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Zurzeit haben die Schwestern zwei der Kästchen der Ordnung in ihrem Besitz – und die haben sie ins Spiel gebracht. Sie haben diese Phase ihres Plans aus zwei Gründen eingeleitet: weil sie den Hüter mithilfe der Magie der Ordnung in die Welt des Lebens rufen wollen, und weil die Kästchen der Ordnung als Gegenmittel gegen jene Kräfte geschaffen wurden, die durch die besagte Feuerkette auf den Plan gerufen werden könnten.«

Richard blinzelte sie verständnislos an. »Was soll das heißen, sie haben nur zwei Kästchen in ihrem Besitz? Ich dachte, sie hätten Kahlan gezwungen, alle drei zu stehlen. Immerhin befanden sich alle drei im Garten des Lebens.«

»Kahlan hatte zunächst nur ein Kästchen beschaffen können. Das übergaben sie Tovi, die damit schon einmal aufbrechen sollte, während sie Kahlan noch einmal zurückschickten, um die beiden anderen zu stehlen ...«

»Sie haben sie noch einmal zurückgeschickt? Ihr verschweigt mir doch etwas.«

Nicci benetzte sich die Lippen, wich aber seinem Blick nicht aus. »Das war der Grund, warum Tovi so geschrien hat.«

Richard spürte, wie ihm die Tränen in die Augen traten. Ein Kloß drohte seine Kehle zu verschließen. Nicci legte ihm ihre Hand aufs Herz. »Wir werden sie zurückbekommen, Richard.«

Er nickte, die Kiefermuskeln angespannt. »Weiter, was geschah dann?«

»Der neue Sucher überraschte Tovi, verwundete sie mit dem Schwert und stahl das Kästchen der Ordnung, als sie im Begriff war, es aus dem Palast des Volkes zu schaffen.«

»Wir müssen auf der Stelle eine Suche in die Wege leiten. Sie können noch nicht weit gekommen sein.«

»Sie sind längst fort, Richard, und werden ihre Spuren diesmal ebenso verwischt haben wie damals, bei Kahlans Entführung. Auf diese Weise werden wir sie bestimmt nicht finden.«

Plötzlich hob Richard den Kopf. »Samuel. Das Schwert der Wahrheit war ebenfalls ein Gegenmittel. In dem Moment, als ich ihm das Schwert übergab, muss ihm die Wahrheit über Kahlan klar geworden sein.« Sein Blick wanderte über die Innenwand des Zeltes, während er nachzudenken versuchte. »Wir müssen das genau durchdenken und alle Informationen zusammentragen, die wir kriegen können, damit wir endlich einmal einen Schritt voraus sind, statt immer nur hinterherzuhinken.«

»Ich werde dir helfen, Richard. Was immer du verlangst, ich werde es tun. Ich werde dir helfen, sie zurückzubekommen. Sie gehört zu dir, das ist mir jetzt klar geworden.«

Er nickte knapp, froh, dass sie zu ihrer eisernen Entschlossenheit zurückgefunden hatte. »Ich denke, wir sollten zunächst ein paar Dinge klarstellen und uns anschließend um erfahrene Helfer bemühen.«

Sie lächelte ein schiefes Lächeln. »Das ist der Sucher, wie ich ihn kenne.«

Unterdessen hatte sich draußen vor dem Zelt eine immer weiter anwachsende Schar von Soldaten zu versammeln begonnen, die alle den Lord Rahl sehen wollten, und durch diese Gruppe bahnte sich Verna einen Weg nach vorn. »Richard! Dem Schöpfer sei Dank – unsere Gebete wurden erhört!« Sie schlang die Arme um ihn. »Wie geht es dir, Richard?«

»Wo seid Ihr nur gewesen?«

»Ich war gerade dabei, einige Verletzte zu versorgen, Kundschafter, die auf eine feindliche Patrouille gestoßen waren, als General Meiffert mich per Kurier wissen ließ, dass ich sofort zurückkommen soll.«

»Und die Soldaten?«

»Ihre Stimmung ist gut«, antwortete sie mit einem Lächeln. »Jetzt, da du endlich für die entscheidende Schlacht zu uns gestoßen bist.«

Er ergriff ihre Hände. »Verna, wie Ihr wisst, hattet Ihr es in der Vergangenheit oft nicht eben leicht mit mir.«

Ein Lächeln ging über ihre Lippen, als sie dies mit einem Nicken bestätigte, ein Lächeln, das ihr jedoch sofort verging, als sie seine ernste Miene sah. »Und dies wird wieder eine dieser Situationen sein«, gestand er ihr. »Ihr werdet mir und dem, was ich zu sagen habe, wohl oder übel glauben müssen, da wir uns sonst gleich der Imperialen Ordnung ergeben können.«

Richard ließ ihre Hände los und stieg auf eine Lattenkiste, um besser gehört zu werden. Sofort sah er, dass er von einem Meer von Soldaten umringt war.

Ganz vorne, in der ersten Reihe, standen Cara und General Meiffert. »Lord Rahl, werdet Ihr unsere Führung übernehmen können?« »Nein«, rief er in die stille morgendliche Luft. Sofort ging ein besorgtes Raunen durch die Reihen der Soldaten. Richard hob beschwichtigend die Arme. »Hört mir zu!« Die Männer verstummten. »Ich habe nicht viel Zeit, vor allem habe ich nicht genug Zeit, die Dinge so zu erklären, wie ich es gerne möchte. Aber so ist es nun einmal. Ich werde euch einfach die Tatsachen mitteilen, danach urteilt selbst. Der Vormarsch der Armee der Imperialen Ordnung ist südlich von hier leicht ins Stocken geraten.« Er hob die Arme, um den aufbrandenden Jubel im Keim zu ersticken. »Meine Zeit ist knapp bemessen, also hört jetzt zu: Ihr Soldaten seid der Stahl gegen den Stahl. Ich bin die Magie gegen die Magie. In der bevorstehenden Schlacht werde ich mich, und zwar jetzt gleich, in diesem Augenblick, für eins von beiden entscheiden müssen. Wenn ich hier bleibe, euch anführe und an eurer Seite kämpfe, stehen unsere Chancen nicht eben günstig. Der Feind verfügt über eine gewaltige Übermacht, aber das muss ich wohl keinem von euch erklären. Wenn ich hier bleibe und euch im Kampf gegen diese Streitmacht unterstütze, werden die weitaus meisten von uns einen sinnlosen Tod sterben.«

»Eins kann ich Euch verraten«, warf General Meiffert ein, »das ist eine Aussicht, die mir kein bisschen behagt.«

»Und was wäre die Alternative?«, rief ein ganz in der Nähe stehender Soldat. »Die Alternative wäre, dass ich euch Männer eure Arbeit als Stahl gegen den Stahl tun lasse, um zu verhindern, dass die Imperiale Ordnung ungehindert in unser Land einmarschiert. Währenddessen gelobe ich feierlich, als Magie gegen die Magie, meinen Teil der Arbeit zu tun. Ich werde tun, was nur ich tun kann, und nach besten Kräften einen Weg zu finden versuchen, den Feind zu besiegen, ohne dass auch nur einer von euch in einer offenen Feldschlacht sein Leben lassen muss. Ich möchte einen Weg finden, ihn kraft meiner Magie aus dem Land zu jagen oder zu vernichten, ehe es überhaupt dazu kommt, dass wir kämpfen müssen.

Eine Garantie auf den Erfolg kann ich euch nicht geben. Wenn ich versage, werde ich bei dem Versuch ums Leben kommen, und ihr Männer werdet allein dem Feind die Spitze bieten müssen.«

»Glaubt Ihr wirklich, dass Ihr diese Horden mit so etwas wie Magie aufhalten könnt?«, wollte ein anderer wissen.

Mit einem Satz war Nicci neben ihm auf der Kiste. »Es wäre nicht das erste Mal, dass Lord Rahl Völker der Alten Welt gegen Jagangs Armeen aufstachelt; wir haben in ihrer eigenen Heimat gegen sie gekämpft, in der Hoffnung, sie dadurch ihrer Unterstützung zu berauben.

Wenn ihr darauf besteht, Lord Rahl hier, bei euch, zu behalten, dann lasst ihr sein einzigartiges Talent ungenutzt, und das könnte euer aller Tod zur Folge haben. Als eine seiner Mitstreiterinnen möchte ich euch hiermit bitten, ihn in seiner Funktion als Lord Rahl das tun zu lassen, was er tun muss, während ihr tut, was ihr tun müsst.«

»Ich hätte es nicht besser formulieren können«, fügte Richard hinzu. »Ihr habt es gehört. Jetzt liegt die Entscheidung bei euch.«

Mit den Füßen schlurfend, schufen die Männer nach und nach Platz, um niederzuknien, ehe wie aus einem Mund der Sprechgesang einsetzte:

»Führe uns, Meister Rahl. Lehre uns, Meister Rahl. In deinem Licht werden wir gedeihen. Deine Gnade gehe uns Schutz. Deine Weisheit beschämt uns. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört dir.«

Just als Richard den Blick über das Meer der Soldaten schweifen ließ, ging über dem Horizont die Sonne auf. Die Andacht wurde noch einmal wiederholt, dann ein zweites und schließlich noch ein drittes Mal, wie es im Feld Brauch war. Nachdem sie gesprochen war, begannen die Männer, sich wieder zu erheben. »Schätze, da habt Ihr Eure Antwort, Lord Rahl«, bemerkte General Meiffert. »Also los, Männer, schnappt euch diese Hunde.«