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Mit dem schweren Wasserbeutel über der Schulter zog die junge Sklavin los, um der Mannschaft zu trinken anzubieten.

Die Männer mit dem Netz hatten ihren Fang gesäubert und die entgräteten Fische in kleine Stücke geschnitten.

Eine zweite Sklavin wurde befreit, um den Brei der Sklavinnen zuzubereiten – frisches Wasser mit Sa-Tarna-Mehl –, in den die Fischstücke gerührt wurden.

»Spielen wir noch einmal«, sagte Forkbeard.

Ich stellte die Figuren auf.

Das Mädchen, das den Brei zubereitet hatte, wurde wieder zu den anderen Sklavinnen gebracht.

Dasjenige, welches den Männern Wasser gebracht hatte, mußte den Brei in kleine Schalen verteilen. Dazu verwendete sie einen Bronzelöffel, dessen Griff wie ein langer anmutiger Vogelhals gestaltet war.

»Bring ihr etwas zu essen!« sagte Forkbeard und deutete auf Aelgifu, die getrennt von den anderen an den Mast gefesselt war.

Das Mädchen erhob sich und brachte der Tochter des Administrators von Kassau eine Schale. Als sie näher kam, rief ihr Aelgifu verächtlich entgegen: »Du benimmst dich schon wie eine Leibeigene, Thyri!«

Das schlanke blonde Mädchen reagierte nicht auf Aelgifus Spott. Thyri schien ihr Name zu sein, was jetzt allerdings keine Bedeutung mehr hatte; es lag an Ivar Forkbeard, ihr einen Namen zu geben.

»Das ist doch Brei für die Sklavinnen, nicht wahr?« fragte Aelgifu.

»Ja«, sagte das Mädchen.

»Warum bringst du mir eine Portion?«

Das Mädchen senkte den Kopf.

»Ich bin frei«, sagte Aelgifu. »Weg mit dem Zeug!«

Ivar Forkbeard hob den Kopf. Er nahm dem blonden Mädchen die Schale ab und ging zu Aelgifu hinüber. »Du ißt«, sagte er, »oder du wirst an ein Ruder gekettet.«

Sie starrte ihn entsetzt an. Wenn ein Mädchen zur Strafe an ein Ruder gebunden wird, ist das nicht ungefährlich; sie liegt mit dem Kopf nach unten über einem Ruderblatt und kann nur Atem schöpfen, wenn sich das Ruder über dem Wasser befindet. Manchmal versuchen See-Sleen oder weiße Haie, sich dieser leichten Beute zu bemächtigen.

»Mach den Mund auf!« sagte Forkbeard.

Aelgifu gehorchte mit weit aufgerissenen Augen. Er schob ihr den Inhalt der Holzschale in den Mund. Das stolze Mädchen würgte den dicken Brei hinunter.

»Morgen abend habe ich dein Lösegeld«, sagte er.

»Morgen abend bin ich wieder frei!« rief sie.

Er warf die Schale auf das Deck und kehrte an unser Spielbrett zurück.

»Ich glaube«, sagte ich, »ich habe einen Plan, dem Spielzug mit der Jarls Axt zu begegnen.«

5

Zu Mittag des folgenden Tages meldete sich plötzlich der Ausguck: »Schlangenboot an Steuerbord!«

Forkbeard blickte von seinem Kaissabrett auf. In seine Männer kam Leben. Sie eilten zur Steuerbordreling. Noch war nichts zu sehen. »Auf die Bänke!« brüllte Forkbeard, und seine Krieger gehorchten; ich hörte, wie die Ruder hinausgeschoben wurden.

»Verändere nichts an den Figuren«, sagte Ivar Forkbeard und verließ das Spiel. Dann kletterte er halb das Knotenseil hinauf, das am Mast herabhing.

Ich stand auf. Der Himmel war bewölkt, man hatte den Sonnenschutz nicht aufgespannt; die Häute lagen zusammengerollt zwischen den Bänken. Ich konnte nichts erkennen.

Die Sklavinnen sahen sich erschrocken um, während sie von Gorm gefesselt wurden. Wenn es zu einem Kampf kam, waren sie völlig hilflos und konnten sich nicht im geringsten einmischen.

»Das Schlangenschiff Thorgards von Scagnar!« rief Forkbeard erfreut.

»Ist das ein Freund?« fragte ich.

»Nein!« rief Forkbeard entzückt. »Ein Feind.«

Ich sah, wie sich die Männer Forkbeards angrinsten. Als nächstes kam der Befehl, die Segel zu reffen. »Haltet das Heck im Wind«, sagte er. Die Ruder glitten hinaus.

»Wir haben noch für ein paar Züge Zeit«, sagte Ivar Forkbeard.

»Ich versuche noch immer den Angriff mit der Jarls Axt zu durchbrechen«, sagte ich.

»Sänger auf Axt Zwei ist kein besonders starker Zug«, brummte Forkbeard.

In langen Spielen war ich am Tag zuvor zweimal gegen den Angriff mit der Jarls Axt gescheitert.

»Als nächstes willst du natürlich deinen Jarl auf Axt Vier ziehen.«

»Ja.«

»Interessant«, meinte Forkbeard. »Spielen wir diese Variation mal durch.«

Im Süden war dieser Spielzug sehr beliebt, während er im Norden nicht so geläufig ist.

»Die Schlange Thorgards hat uns gesehen!« meldete der Ausguck frohlockend.

»Ausgezeichnet«, sagte Ivar Forkbeard. »Jetzt müssen wir nicht erst ins Horn stoßen.«

Ich lächelte. »Erzähl mir mehr über Thorgard von Scagnar«, sagte ich.

»Er ist mein Feind«, sagte Ivar Forkbeard schlicht.

»Die Schiffe Thorgards haben die Schiffe Port Kars oft belästigt.«

»Die Schiffe Port Kars«, erwiderte Ivar Forkbeard lächelnd, »sind nicht die einzigen, die auf diese Weise ausgezeichnet werden.«

»Er ist also auch mein Feind«, fuhr ich fort.

»Wie heißt du?« fragte Forkbeard.

»Nenn mich Tarl«, sagte ich.

»Das ist ein Name aus Torvaldsland«, erwiderte er. »Stammst du nicht aus diesem Land?«

»Nein.«

»Tarl – und wie weiter?«

»Es genügt, wenn du mich Tarl nennst.«

»So sei es«, meinte er, »aber hier im Norden müssen wir dich von anderen Tarls unterscheiden können.«

»Und wie?«

Er betrachtete mein Haar und grinste. »Wir nennen dich Tarl Rothaar.«

»Also gut«, sagte ich.

»Wo liegt deine Heimatstadt?«

»Meine Heimat dürfte in Port Kar liegen.«

»Gut«, sagte er, »aber ich glaube, das hängen wir lieber nicht an die große Glocke, denn die Port Karer sind im Norden nicht sehr beliebt.«

»Und die Torvaldsländer sind im Süden nicht gerade beliebt.«

»Die Männer aus Port Kar werden aber bei uns respektiert.«

»Und die Torvaldsländer bei uns.«

»Du verstehst dich auf das Kaissaspiel«, fuhr Forkbeard fort. »Wir wollen Freunde sein.«

Und wir reichten uns die Hände.

»Die Schlange Thorgards dreht in unsere Richtung!« rief der Ausguck beschwingt.

»Soll ich meinen Langbogen holen?« fragte ich Ivar Forkbeard. Ich wußte, daß die Reichweite dieser Waffe größer war als die der kürzeren Bögen des Nordens.

»Nein«, erwiderte Forkbeard entrüstet.

»Entfernung acht Pasang!« rief der Ausguck. »Die Schlange jagt uns!«

Der Forkbeard und ich machten vier weitere Züge. »Faszinierend«, sagte er.

»Entfernung vier Pasang!« tönte es von oben.

»Welcher Schild ist drüben am Mast!« rief Forkbeard.

»Der rote!« rief der Ausguck.

»Wir setzen noch keinen Schild«, befahl der Pirat aus dem Norden. Seine Männer sahen ihn überrascht an.

»Thorgard ist ziemlich stolz auf sein großes Langschiff«, sagte er, »eine Schlange mit dem Namen ›Schwarzer Sleen‹.«

Ich hatte schon von dem Schiff gehört.

»Es hat ein viel größeres Freibord als unser Schiff«, sagte ich zu Ivar Forkbeard. »Es ist ein Kriegsschiff, kein Piratenschiff. In einem Kampf wären wir hoffnungslos im Nachteil. Auch gilt es als das schnellste Schiff im Norden.«

»Das werden wir feststellen«, sagte Forkbeard. »Das Schiff hat vierzig Bänke«, fuhr der Mann aus dem Norden fort. »Achtzig Ruder, hundertundsechzig Ruderer. Aber es ist schwerfällig.«

»Willst du kämpfen?«

»Das wäre töricht. Ich habe Beute aus dem Tempel in Kassau an Bord, außerdem achtzehn Leibeigene und die hübsche Aelgifu, die nochmal einen Sack Goldstücke wert ist. Ich hätte also viel zu verlieren und wenig zu gewinnen. Wenn ich mich mit Thorgard von Scagnar einlasse, dann zu meinen Bedingungen.«

»Noch ein Pasang!« meldete der Ausguck.

Ivar Forkbeard stand auf. Er wies Gorm an, die Sklavenmädchen an die Bordwand zu führen, damit die Angreifer sehen konnten, was dieses Schiff zu bieten hatte.

»Ein halber Pasang! Kommt näher!« tönte es von oben. »Annäherung von achtern.«

»Abfallen! Haltet den Burschen unsere Beute unter die Nase. Sie sollen sehen, daß sich der Sieg über uns lohnt!«