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Nun waren die Zauberer, die diese Methode entwickelt hatten, zaghafte Menschen, daher war ihnen nicht ganz wohl dabei, eine solche Magie auf die Welt loszulassen – nicht nur, weil ihnen klar war, dass eine solche Verkettung von Ereignissen irreparable Schäden bei den betreffenden Personen hervorrufen würde, sondern auch, weil ein solcher Vorgang, einmal in Gang gesetzt, für sie nicht mehr beherrschbar wäre. Er würde sich aus eigener Kraft immer wieder aufs Neue in Gang setzen und immer weitere Kreise ziehen.«

»Wie meinst du das? Was geschieht denn dabei?«

»Nun, zum einen wird die Erinnerung der Menschen an die betreffende Person gelöscht. Gleichzeitig aber setzt dieser Auslöser eine wahre Flut von Ereignissen in Gang, die vollkommen unvorhersehbar und unbeherrschbar sind. Mit der Zeit werden so viele Querverbindungen gelöscht, dass davon im wahrsten Sinne alles befallen wird. Für unsere Zwecke spielt das allerdings keine Rolle, da wir ohnehin alles Leben vernichten wollen. Aus Angst, jemand könnte uns auf die Schliche kommen, vernichteten wir das Buch und zerstörten anschließend auch die Katakomben.«

»Aber wieso musstet ihr jemanden aus der Erinnerung aller löschen?«

»Oh, nicht irgendjemanden, sondern ebenjene Frau, der wir diese Bande überhaupt erst zu verdanken hatten, Kahlan Amnell, Richard Rahls große Liebe. Durch das Auslösen dieser Feuerkette, dieser Verkettung von Ereignissen, wurde sie am Ende zu einer Frau, an die sich niemand erinnert.«

»Aber was habt ihr damit gewonnen?«

»Die Kästchen der Ordnung. Wir haben uns ihrer bedient, um in den Besitz der Kästchen zu gelangen und mit ihrer Hilfe den Hüter befreien zu können. Dank der Kästchen sind wir in der Lage, Richard Rahl ewiges Leben zu gewähren und gleichzeitig den Hüter zu befreien. In unseren Träumen flüsterte uns der Hüter ein, dass Richard im Besitz des Geheimnisses zum Offnen der Kästchen sei, dass er dieses Wissen, das sonst an keinem anderen Ort existiert, einst auswendig gelernt habe. Darken Rahl selbst war es, der dies dem Hüter einst verraten hat. Richard weiß, wie die Geheimnisse der Magie der Ordnung zu entschlüsseln sind, nur kennen wir diesmal den Trick, der Darken Rahl damals zum Verhängnis wurde. In dem Buch, das Richard auswendig lernte, steht, dass wir zum Öffnen der Kästchen eine Konfessorin benötigen – jetzt haben wir eine in unserer Gewalt, an die niemand sich erinnert, weswegen uns niemand ihretwegen behelligen wird.«

»Und was ist mit den, wie du sagst, Querverbindungen? Mit den verschwindenden Prophezeiungen? Wurde das auch durch diese Feuerkette ausgelöst?«

»Das Verschwinden der Prophezeiungen ist Teil dieser Ereigniskette. Damals nannten sie es ›das Korollarium der Feuerkette‹. In der Eingangsphase der Feuerkette ist es unumgänglich, dass auch die Prophezeiungen von diesem Vorgang erfasst werden – etwa so, wie auch das Gedächtnis der Menschen von diesem magischen Feuer ergriffen wird. Die Feuerkette nährt sich von diesen Erinnerungen und hält sich dadurch selbst in Gang, weswegen die Prophezeiungen mit einbezogen werden müssen. Nun finden sich an den entsprechenden Gabelungen innerhalb der Prophezeiungen Leerstellen –Stellen, wo der Prophet Platz gelassen hat, sollte ein künftiger Prophet den Wunsch verspüren, das Werk zu ergänzen. Diese Leerstellen in den Prophezeiungen füllen wir mit einer ergänzenden Prophezeiung, in der die Formel der Feuerkette enthalten ist, sodass sie sämtliche damit in Zusammenhang stehenden Prophezeiungen auf diesem Zweig befällt und schließlich vernichtet, angefangen mit den entweder über die Zielperson selbst oder den zeitlichen Zusammenhang verwandten Prophezeiungen. In diesem Fall trifft beides zu: Kahlan, die Frau, die wir aus diesem Leben gelöscht haben, wurde gleichzeitig auch aus den Prophezeiungen entfernt – dank des Korol-lariums der Feuerkette.«

»Offenbar habt ihr euch das ja alles ganz genau überlegt«, bemerkte Nicci. Trotz ihrer Schmerzen konnte Tovi sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Es kommt noch besser.«

»Besser? Wie könnte es noch amüsanter werden?«

»Es gibt ein Gegenmittel gegen die Feuerkette.« Tovi kicherte geradezu vor Schadenfreude. »Ein Gegenmittel? Soll das heißen, ihr seid das Risiko eingegangen, dass Richard ein Gegenmittel gegen das entdeckt, was ihr angerichtet habt, ein Gegenmittel, das euern ganzen Plan vereiteln könnte?«

Sosehr sie sich bemühte, ihr Kichern zu unterdrücken, es bahnte sich immer wieder einen Weg. Obwohl sie unübersehbar Schmerzen hatte, amüsierte sie sich viel zu sehr, um aufzuhören. »Das ist das Beste überhaupt. Die Zauberer von einst, welche die Feuerkettenmethode ersannen, waren sich der Möglichkeit einer völligen Vernichtung allen Lebens bewusst, daher schufen sie ein Gegenmittel, für den Fall, dass jemals eine solche Feuerkette ausgelöst werden sollte.«

Wütend knirschte Nicci mit den Zähnen. »Und das wäre?«

»Die Kästchen der Ordnung.«

Nicci riss verdutzt die Augen auf. »Die Kästchen der Ordnung wurden als Gegenmittel gegen diese Feuerkette entwickelt, die ihr ausgelöst habt?«

»Aber ja. Ist das nicht köstlich? Mehr noch, wir haben die Kästchen bereits ins Spiel gebracht.«

Nicci stieß einen tiefen Atemzug aus. »Nun, ich sagte es bereits, offenbar habt ihr euch das ganz genau zurechtgelegt.«

Ein Schmerz ließ Tovi zusammenzucken. »Nun ... mehr oder weniger. Da wäre nur eine Kleinigkeit...«

»Und die wäre?«

»Nun, als wir sie das erste Mal in den Garten des Lebens schickten, brachte dieses dusselige Weib nur ein einziges Kästchen mit. Wir durften natürlich nicht zulassen, dass jemand die Kästchen sieht, denn im Gegensatz zu Richards geliebtem Weib würden sich die Menschen an die Kästchen der Ordnung erinnern. Sie behauptete, in ihrem Bündel sei kein Platz mehr gewesen. Schwester Ulicia war außer sich vor Wut und prügelte sie grün und blau – du wärst begeistert gewesen, Schwester Nicci – und befahl ihr, etwas herauszunehmen, um mehr Platz zu schaffen, wenn es nicht anders ginge, ehe sie sie abermals losschickte, um die beiden anderen Kästchen zu holen.«

Tovi krümmte sich unter einem stechenden Schmerz. »Wir hatten jedoch Angst zu warten, also schickte Schwester Ulicia mich mit dem ersten Kästchen vor und versprach, später wieder zu mir zu stoßen.« Ein weiterer schmerzhafter Stich ließ Tovi aufstöhnen. »Ich hatte das erste Kästchen also bei mir. Der Sucher, oder jedenfalls der Kerl, der jetzt das Schwert hat, überraschte mich und rammte es mir in den Leib. Dann entriss er mir das Kästchen. Nachdem Kahlan endlich die beiden anderen beschafft hatte, war Schwester Ulicia im Besitz von diesen zweien – und brachte, im Glauben, ich hätte das dritte, noch vor Verlassen des Palasts die Magie der Ordnung ins Spiel.«

Nicci erhob sich wankend; ihr war schwindlig. Sie konnte es kaum fassen, und doch wusste sie jetzt, dass es die Wahrheit war. Richard hatte die ganze Zeit über Recht gehabt. Er hatte das Rätsel, nahezu ohne einen einzigen konkreten Hinweis, im Großen und Ganzen durchschaut. Und während all dieser Zeit hatte ihm kein Mensch auf der ganzen Welt Gehör schenken wollen ... einer Welt, die im Begriff war, von einer unkontrollierbaren magischen Feuerkette ausgelöscht zu werden.

65

Ein Schrei zerriss die nächtliche Stille. Richard, der in einem einfachen Armeezelt in sein Bettzeug gehüllt lag, stellte sich sofort der feine Flaum im Nacken auf. Der entsetzliche, die Luft zerreißende Laut war noch nicht verklungen, da war er bereits auf den Beinen.

Das nicht enden wollende Kreischen jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Klopfenden Herzens, und noch während der gespenstische Schrei durch das Feldlager hallte, als wollte er das Grauen bis in dessen hintersten Winkel tragen, stürzte er aus seinem Zelt.

Draußen vor dem etwas abseits gelegenen, weil nachträglich errichteten Zelt sah Richard einige Männer mit angstvoll aufgerissenen Augen im Dunkeln stehen. Einige Zelte weiter in der Reihe beobachtete General Meiffert mit den Übrigen das nächtliche Dunkel.