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Dabei hatte am Anfang alles ganz einfach ausgesehen. Jugurthas Großvater war der große Massinissa, der aus den Trümmern des von den Römern im Punischen Krieg zerstörten Karthago das Königreich Numidien geschaffen hatte. Die Römer hatten das zunächst geduldet, waren aber unruhig geworden, als Massinissas Macht immer weiter wuchs und ein neues Karthago zu entstehen schien. Für Numidien war es ein Glück, daß Massinissa rechtzeitig starb, denn nach seinem Tod teilte Scipio Aemilianus die Macht in Numidien unter Massinissas drei Söhnen auf, wie der König es in seinem Testament verfügt hatte. Scipio Aemilianus griff dabei allerdings zu einer List: Er teilte nicht das Land auf, sondern die königlichen Pflichten. Den ältesten Sohn machte er zum Verwalter der Finanzen und der Paläste, den mittleren zum Feldherrn des numidischen Heeres und den jüngsten zum obersten Richter. So hatte der Sohn, der das Heer befehligte, für einen Aufstand kein Geld, der Sohn, der das Geld hatte, kein Heer, und der Sohn, der das Gesetz hütete, weder Geld noch Soldaten.

Bevor Rivalität und Streitereien doch noch einen Aufstand herbeiführen konnten, starben die beiden jüngeren Söhne, und der älteste, Micipsa, wurde Alleinherrscher. Seine verstorbenen Brüder hatten jedoch Kinder hinterlassen: zwei rechtmäßige Söhne und einen Bastard namens Jugurtha. Einer dieser jungen Männer würde Micipsa nach dessen Tod auf den Thron folgen. Aber welcher? Doch dann zeugte der bisher kinderlose Micipsa in fortgeschrittenem Alter zwei eigene Söhne, Adherbal und Hiempsal. Der Kampf um die Krone wurde zusätzlich dadurch angeheizt, daß die potentiellen Thronfolger in der falschen Reihenfolge geboren worden waren. Jugurtha, der Bastard, war der älteste, die Söhne des regierenden Königs waren noch Säuglinge.

Massinissa hatte seinen Enkel Jugurtha verachtet, allerdings weniger deshalb, weil er ein Bastard war, sondern vielmehr, weil seine Mutter von den geringsten seiner Untertanen abstammte - sie war ein nomadisches Berbermädchen. Micipsa erbte von seinem Vater die Abneigung gegen Jugurtha, und als er sah, daß dieser zu einem gutaussehenden, intelligenten Mann heranwuchs, suchte er Mittel und Wege, den Hauptrivalen um die Thronfolge aus dem Weg zu räumen. Als Scipio Aemilianus von Numidien militärische Unterstützung bei der Belagerung Numantias anforderte, stellte Micipsa die numidischen Truppen unter den Befehl Jugurthas, in der Hoffnung, daß Jugurtha in Spanien fallen würde.

Doch es kam anders. Jugurtha war der geborene Soldat, und außerdem freundete er sich schnell mit den Römern an, besonders mit zwei jungen Militärtribunen aus dem Stab des Scipio Aemilianus, Gaius Marius und Publius Rutilius Rufus. Die drei Männer waren gleich alt, dreiundzwanzig. Am Ende des Feldzuges hatte Jugurtha überdies eine wichtige Einsicht gewonnen: Alle Römer, die ein hohes politisches Amt anstrebten, litten unter chronischem Geldmangel. Mit anderen Worten, sie waren käuflich.

Zurück in Numidien, übergab Jugurtha König Micipsa einen Brief des Scipio Aemilianus, in dem dieser Jugurthas Tapferkeit, Vernunft und überragende Intelligenz so überschwenglich lobte, daß Micipsa seine Ablehnung aufgeben mußte. Etwa zur selben Zeit, als Gaius Sempronius Gracchus im Hain der Furrina starb, entschloß sich Micipsa, Jugurtha offiziell als Sohn anzunehmen und ihn zum ersten Anwärter auf den Thron zu bestimmen. Er machte jedoch zur Bedingung, daß Jugurtha niemals König werden dürfe, sondern lediglich die Vormundschaft über die beiden legitimen Söhne Micipsas übernehmen solle.

Unmittelbar darauf starb König Micipsa und hinterließ zwei minderjährige Thronerben und Jugurtha als Regenten. Innerhalb eines Jahres wurde der jüngere der beiden Brüder, Hiempsal, auf Jugurthas Veranlassung ermordet. Der ältere, Adherbal, entkam Jugurthas Häschern und floh nach Rom. Dort trat er vor den Senat und verlangte, Rom solle in Numidien Ordnung schaffen und Jugurtha entmachten.

»Warum fürchten wir die Römer so sehr?« fragte Jugurtha und richtete seine Gedanken wieder auf die Gegenwart. Der Regen legte einen weichen Schleier über Exerzierplätze und Gärten, das andere Ufer des Tiber war im Nebel verschwunden.

Auf der Loggia befanden sich ungefähr zwanzig Männer, mit einer Ausnahme alles Leibwächter. Sie waren keine angeworbenen Gladiatoren, sondern Jugurthas eigene Leute aus Numidien - dieselben, die ihm vor sieben Jahren den Kopf des jungen Prinzen Hiempsal gebracht hatten und fünf Jahre später den Kopf des Prinzen Adherbal.

Die Ausnahme war ein semitisch aussehender Mann, ungefähr so groß wie Jugurtha - an ihn hatte Jugurtha seine Frage gerichtet. Der Mann saß neben dem König auf einem bequemen Stuhl. Ein Außenstehender mochte die beiden für Verwandte halten, was sie auch tatsächlich waren, wenngleich der König es vorzog, nicht daran zu denken. Der Begleiter des Königs an diesem häßlichen Neujahrstag war sein Halbbruder, Sohn eines Höflings, mit dem Jugurthas unglückliche Mutter verheiratet worden war. Er hieß Bomilkar und war seinem König treu ergeben.

»Warum fürchten wir sie?« wiederholte Jugurtha, und es klang drängend, fast verzweifelt.

Bomilkar seufzte. »Ganz einfach. Was ist das: Es trägt einen Helm aus Stahl, der ein bißchen aussieht wie ein umgestülpter Blumentopf, eine rotbraune Tunika und darüber ein langes Kettenhemd, ferner ein lächerlich kleines, kurzes Schwert, fast wie ein Dolch, und ein oder zwei Speere mit kleinen Spitzen? Ja? Nein, kein Söldner. Auch kein Bettler. Ein römischer Infanterist.«

Jugurtha brummte und schüttelte den Kopf. »Das ist nur die halbe Antwort. Auch römische Soldaten sind sterblich.«

»Aber sie sterben nur sehr schwer.«

»Nein, es muß noch etwas anderes sein. Ich verstehe es einfach nicht! Du kannst sie kaufen wie Brot beim Bäcker, und man sollte meinen, daß sie innen auch so weich wie Brot sind. Aber das sind sie nicht.«

»Du meinst ihre Anführer?«

»Ja, ihre Anführer. Die ehrwürdigen patres conscripti des Senats. Sie sind durch und durch korrupt! Sie müßten schon völlig verdorben sein. Wachsweich und hohl. Aber das sind sie nicht. Sie sind hart wie Granit, kalt wie Eis und verschlagen wie ein parthischer Satrap. Sie geben niemals auf. Kaum hat man sich einen gefügig gemacht, taucht schon der nächste auf, und man muß wieder von vorn anfangen.«

»Ganz zu schweigen davon, daß man manchmal auch einen braucht, den man nicht kaufen kann - nicht, weil er nicht käuflich wäre, sondern weil sein Preis zu hoch ist.« Bomilkar schüttelte nachdenklich den Kopf.

»Ich hasse sie alle«, stieß Jugurtha verbittert hervor.

»Ich auch, aber damit ist uns nicht geholfen.«

»Numidien gehört mir!« rief der König. »Sie wollen das Land ja gar nicht. Sie wollen sich nur einmischen. Stören!«

Bomilkar hob die Arme. »Mich darfst du nicht fragen, Jugurtha, ich weiß keine Antwort. Ich weiß nur, daß du jetzt hier in Rom bist und daß allein die Götter wissen, was dabei herauskommen soll.«

Da hat er allerdings recht, dachte der König von Numidien und versank wieder in seinen Erinnerungen.

Als der junge Adherbal vor sechs Jahren nach Rom geflohen war, hatte Jugurtha sofort gewußt, was er tun mußte. Er hatte eine Gesandtschaft nach Rom geschickt, beladen mit Gold, Silber, Edelsteinen, Kunstwerken und was sonst noch das Herz eines römischen Patriziers höher schlagen lassen mochte. Interessant, daß man die Römer nicht mit Frauen oder Knaben bestechen konnte. Nur mit handfesten Dingen. Das Ergebnis seiner diplomatischen Bemühungen war den Umständen entsprechend einigermaßen befriedigend ausgefallen.