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Tovis schwerer Körper lag auf dem Rücken, sie hatte sichtlich Mühe, Luft zu bekommen. Beherzt ließ Nicci sich auf einem Armeehocker neben ihr nieder. Tovi bekam kaum mit, dass sich jemand neben sie setzte. Nicci legte ihr eine Hand aufs Handgelenk und ließ einen feinen Strahl ihrer Magie in sie hineinströmen, um ihr ein wenig Erleichterung zu verschaffen. Sofort registrierte Tovi diese von der Gabe inspirierte Hilfe und wandte den Kopf herum. Erstaunt weiteten sich ihre Augen, ihr Atem beschleunigte. Doch dann keuchte sie plötzlich auf vor Schmerzen und griff sich an den Unterleib. Nicci verstärkte ihren Energiestrom, bis Tovi sich mit einem erleichterten Seufzer wieder zurücksinken ließ. »Was führt dich hierher, Nicci? Was in aller Welt tust du hier?« »Seit wann kümmert dich das? Schwester Ulicia und ihr Übrigen habt mich einfach in Jagangs Gewalt zurückgelassen, als seine Leibsklavin, als Gefangene dieses Schweins.« »Aber offenbar bist du entkommen.«

»Entkommen? Schwester Tovi, hast du den Verstand verloren? Niemand konnte dem Traumwandler je entkommen – niemand außer euch fünfen.«

»Vier. Schwester Merissa ist tot.« »Wie das?«

»Das dumme Miststück hat versucht, ihr eigenes Spiel mit Richard Rahl zu spielen. Du wirst dich erinnern, wie sehr sie ihn gehasst hat –in seinem Blut baden wollte sie.« »Ja, ich erinnere mich.« »Schwester Nicci, was tust du hier?«

»Ihr habt mich bei Jagang zurückgelassen.« Nicci beugte sich vor, damit Tovi das wütende Funkeln in ihren Augen sehen konnte. »Du ahnst nicht, was ich alles über mich ergehen lassen musste. Seit jener Zeit bin ich auf einer langfristigen Mission im Namen Seiner Exzellenz. Er braucht halt immer wieder Informationen und weiß, dass ich sie ihm beschaffen kann.«

Ein unschönes Lächeln ging über Tovis Gesicht. »Er zwingt dich, für ihn herumzuhuren, damit du in Erfahrung bringst, was er wissen will?«

Nicci antwortete nicht auf die Frage und überließ es ihr stattdessen, sie sich selbst zu beantworten. »Mir ist zufällig etwas über ein törichtes Weib zu Ohren gekommen, dem es gelungen ist, sich im selben Augenblick, als sie beraubt werden sollte, auch noch mit einem Schwert durchbohren zu lassen. Irgendetwas an ihrer Beschreibung hat mich zu dem Entschluss bewogen, hierher zu kommen und mich persönlich davon zu überzeugen, dass es womöglich sogar du sein könntest.«

Tovi nickte matt. »Ich fürchte, es steht ziemlich schlecht um mich.«

»Ich hoffe, du hast Schmerzen. Ich bin hier, um dafür zu sorgen, dass du eines langsamen, qualvollen Todes stirbst. Ich will dich leiden sehen für das, was du mir angetan hast – mich in der Gewalt Jagangs zurückzulassen, während ihr anderen geflohen seid, ohne mir auch nur zu erklären, wie es geht.«

»Das war nicht zu ändern. Uns bot sich eine Gelegenheit, und die mussten wir beim Schopf ergreifen, das ist alles.« Ein verschlagenes Grinsen breitete sich über ihr Gesicht. »Aber du kannst dich auch von Jagang befreien.«

Nicci hakte sofort nach. »Wie – wie kann ich mich befreien?«

»Heile mich, und ich verrate es dir.«

»Will heißen, ich soll dich heilen, damit du mich wie schon einmal verraten kannst. So nicht, Tovi. Entweder erzählst du mir alles, oder ich werde genau auf diesem Platz sitzen bleiben und genüsslich zuschauen, wie du nach einem langen Leidensweg für alle Ewigkeit in den Armen des Hüters landest. Vielleicht flöße ich dir sogar ein wenig Magie ein, gerade genug, um dich noch ein Weilchen am Leben zu lassen.«

Tovi krallte ihre Hand in Niccis Kleid. »Bitte, Schwester, hilf mir. Die Schmerzen sind unerträglich.«

»Rede, Schwester.«

Sie löste den Griff in Niccis Kleid und ließ ihr Gesicht zur Seite rollen, von ihr fort. »Es sind die Bande zu Lord Rahl. Wir haben ihm einen ewigen Bund geschworen.«

»Wenn du mich für so dämlich hältst, Schwester Tovi, werde ich dich leiden lassen, dass du diesen Gedanken bis in den Tod bereust.«

Sie wälzte den Kopf herum und schaute Nicci an. »Nein, es ist wahr.«

»Wie kann man jemandem einen ewigen Bund schwören, den man vernichten will?«

Wieder ging ein boshaftes Grinsen über Tovis Gesicht. »Schwester Ulicia ist auf die Idee gekommen. Wir schworen ihm einen ewigen Bund, aber nicht, ohne ihn zu zwingen, uns gehen zu lassen, ehe er uns auf die Einhaltung einer ganzen Liste seiner Befehle verpflichten konnte.«

»Deine Geschichte wird immer abwegiger.«

Nicci zog ihre Hand von Tovis Arm zurück, und mit ihm den feinen magischen Strahl, der ihr Erleichterung verschaffte. Dann stand sie auf. Tovi stöhnte auf vor Schmerzen. »Bitte, Schwester Nicci, es ist wahr.« Sie ergriff Niccis Hand. »Dafür, dass er uns gehen ließ, haben wir ihm etwas gegeben, das er unbedingt haben wollte.«

»Was könnte Lord Rahl schon so sehr wollen, dass er einer Schar von Schwestern der Finsternis die Freiheit schenkt? Das ist das Verrückteste, was ich je gehört habe.«

»Eine Frau.«

»Was?«

»Er verlangte eine Frau.«

»Als Lord Rahl kann er sich jede Frau nehmen, nach der es ihn gelüstet. Er braucht sie sich nur auszusuchen und in sein Bett bringen zu lassen, es sei denn, sie zieht stattdessen den Henkersblock vor, und das tut niemand. Er ist wohl kaum darauf angewiesen, dass die Schwestern der Finsternis ihm Frauen in sein Bett schleifen.«

»Nein, nein, nicht diese Art Frauen. Eine Frau, die er liebte.«

»Das reicht.« Nicci stieß ein ärgerliches Schnauben aus. »Leb wohl, Schwester Tovi. Und vergiss nicht, dem Hüter des Totenreichs meine Empfehlung zu überbringen, wenn du dort ankommst. Tut mir aufrichtig Leid, aber ich fürchte, dieses Zusammentreffen wird noch ein Weilchen auf sich warten lassen. Ich finde, du siehst aus, als würdest du noch ein paar Tage hier verweilen. Was für ein Jammer.«

»Bitte!« Ihr Arm langte in weitem Bogen herüber und suchte den Kontakt zu dem einen Menschen, der sie noch retten konnte. »Schwester Nicci, bitte. Hör bitte zu, dann will ich dir alles erzählen.«

Nicci setzte sich – widerwillig, wie es schien – wieder hin und ergriff erneut Tovis Arm. »Also gut, Schwester, aber denk daran, meine Kraft funktioniert auch in der anderen Richtung.«

Tovi bog den Rücken durch und schrie vor Schmerz. »Nicht! Ich flehe dich an!«

Nicci empfand bei dem, was sie tat, nicht das geringste Gefühl des Bedauerns. Die von ihr verursachten Folterqualen waren moralisch gewiss nicht genauso zu bewerten wie das, was die Imperiale Ordnung tat, auch wenn es, bei oberflächlicher Betrachtung, vielleicht ganz ähnlich aussehen mochte. Sie tat es einzig in der Absicht, unschuldige Menschenleben zu retten, die Imperiale Ordnung dagegen benutzte Folter als Mittel der Unterwerfung und Eroberung, als Mittel, ihre Feinde in Angst und Schrecken zu versetzen. Und manchmal auch nur, um sich daran zu ergötzen, denn es verlieh ihnen ein Gefühl grenzenloser Macht, wenn sie sich zum Herrscher nicht nur über die Qualen, sondern über das Leben selbst aufschwangen.

Nicci kehrte das Leid, das sie der alten Frau einflößte, in sein Gegenteil um, und Tovi sank zurück, in den Augen Tränen dankbarer Erleichterung.

Sie war mit einer feinen Schweißschicht bedeckt. »Bitte, Schwester, spende mir stattdessen ein wenig Trost, dann verrate ich dir alles.«

»Fang damit an, wer dich verwundet hat.«

»Der Sucher.«

»Der Sucher ist Richard Rahl. Glaubst du allen Ernstes, ich würde dir eine solche Geschichte glauben? Richard Rahl hätte dich mit einem einzigen Hieb einen Kopf kürzer gemacht.«

Tovis Kopf wälzte sich verzweifelt hin und her. »Nein, nein, du verstehst nicht. Dieser Kerl hatte das Schwert der Wahrheit.« Sie deutete auf ihren Unterleib. »Ich sollte dieses Schwert doch eigentlich erkennen, wenn es sich in meinen Körper bohrt. Er hat mich überrascht, und ehe ich überhaupt wusste, wer er war oder was er wollte, hatte mich der Bastard auch schon durchbohrt.«