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»Solange die Gefühle noch so hohe Wellen schlagen, können wir Saturninus und Equitius nicht vor Gericht stellen«, sagte der Senatsvorsitzende Scaurus zu Marius und Sulla. Sie standen zu dritt auf den Senatstreppen, weit entfernt fielen wild um sich schlagende Männer wie eine Parade kleiner Puppen einer nach dem anderen vom Tarpeischen Felsen ins Nichts.

Marius und Sulla verstanden genau, was Scaurus meinte. Nicht die Menschenmenge auf dem Forum beunruhigte Scaurus, sondern die starken Gefühle, die Wut in seinen Kreisen. Jetzt, wo das Schlimmste vorüber war, wurden viele immer zorniger. Der Haß galt nicht mehr Saturninus’ Anhängern aus dem Pöbel, sondern Saturninus selbst und ganz besonders Lucius Equitius. Die jungen Senatoren und solche, die noch nicht alt genug für dieses Amt waren, standen in einer Gruppe am Rande des Versammlungsplatzes zusammen, in vorderster Reihe der junge Caepio und Metellus das Ferkel. Begierig musterten sie Saturninus und seine Leute auf der rostra.

»Wenn Glaucia aufgibt und sich zu ihnen gesellt, wird es noch schlimmer«, sagte Marius nachdenklich.

»Was für ein schäbiger Haufen!« Scaurus rümpfte die Nase. »Man hätte doch erwarten können, daß wenigstens ein paar von ihnen den ehrenhaften Ausweg wählen und sich in ihre Schwerter stürzen würden! Selbst mein feiger, nichtsnutziger Sohn hat wenigstens das fertiggebracht!«

»Das stimmt«, sagte Marius. »Nun, wir haben jetzt fünfzehn von dieser Sorte - sechzehn, wenn Glaucia herauskommt -, die wir wegen Hochverrat vor Gericht stellen müssen. Und dort drüben stehen ein paar sehr verärgerte Kerle. Sie erinnern mich an ein Rudel Wölfe, das eine Schafherde beäugt.«

»Irgendwo müssen wir Saturninus und seine Genossen für mindestens ein paar Tage unterbringen«, sagte Scaurus. »Bloß wo? Um Roms willen dürfen wir nicht zulassen, daß sie gelyncht werden.«

»Warum nicht?« fragte Sulla. Das war sein erster Beitrag zu diesem Gespräch.

»Das gibt Ärger, Lucius Cornelius. Wir haben ein Blutvergießen auf dem Forum verhindern können, aber die Masse wird in voller Stärke wieder hier erscheinen. Sie wollen sehen, wie der Haufen dort auf der Rednerbühne vor Gericht gestellt wird. Heute lassen sie sich von der Hinrichtung völlig unbedeutender Männer unterhalten, das ist ein Schauspiel für sie. Aber wie können wir sicher sein, daß sie nicht sehr böse werden, wenn wir Lucius Equitius anklagen, zum Beispiel?« fragte Marius nüchtern. »Die Lage ist äußerst verzwickt.«

»Warum konnten sie sich nicht in ihre Schwerter stürzen?« fragte Scaurus sorgenvoll. »Denkt nur, wieviel Ärger sie uns erspart hätten! Selbstmord, das Eingeständnis ihrer Schuld, keine Prozesse, keine Galgen in den Verliesen des Tullianum - es wäre zu gewagt, diese Leute vom Tarpeischen Felsen zu stoßen!«

Sulla stand dabei und hörte zu. Er behielt jedes Wort, obwohl seine Augen gleichzeitig nachdenklich auf dem jungen Caepio und Metellus dem Ferkel ruhten. Aber er sagte kein Wort.

»Nun, um den Prozeß kümmern wir uns, wenn es soweit ist«, sagte Marius. »Inzwischen müssen wir einen sicheren Ort finden, wo wir sie unterbringen können.«

»Die Lautumiae kommen nicht in Frage«, sagte Scaurus sofort. »Der Pöbel könnte aus irgendeinem Grund - oder weil jemand sie angestiftet hat - beschließen, sie zu befreien. Die Zellen dort würden einem solchen Angriff niemals standhalten, selbst wenn alle unsere Liktoren dort Wache stünden. Wegen Saturninus mache ich mir keine Sorgen, aber dieser gräßliche Equitius ist ein Problem. Da muß nur eine dumme Frau anfangen zu jammern und zu klagen, weil der Sohn von Tiberius Gracchus sterben soll, und schon sind wir in Schwierigkeiten.« Er stöhnte. »Und als hätten wir damit nicht genug zu tun - schaut euch die jungen Spunde dort drüben an, wie sie geifern. Am liebsten würden sie Saturninus eigenhändig lynchen.«

»Dann schlage ich vor«, sagte Marius fröhlich, »daß wir Saturninus und seine Bande in der curia hostilia einsperren.«

Der Senatsvorsitzende Scaurus starrte ihn mit offenem Mund an. »Das können wir nicht machen, Gaius Marius!«

»Warum nicht?«

»Verräter im Senatsgebäude einsperren? Das ist - ja, das ist - ja, als brächten wir unseren alten Götter ein Opfer aus Scheiße dar!«

»Sie haben schon den Tempel des Jupiter Optimus Maximus entweiht. Alles, was mit unserer Staatsreligion zu tun hat, muß ohnehin gereinigt werden. Die Curia hat keine Fenster und die besten Türen in ganz Rom. Die andere Möglichkeit wäre, daß wir freiwillig jeweils einen von ihnen in unseren Villen unterbringen - möchtest du Saturninus übernehmen? Nimm ihn, ich nehme Equitius. Quintus Lutatius sollte Glaucia kriegen, schlage ich vor.« Marius grinste.

»Die curia hostilia, das ist eine glänzende Idee«, sagte Sulla und betrachtete weiter nachdenklich den jungen Caepio und Metellus das Ferkel.

Scaurus schüttelte sich angewidert, dann nickte er entschlossen. »Du hast recht, Gaius Marius. Ich fürchte, wir müssen die curia hostilia nehmen.«

»Gut!« sagte Marius. Er klopfte Sulla auf die Schulter, zum Zeichen, daß er gehen solle. Mit einem furchtbar schiefen Lächeln fügte er hinzu: »Ich kümmere mich um die Einzelheiten, Marcus Aemilius. Du kannst inzwischen deinen Freunden, den boni, erklären, warum wir unser hochverehrtes Senatsgebäude als Gefängnis benützen müssen.«

»Welche Ehre, ich danke dir!« sagte Scaurus.

»Nichts zu danken.«

Als alle, auf die es ankam, außer Hörweite waren, blickte Marius Sulla neugierig an. »Was hast du vor?« fragte er.

»Ich weiß nicht, ob ich dich einweihen soll«, sagte Sulla.

»Sei vorsichtig, bitte. Ich möchte nicht, daß du wegen Verrat vor Gericht gezerrt wirst.«

»Ich bin vorsichtig, Gaius Marius.«

Am achten Tag des Dezember hatten Saturninus und seine Mitstreiter aufgegeben, am neunten berief Gaius Marius erneut die Versammlung der Zenturien ein, und die Kandidaten für die kurulischen Ämter stellten sich vor.

Lucius Cornelius Sulla bemühte sich nicht auf die Saepta hinaus, er war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt. Unter anderem führte er lange Gespräche mit dem jungen Caepio und Metellus dem Ferkel, und er stattete Aurelia einen kurzen Besuch ab, obwohl er von Publius Rutilius Rufus gehört hatte, daß bei ihr alles in Ordnung war und daß Lucius Decumius seine Brüder aus der Taverne vom Forum Romanum ferngehalten hatte.

Am zehnten Tag des Monats sollten die neuen Volkstribunen ihre Ämter antreten, doch zwei von ihnen, Saturninus und Equitius, waren in der curia hostilia eingesperrt. Alle fürchteten, daß die Menschenmassen wieder auftauchen könnten, denn die Vorgänge um die Volkstribunen schienen sie am meisten zu interessieren.