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Marius erlaubte zwar nicht, daß seine kleine Armee in voller Kriegsrüstung auf dem Forum Romanum erschien, aber er ließ die Basilica Porcia für die normalen Besucher, Händler und Bankiers, sperren und Waffen und Rüstungen dort lagern. Im untersten Stock, an der Seite, die an das Senatsgebäude grenzte, lagen die Amtsräume der Volkstribunen, und dort sollten sich im Morgengrauen die acht Tribunen versammeln, die nichts mit Saturninus’ Machenschaften zu tun hatten. Die konstituierende Sitzung der Volksversammlung sollte so schnell wie möglich über die Bühne gebracht werden, über die beiden fehlenden Mitglieder sollte kein Wort verloren werden.

Doch noch bevor der Morgen graute - das Forum lag menschenleer da - führten der junge Caepio und Metellus, das fromme Ferkel, ihre Truppe durch das Argiletum auf die curia hostilia zu. Sie hatten den längeren Weg gewählt, weil sie sichergehen wollten, daß keine Wache sie überraschte. Als sie die Curia umstellten, war weit und breit niemand zu sehen.

Sie hatten lange Leitern mitgebracht, die bis an die uralten, fächerartig geformten Ziegel des bröckeligen, mit Flechten überzogenen Dachvorsprungs heranreichten.

»Denkt daran«, ermahnte der junge Caepio seine Truppe, »keiner zückt sein Schwert, hat Lucius Cornelius gesagt. Wir halten uns wortwörtlich an die Befehle von Gaius Marius.«

Einer nach dem anderen kletterten sie die Leitern hinauf, bis sämtliche fünfzig Mann nebeneinander am Rand des Daches kauerten. Das Dach war ziemlich flach, so war es kein allzu unbequemer Platz. Dort hockten sie in der Dunkelheit wie die Hühner auf der Stange und warteten, bis das fahle Licht im Osten von Taubengrau in glänzendes Gold überging und die ersten Sonnenstrahlen vom Esquilin her auf das Dach des Senatsgebäudes krochen und es wärmten. Ein paar Menschen bewegten sich jetzt in den Straßen, aber Caepios Männer hatten die Leitern auf das Dach der Curia gezogen, und so bemerkte niemand etwas Besonderes, weil niemand nach oben schaute.

Und dann gab der junge Caepio das Signal. »Los!« schrie er.

Im Wettlauf mit der Zeit - Lucius Cornelius hatte ihnen eingeschärft, daß es schnell gehen müsse - rissen sie die Ziegel von den Latten aus Eichenholz, die sehr viel massivere Balken aus Zedernholz verbanden. Licht fiel in die Halle unter ihnen, fünfzehn weiße Gesichter starrten eher überrascht als erschreckt zu ihnen herauf. Sobald jeder Mann auf dem Dach einen Haufen Ziegel neben sich hatte, begannen sie, diese Wurfgeschosse durch die Löcher zu schleudern, direkt in die Gesichter. Saturninus ging sofort zu Boden, ebenso Lucius Equitius. Einige Gefangene suchten in den entlegensten Winkeln der Halle Schutz, aber die jungen Männer auf dem Dach hatten schnell zielen gelernt, und mit großer Genauigkeit warfen sie die Ziegel in alle Richtungen. In der Halle gab es keinerlei Mobiliar; die Senatoren brachten ihre eigenen Stühle mit, die Helfer holten ein oder zwei Tische aus den Büroräumen des Senats im angrenzenden Haus am Argiletum. So konnten sich die Gefangenen gegen die Wurfgeschosse nicht schützen, die viel wirksamere Waffen waren, als Sulla geglaubt hatte. Die Ziegel zerbrachen beim Aufprall, die Kanten der Bruchstücke waren messerscharf. Jeder Ziegel wog zehn Pfund.

Als Marius und seine Getreuen - unter ihnen auch Sulla - eintrafen, war alles vorüber. Die Männer kletterten die Leitern hinunter. Dort standen sie ruhig, keiner versuchte zu fliehen.

»Soll ich sie verhaften, Marius?« fragte Sulla.

Marius zuckte zusammen, so tief war er in Gedanken versunken gewesen, als Sullas Frage zu ihm durchdrang. »Nein!« sagte er. »Sie werden nicht fliehen.« Er warf Sulla einen Blick zu, einen verstohlenen, fragenden Seitenblick. Ein Augenzwinkern war ihm Antwort genug.

»Öffnet die Türen«, befahl Marius seinen Liktoren.

Drinnen warf die Morgensonne ihre Strahlen durch aufgewirbelten Staub, der sich langsam setzte. Überall lagen Scherben von Dachziegeln herum, überzogen mit grünen Flechten, die Kanten leuchteten in einem kräftigen Rostrot, fast die Farbe von Blut. Fünfzehn Körper lagen eng zusammengekrümmt, manche mit völlig verrenkten Armen und Beinen, unter den Scherben.

»Du und ich, Senatsvorsitzender«, sagte Marius, »sonst niemand.«

Sie betraten gemeinsam die Halle, bahnten sich ihren Weg von Körper zu Körper und suchten nach Lebenszeichen. Saturninus war so schnell und so hart getroffen worden, daß er nicht einmal Zeit gehabt hatte, die Hände schützend vor das Gesicht zu schlagen. Sein Gesicht lag unter einem Berg von Ziegeln begraben, die blicklosen Augen starrten zum Himmel, die schwarzen Wimpern waren mit dem Staub der Ziegel verklebt. Scaurus beugte sich nieder, um ihm die Augen zu schließen, und zuckte erschreckt zurück. Auf den ausgetrockneten Augäpfeln lag so viel Staub, daß sich die Lider nicht schließen ließen. Lucius Equitius hatte es noch schlimmer getroffen. Kaum eine Stelle seines Körpers, die nicht von einem Dachziegel verletzt war, überall Schnitte und Beulen. Es dauerte lange, bis Marius und Scaurus ihn mit den Händen freigeschaufelt hatten. Saufeius, der in eine der Ecken gerannt war, war von einer Scherbe getötet worden. Offensichtlich war sie vom Boden abgesprungen und hatte sich wie eine große Speerspitze in seinen Hals gebohrt, sein Kopf war fast abgetrennt. Titus Labienus war von einem ganzen Ziegel in der Lendenwirbelsäule getroffen worden. Unterhalb der Stelle, wo seine Wirbelsäule gebrochen war, hatte er nichts mehr gespürt, als er zu Boden ging.

Marius und Scaurus berieten sich.

»Was soll ich mit diesen Dummköpfen dort draußen tun?« fragte Marius.

»Was kannst du tun?«

Marius zog die rechte Hälfte der Oberlippe hoch. »Ach, komm, Senatsvorsitzender! Nimm einen Teil der Last auf deine knochigen, alten Schultern! Du wirst mir nicht von hier verschwinden, das verspreche ich dir. Entweder du unterstützt mich - oder du kannst dich auf einen Kampf einstellen. Was hier geschehen ist, wird im Vergleich dazu dann wie das Bona-Dea-Fest der Frauen aussehen!«

»Schon gut, schon gut«, sagte Scaurus gereizt. »Ich wollte damit nicht sagen, daß ich nicht hinter dir stehe, wenn du schon alles so genau nimmst! Ich wollte doch nur fragen, was du in dieser Situation tun kannst.«

»Das Senatus consultum ermächtigt mich zu tun, was ich für richtig halte. Ich kann jeden einzelnen der mutigen, kleinen Truppe dort draußen verhaften lassen oder sie nach Hause schicken, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Was hältst du für angebracht?«

»Mir schiene es angebracht, sie alle nach Hause zu schicken. Korrekterweise müßte man sie allerdings verhaften und des Mordes an römischen Mitbürgern anklagen. Die Gefangenen waren noch nicht verurteilt und deshalb immer noch römische Bürger, als sie getötet wurden.«

Marius zog die bewegliche Augenbraue nach oben. »Wie soll ich also vorgehen, Senatsvorsitzender? Soll ich tun, was angebracht scheint oder was richtig wäre?«

Scaurus zuckte die Schultern. »Tu, was uns angebracht scheint, Gaius Marius. Das weißt du genausogut wie ich. Sonst treibst du einen Keil so tief in das Herz von Rom, daß die ganze Welt zusammen mit unserer Stadt daran zugrunde gehen könnte.«

Sie traten gemeinsam hinaus und blieben auf den Senatstreppen stehen. Die Gesichter in ihrer unmittelbaren Nähe konnten sie sehen, dahinter standen ein paar Dutzend Menschen, das Forum Romanum lag menschenleer, sauber und verschlafen in der Morgensonne.

»Hiermit verkünde ich eine Generalamnestie!« schrie Gaius Marius, so laut er konnte. »Geht nach Hause, ihr jungen Männer«, sagte er zu dem jungen Caepio und seinen Männern. »Ihr seid wie alle anderen von der Strafverfolgung befreit.« Dann wandte er sich wieder der größeren Gruppe seiner Zuhörer zu. »Wo sind die Volkstribunen? - Sie sind hier? Gut! Dann beruft eure Versammlung ein, heute ist die große Masse nicht hier. Als erstes müssen zwei weitere Volkstribunen gewählt werden. Lucius Appuleius Saturninus und Lucius Equitius sind tot. Du, oberster Liktor, hole deine Kameraden und die Staatssklaven, ihr räumt in der curia hostilia auf. Übergebt die Leichen den Angehörigen, damit sie anständig begraben werden können. Sie waren für ihre Verbrechen nicht verurteilt, deshalb sind sie immer noch römische Bürger von vornehmer Abkunft.«