein.

Auch andere Männer gingen zur Saepta, in Gruppen, paarweise, nur wenige allein. Ein Angehöriger der Vermögensklassen, die die kurulischen Beamten wählen durften, zeigte sich in der Öffentlichkeit gerne in Gesellschaft, denn das mehrte seine dignitas.

An der Stelle, wo die Straße vom Quirinal in die Via Lata mündete, stießen Gaius Memmius und seine Begleiter auf eine Gruppe von ungefähr fünfzig Männern, die niemand anderen als Gaius Servilius Glaucia begleiteten.

Verblüfft blieb Memmius stehen. »Wo gehst du denn hin, und in dieser Aufmachung?« fragte er mit einem verwunderten Blick auf Glaucia, der die Toga der Kandidaten trug. Die Toga wurde besonders gebleicht, indem man sie tagelang in die Sonne hängte. Zusätzlich wurde mit großer Sorgfalt zu Puder verriebener Kalk aufgetragen, bis ein Weiß von blendender Reinheit erschien. Eine solche Toga durfte man nur tragen, wenn man für ein öffentliches Amt zur Wahl stand.

»Ich kandidiere für das Amt des Konsuls«, sagte Glaucia.

»Das geht nicht, das weißt du doch selber«, sagte Memmius.

»Oh doch, ich kandidiere!«

»Gaius Marius sagte, daß du nicht kandidieren darfst.«

»Gaius Marius sagte, daß ich nicht kandidieren darf«, äffte Glaucia Gaius Memmius mit künstlich hoher Stimme nach. Dann wandte er Memmius demonstrativ den Rücken zu und sprach mit lauter Stimme, affektiert wie eine Tunte, zu seinen Begleitern. »Gaius Marius hat mir verboten zu kandidieren! Gut! Ich muß sagen, ich finde es schon ganz schön happig, wenn richtige Männer nicht mehr kandidieren dürfen, aber hübsche kleine Schwule schon!«

Inzwischen hatte sich eine Gruppe von Zuhörern um die beiden Kontrahenten versammelt, nichts Ungewöhnliches, denn Zusammenstöße der rivalisierenden Kandidaten gehörten bei einer Wahl einfach dazu, sie gaben der Sache die richtige Würze. Daß die beiden Kandidaten sich schon stritten, bevor sie überhaupt die Saepta erreicht hatten, störte die Zuschauer nicht im mindesten. Immer mehr Männer kamen auf der Via Lata aus der Stadt und vergrößerten die Menge.

Gaius Memmius krümmte sich voller Pein, als ihm bewußt wurde, wie viele Ohren gespitzt lauschten. Sein Leben lang hatte er darunter gelitten, daß er zu gut aussah, immer war er deshalb verspottet worden - er war ein Schönling, man konnte ihm nicht trauen, er mochte Jungen, man konnte ihn nicht richtig ernst nehmen, und so weiter, und so fort. Und jetzt verspottete ihn Glaucia vor all diesen Menschen, all diesen Wählern!

Gaius Memmius sah rot, verständlicherweise. Bevor seine Begleiter auch nur ahnten, was in ihm vorging, hatte er einen Satz nach vorn gemacht, Glaucia an der linken Schulter gepackt und ihm die Toga vom Leib gerissen. Als Glaucia herumflog, um zu sehen, wer der Angreifer war, holte Memmius zu einem harten Schlag auf Glaucias linkes Ohr aus und traf. Glaucia ging zu Boden, Memmius fiel über ihn. Glaucias Männer hatten Prügel und Knüppel unter ihren Gewändern versteckt, und die holten sie jetzt hervor und gingen mit wildem Rachegeschrei auf Memmius’ Begleiter los, die wie versteinert dastanden. Die Gruppe, mit der Memmius gekommen war, löste sich sofort auf. Laut um Hilfe schreiend stoben Memmius’ Freunde in alle Richtungen davon.