Выбрать главу

»Gaius Marius«, sagte Scaurus, »die Mitglieder dieses Hauses haben mich ermächtigt, dich zu beauftragen, daß du als erster Konsul von Rom unseren Staat mit allen dir notwendig erscheinenden Mitteln verteidigst. Außerdem erkläre ich hiermit im Namen dieses Hauses, daß jedes Veto der Volkstribunen gegen eine Maßnahme von dir ungültig ist und daß nichts, was du tust oder befiehlst, dir später vor einem Gericht vorgeworfen werden kann. Das gilt auch für den zweiten Konsul, Lucius Valerius Flaccus, und alle Prätoren, soweit sie unter deinem Befehl stehen. Außerdem bist du, Gaius Marius, ermächtigt, dir Helfer aus dem Kreis der Mitglieder dieses Hauses zu wählen. Solange diese unter deinem Befehl stehen, gelten auch für sie die bereits genannten Ausnahmeregelungen.« Scaurus mußte daran denken, wie wohl Metellus Numidicus reagiert hätte, wenn er miterlebt hätte, wie der Senatsvorsitzende Scaurus Gaius Marius praktisch zum Diktator ernannte. Scaurus warf Marius einen bösen Blick zu, ein Grinsen konnte er sich gerade noch verkneifen. Er holte tief Luft und schrie so laut er konnte: »Lang lebe Rom!«

»Ach, na so was!« sagte Publius Rutilius Rufus.

Marius hatte weder Zeit noch Geduld, über geistreiche Bemerkungen nachzudenken. Mit knapper und ruhiger Stimme bestimmte er Lucius Cornelius Sulla zu seinem Stellvertreter und befahl, das Waffenlager im Keller des Tempels der Bellona zu öffnen und alle Unbewaffneten mit Schwertern und Schilden auszurüsten. Wer Waffen und Rüstung besaß, sollte sofort nach Hause gehen und sie holen, solange man sich noch frei in den Straßen bewegen konnte.

Sulla kümmerte sich vor allem um seine jungen Freunde. Er schickte sie in alle Himmelsrichtungen, vor allem den jungen Caepio und Metellus das Ferkel, deren Eifer gar nicht zu bremsen war. Die erste Ungläubigkeit machte einer Empörung Platz, die mehr war als bloße Wut: Ein Senator von Rom versuchte, mit Hilfe der Macht des Pöbels, König zu werden - eine Ungeheuerlichkeit! Politische Unterschiede waren vergessen, Fraktionen lösten sich auf, ultrakonservative Senatoren standen Schulter an Schulter mit den fortschrittlichsten Anhängern von Marius, geeint im Kampf gegen den geifernden Wolf auf dem Forum Romanum.

Selbst als Sulla die Männer zu organisieren versuchte, die um ihn herumschwirrten und wild fluchten, während sie darauf warteten, daß ihnen ihre Waffen von zu Hause gebracht wurden, waren seine Gedanken bei ihr. Nicht bei Delmatica, bei Aurelia. Er schickte zwei Liktoren zu ihrer insula mit der Anweisung, sie solle sich im Hause einschließen, und zwei weitere zu Lucius Decumius mit der Nachricht, weder er noch seine Kumpane aus dem Kreuzwegeverein sollten sich in den nächsten Tagen auf dem Forum Romanum blicken lassen. Wie er Lucius Decumius kannte, würden sie ohnehin nicht auf dem Forum sein. Während der übrige Pöbel Roms auf dem Forum randalierte, herumbrüllte und unschuldige Passanten zusammenschlug, lud das Gebiet, das der Pöbel normalerweise unsicher machte, zu ein oder zwei Überfällen geradezu ein. So sah das zweifellos Lucius Decumius. Trotzdem, die Botschaft konnte nicht schaden. Vor allem Aurelia mußte gewarnt werden.

Zwei Stunden später waren alle bereit. Vor dem Tempel der Bellona lag ein großer, offener Hof, der als Feindesland bezeichnet wurde. In halber Höhe der Treppen, die zum Tempel führten, stand ein etwa vier Fuß hoher, quadratischer Felsblock. Wenn einem ausländischen Feind ein gerechter und rechtmäßiger Krieg erklärt wurde - und gab es denn andere Kriege? -, rief man einen der Fetialen. Die Aufgabe dieser Priester war es, im Auftrag des Staates Bündnisse zu schließen und Kriege zu erklären. Der Priester schleuderte von den Tempeltreppen aus einen Speer genau über die Spitze des uralten Felsblockes in den Boden des Feindeslandes. Niemand wußte, wie dieses Ritual entstanden war, aber es gehörte zur Tradition, und deshalb hielt man daran fest. Doch heute gab es keinen ausländischen Feind, dem man den Krieg erklären mußte, heute mußte man einer Anordnung des Senats Folge leisten. Kein Priester schleuderte den Speer, und auf dem Feindesland drängten sich die Römer der Ersten und Zweiten Vermögensklasse.

Die ganze Versammlung - vielleicht tausend Männer - war für den Krieg gerüstet: mit Harnischen, Metallschienen an den Schienbeinen und Lederkleidung unter den Rüstungen. Alle trugen verzierte Helme. Keiner hatte einen Speer in der Hand, alle waren mit dem guten, altbewährten römischen Kurzschwert und Dolchen bewaffnet und hielten die altmodischen, aus der Zeit vor Marius stammenden ovalen, fünf Fuß hohen Schilde vor sich.

Gaius Marius trat an den vordersten Rand des Podiums vor dem Tempel der Bellona und sprach zu seinem kleinen Heer. »Denkt daran - wir sind Römer und ziehen in unsere Stadt Rom«, sagte er und betonte jedes Wort. »Wir werden über die Schwelle der geheiligten Stadtgrenze treten. Deshalb habe ich auch nicht Marcus Antonius’ Seesoldaten zu den Waffen gerufen. Wir, die Bürger, können selbst mit dieser Krise fertig werden, wir brauchen keine Armee. Ich verbitte mir strengstens alle Gewalttätigkeiten, die nicht unbedingt notwendig sind. Ich warne euch alle - insbesondere die Jüngeren unter euch - eindringlich: Niemand erhebt sein Schwert gegen einen unbewaffneten Mann! Wehrt Stockschläge mit euren Schilden ab und benutzt nur die flache Seite eurer Schwerter. Wo immer es möglich ist, entreißt der Menge die hölzernen Waffen, laßt eure Schwerter stecken und benutzt selbst ihre Knüppel. Es darf keine Berge von Sterbenden und Toten im Herzen von Rom geben! Dann wäre das Glück der Republik zu Ende, und das wäre das Ende der Republik! Wir müssen heute Gewalt verhindern, nicht anwenden!«

»Ihr seid heute meine Truppen«, führ er mit strenger Miene fort. »Nur wenige haben schon unter mir gedient. Darum gebt jetzt gut acht, ich sage es euch nur einmal. Wer meinen Befehlen und denen meines Stellvertreters nicht Folge leistet, wird sterben. In so einer Situation darf es keine Diskussionen und keine Unterschiede geben. Heute gibt es nicht verschiedene Arten von Römern, sondern nur Römer. Viele von euch lieben die Proletarier nicht und haben kein Herz für die unteren Schichten. Aber ich sage euch - und merkt euch das gut! -, auch ein römischer Proletarier ist ein Römer. Vor dem Gesetz ist sein Leben genauso heilig wie mein Leben oder euer Leben. Es darf kein Blutbad geben! Wenn ich so etwas auch nur zu ahnen beginne, werde ich in eurer Mitte stehen und mein Schwert gegen die zücken, die ihre Schwerter gezückt haben! Der Senat hat mir Immunität gegeben, eure Erben werden also keinen Denar Wiedergutmachung von mir erhalten, wenn ich euch töte. Ihr werdet nur von zwei Männern Befehle entgegennehmen - von mir und von Lucius Cornelius Sulla hier an meiner Seite. Von keinem anderen kurulischen Beamten. Ich dulde keinen Angriff, bevor nicht Lucius Cornelius oder ich den Befehl dazu geben. Wir werden diese Sache so schonend wie möglich erledigen. Verstanden?«

Mit gespielter Unterwürfigkeit neigte Catulus Caesar den Kopf. »Wir haben verstanden, und wir werden gehorchen, Gaius Marius. Ich habe schon unter dir gedient - ich weiß, daß du meinst, was du sagt.«

»Gut!« sagte Marius freundlich, ohne auf die Ironie einzugehen. Er wandte sich an den zweiten Konsul. »Lucius Valerius, du nimmst dir fünfzig Männer und gehst auf den Quirinal. Wenn Gaius Servilius Glaucia sich im Haus des Gaius Claudius befindet, nimm ihn fest. Wenn er sich widersetzt, bleibst du mit den fünfzig Männern als Wache vor dem Haus stehen. Versucht nicht, in das Haus einzudringen. Und haltet mich auf dem laufenden.«

Am frühen Nachmittag führte Gaius Marius seine kleine Truppe aus dem Feindesland vor dem Tempel der Bellona durch das Carmentalis-Tor in die Stadt. Sie kamen vom Velabrum, folglich tauchten sie aus dem Durchgang zwischen dem Tempel des Kastor und der Basilica Sempronia auf. Die Menschenmenge auf dem unteren Forum war völlig überrumpelt. Saturninus’ Gefolgschaft - inzwischen auf vielleicht viertausend Mann angeschwollen - hatte sich mit allem bewaffnet, was nur halbwegs als Waffe dienen konnte: mit Knüppeln, Prügeln, Stöcken, Messern, Äxten, Pickeln und Mistgabeln. Im Vergleich mit den tausend fähigen und gut ausgerüsteten Kämpfern, die in dichten Reihen auf das Forum marschierten und sich vor der Basilica Sempronia aufbauten, waren sie eine schäbige Bande. Ein Blick auf die Brustharnische, Helme und Schwerter der Ankömmlinge genügte, und die Hälfte von Saturninus’ Anhängern flüchtete Hals über Kopf Richtung Argiletum, die östliche Seite des Forums hinauf in die Gassen auf dem Esquilin, auf sicheren Heimatboden.