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Richard dämmerte, dass dies eine Gegend ganz ähnlich der Wildnis in den Midlands sein musste. »Die Große Barriere?«, hakte Cara sofort misstrauisch nach.

Julian sah hoch zu der Mord-Sith. »Die Große Barriere, die uns vor der Alten Welt schützt.«

»Demnach müsste dieser Ort im Süden D’Haras liegen«, erklärte sie an Richard gewandt. »Und aus demselben Grund habe ich als Kind auch häufiger Geschichten über Caska gehört – weil es in D’Hara liegt.«

Jillian streckte die Hand aus. »Hier, an diesem Ort, haben meine Vorfahren gelebt. Sie sind damals, vor langer Zeit, von den Eindringlingen aus der Alten Welt ausgelöscht worden. Sie waren auch Menschen, die Träume übertragen konnten.«

»Hast du je den Begriff ›Feuerkette‹ gehört?«

Auf Julians Stirn erschien eine tiefe Furche. »Nein. Was soll das denn sein?«

»Eben das weiß ich ja nicht.« Er tippte seinen Finger gegen die Unterlippe, während er darüber nachdachte, wie er weiter vorgehen sollte.

»Richard«, unterbrach Jillian seine Gedanken, »Ihr müsst mir helfen, die Träume zu übertragen, die diese Männer vertreiben werden, damit mein Volk wieder in Sicherheit leben kann.«

Richard schaute hoch zu Nicci. »Irgendeine Idee, wie sich das bewerkstelligen ließe?«

»Nein. Aber eins garantiere ich dir, früher oder später werden die anderen kommen und nach diesen drei toten Kundschaftern suchen, das sind keine typischen Soldaten der Imperialen Ordnung. Auch wenn es brutale Rohlinge sein mögen, so gehören sie gewiss zu den Intelligentesten unter ihnen. Außerdem könnte ich mir vorstellen, dass diese Übertragung von Träumen etwas ist, wozu deine Gabe nötig wäre ... und die hier zu gebrauchen wäre alles andere als ratsam«, setzte sie hinzu.

Richard erhob sich und starrte hinüber zu der in Dunkelheit gehüllten, auf der Landzunge liegenden Stadt. »Suche das, was lange begraben ist...«, murmelte er leise bei sich. Er wandte sich wieder herum zu Jillian. »Du sagtest, du seist eine Priesterin der Gebeine. Du musst mir alles zeigen, was du über diese Gebeine weißt.«

Jillian schüttelte den Kopf. »Zuerst müsst Ihr mir helfen, die Träume zu übertragen, damit ich die Fremden verjagen kann und mein Großvater und die anderen aus unserem Volk wieder in Sicherheit sind.«

Richard stieß einen verzweifelten Seufzer aus. »Schau, Julian, ich habe nicht den leisesten Schimmer, wie ich dir helfen soll, irgendwelche Träume zu übertragen, außerdem fehlt mir die Zeit zu überlegen wie das gehen soll, aber ich könnte mir denken, dass es, wie Nicci sagte, irgendetwas mit Magie zu tun hat, und die kann ich auf keinen Fall anwenden, denn es wäre sehr gut möglich, dass dadurch eine Bestie herbeigerufen würde, die imstande wäre, dein ganzes Volk zu vernichten. Die Bestie hat schon viele meiner Freunde umgebracht, nur weil sie sich zufällig in meiner Nähe befanden. Du musst mir zeigen, was du über das weißt, was lange begraben liegt.«

Julian wischte sich ihr tränenverschmiertes Gesicht ab. »Diese Männer haben meinen Großvater und einige andere in ihrer Gewalt. Sie werden ihn bestimmt töten, ihn müsst Ihr also zuerst retten. Außerdem ist er ein Erzähler. Er weiß viel mehr als ich.«

Richard, der sich nicht vorzustellen vermochte, wie ihm zumute wäre, wenn sich jemand, den er für übermächtig hielt, weigern würde, ihm bei der Rettung seines Großvaters zu helfen, legte ihr eine Hand auf die Schulter, um sie zu beschwichtigen.

Dann hatte Nicci eine Idee. »Ich bin eine Hexenmeisterin, Julian. Ich weiß so ziemlich alles über diese Männer und ihre Methoden. Ich weiß, wie man mit ihnen umspringen muss. Du wirst jetzt erst einmal Richard helfen, und während du das tust, werde ich dort hinuntergehen und dafür sorgen, dass wir diese Männer loswerden. Wenn ich damit fertig bin, können sie dir und deinem Volk nicht mehr gefährlich werden.«

»Wenn ich Richard helfe, werdet Ihr meinem Großvater helfen?« Nicci lächelte. »Versprochen.« Julian schaute hoch zu Richard.

»Nicci wird ihr Wort halten«, beantwortete er ihre unausgesprochene Frage. »Also gut. Ich werde Richard alles zeigen, was ich über diesen Ort weiß, solange Ihr nur diese Männer dazu bringt, uns in Ruhe zu lassen.«

»Cara«, sagte Richard, »Ihr werdet Nicci begleiten und ihr den Rücken freihalten.«

»Und wer hält Euren frei?«

Richard stemmte seinen Stiefel auf den Kopf des Mannes, den er getötet hatte, und riss mit einem kräftigen Ruck sein Messer heraus. »Das wird Lokey übernehmen.«

Cara schien nicht eben begeistert. »Ein Rabe soll Euch den Rücken freihalten?«

Er wischte die Klinge am Hemd des Mannes ab, dann schob er das Messer wieder zurück in die Scheide an seinem Gürtel. »Die Priesterin der Knochen wird auf mich aufpassen, schließlich hat sie die ganze Zeit hier ausgeharrt und darauf gewartet, dass ich komme. Nicci ist weitaus gefährdeter als ich, deshalb wüsste ich es sehr zu schätzen, wenn Ihr ein Auge auf sie haben könntet.«

Cara sah zu Nicci hinüber, als würde ihr in diesem Moment der größere Zusammenhang klar. »Wenn Ihr es verlangt, werde ich sie beschützen, Lord Rahl.«

61

Während Nicci und Cara sich anschickten, zu der Stelle hinunterzusteigen, wo sich nach Julians Aussage die übrigen Kundschafter der Imperialen Ordnung befanden, kletterte Richard noch einmal zurück in seine Grabkammer, um die kleinste der Glaskugeln zu holen. Diese verstaute er in seinem Bündel, damit sie sein nächtliches Sehvermögen nicht beeinträchtigte, aber griffbereit wäre, sobald sie gezwungen waren, eines der Gebäude der verlassenen Stadt zu betreten. Die Aussicht, im Dunkeln halb verfallene alte Gemäuer zu durchstöbern, gefiel ihm ganz und gar nicht.

Julian dagegen bewegte sich wie eine Katze, die mit jedem Winkel, jedem Versteck in der alten Stadt auf der Landzunge vertraut war. Sie kamen durch Straßen, die unter dem Geröll und Schutt längst eingestürzter Mauern fast vollständig verschwunden waren. An manchen Stellen hatten sich Staub und Sand zwischen den Trümmerbergen angesammelt und mit der Zeit sämtliche Hohlräume ausgefüllt, sodass zwischen den Überresten der Gebäude kleine Hügel entstanden waren, auf denen jetzt Bäume wuchsen. Es gab eine ganze Reihe von Gebäuden, die zu betreten Richard sich weigerte, weil nicht abzusehen war, ob sie nicht schon beim nächsten Umschlagen des Windes in sich zusammenfallen würden. Andere wiederum waren in verhältnismäßig gutem Zustand. Eines der größeren Gebäude, zu dem Julian ihn führte, hatte eine von Rundbogen unterbrochene Fassade, die einst wahrscheinlich Fenster enthalten oder möglicherweise einen offenen Durchgang in ein Geviert gebildet hatten, das eine Art Innenhof zu sein schien.

»Dies ist das Eingangsgebäude zu einem Teil des Friedhofs«, erklärte Julian. Die Stirn in Falten gelegt, beugte sich Richard ein Stück vor, um das Bild zu betrachten. Irgendetwas daran war merkwürdig. Das Mondlicht fiel auf einige Figuren des Mosaiks, die Servierteller voller Brotlaibe und Fleischspeisen auf den Friedhof trugen, während andere offenbar mit leeren Tellern von dort zurückkehrten. Als er einen entsetzlichen Schrei aus der Ferne zu ihnen heraufwehen hörte, richtete er sich auf. Wie angewurzelt standen er und Julian und lauschten. Die kühle Nachtluft trug noch weitere dieser fernen, schwachen Klagelaute heran.

»Was war das?«, fragte Julian im Flüsterton, die kupferfarbenen Augen weit aufgerissen. »Ich denke, Nicci ist im Begriff, sich der Eindringlinge zu entledigen. Sobald sie damit fertig ist, werdet ihr alle wieder in Sicherheit sein.«

»Ihr meint, sie tut ihnen etwas an?«

Es war unschwer zu erkennen, dass ein derartiger Gedanke dem Mädchen vollkommen fremd war. »Diese Männer sind bereit, deinem Volk schlimmstes Leid zuzufügen – deinen Großvater eingeschlossen. Verschont man sie, werden sie eines Tages wiederkommen und dann dein Volk umbringen.«