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»Ja!« sagte der Mann. »Ich bringe das Geld an diesen Ort.«

»Geh zum Kreis«, sagte Ivar Forkbeard zu der Frau. »Aber bleib außerhalb.«

»Ja«, erwiderte sie und gehorchte.

»Die Tempelwand hält sich nicht mehr lange«, meldete einer der Torvaldsländer. »Das Dach könnte einstürzen.«

Forkbeard starrte das jüngere Mädchen an. »Mein Vater ist zwar nicht so reich wie Aelgifus Vater«, sagte sie. »Aber auch für mich wird ein Lösegeld gezahlt.«

Er blickte auf sie nieder und grinste. »Du bist zu hübsch für ein Lösegeld«, sagte er.

Sie sah ihn entsetzt an. Ivar Forkbeard packte sie lachend und zerrte sie mit gewaltigem Schwung in den großen Kreis.

»Gleich stürzt die Wand ein«, sagte einer seiner Kämpfer.

Die Hände der Sklavinnen wurden mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt.

Das Feuer war inzwischen bis zum Dach vorgedrungen und fraß bereits an einer anderen Wand. Die Atemluft wurde knapp.

»Bindet die Sklavinnen zusammen!« befahl Forkbeard.

Mit einer langen Schnur wurden die Mädchen miteinander verbunden; die Fessel führte von Hals zu Hals. Nur Aelgifu blieb frei; sie bildete die Spitze der Gruppe. Mit hastigen Bewegungen bürdete man den Mädchen Lasten auf, die man ihnen um Hals und Schultern band – aus Mänteln improvisierte Säcke voller kostbarer Kelche und Goldgegenstände. Nach kurzer Zeit waren die Mädchen schwer beladen; einige drohten unter ihrer Last zusammenzubrechen.

»Im Norden werdet ihr andere Lasten tragen, meine Hübschen«, sagte Ivar. »Nicht Gold, sondern Holzstapel für die Feuerstellen und Wassereimer und Körbe mit Dung für die Felder!«

Die Mädchen starrten ihn entsetzt an. Einige begannen laut zu weinen.

»Wir sind abmarschbereit«, meldete ein Torvaldsländer.

Von draußen klang Stimmengewirr herein.

»Du bringst uns nie bis zum Schiff!« sagte das schlanke Mädchen, das nun eine Sklavin war.

»Ich brauche ein Schiff nach Torvaldsland«, sagte ich. »Ich will dort Ungeheuer jagen.«

»Kurii?« fragte er.

»Ja.«

»Du bist ja verrückt.«

»Vermutlich weniger verrückt als Ivar Forkbeard«, sagte ich.

»Meine Schlange ist kein Passagierschiff.«

»Ich spiele Kaissa.«

»Es wird eine lange Reise nach Norden.«

»Ich bin ein guter Spieler«, sagte ich. »Wenn du nicht ganz ausgezeichnet bist, werde ich dich besiegen.«

Draußen wurden nun Schreie laut. Ich hörte, wie einer der Deckenbalken sich knisternd zu senken begann. Das Brüllen der Flammen schien alle anderen Geräusche zu übertönen. »Wenn wir nicht bald fliehen, sterben wir!« rief einer der Torvaldsländer. Von allen Anwesenden im Tempel zeigten wohl nur ich und Ivar Forkbeard und der riesige Torvaldsländer keine Anzeichen von Unruhe. Der Hüne schien die Flammen gar nicht wahrzunehmen. Er trug einen schweren Sack voller Gold auf dem Rücken.

»Auch ich bin ein guter Spieler«, sagte Ivar Forkbeard. »Beherrschst du das Spiel wirklich gut?«

»Ja. Ob ich allerdings so gut bin wie du, wissen wir erst, wenn ich gegen dich spiele.«

»Das stimmt.«

»Ich komme zum Schiff.«

»Tu das«, sagte er und wandte sich an einen seiner Männer. »Bleib in der Nähe mit den Münzen, die die Armen der Stadt im Tempel gespendet haben.« Diese Münzen befanden sich in einer großen Schale.

Funken flogen durch die Luft und brannten mir auf dem Gesicht, »öffnet das andere Tor!« rief Ivar Forkbeard. Zwei seiner Männer stießen die zweite Tür des Tempels auf. Hysterisch schluchzend sprangen die Kassauer, die entsetzt am Boden ausgeharrt hatten, ins Freie.

Ivar ließ sie ziehen.

»Sie kommen!« brüllte eine Stimme von draußen. Doch als wir ins Freie traten, war ein großer Teil der Menge damit beschäftigt, ihre Verwandten und Freunde zu umarmen, die aus dem anderen Tor geeilt waren. Mit schnellen Schritten bog Ivar Forkbeard mit seinen Männern und seiner Beute in die Straße zum Hafen ein. Viele von den Bauern und Fischern und anderen Armen, die im Tempel keinen Platz mehr gefunden hatten, drehten sich um. Ein Teil der Menschenmenge begann uns mit erhobenen Dreschflegeln und Sensen zu folgen. Einige trugen Ketten, andere hatten sich mit Hacken bewaffnet. Aber ihnen fehlte der Anführer.

Fäusteschüttelnd und brüllend liefen sie hinter uns her, doch keiner wagte es, näher zu kommen. Plötzlich flog ein Felsbrocken durch die Luft – doch niemand mochte das Risiko eingehen, sich gegen die Äxte der Torvaldsländer zu stellen.

»Rettet uns!« rief das blonde Mädchen. »Ihr seid doch Männer! Rettet uns!«

Diese Rufe schienen den Männern Mut zu machen, und sie drängten näher heran, doch die gewaltig ausschwingenden Äxte trieben sie wieder zurück.

»Versammelt euch!« rief Administrator Gurt, der in einen schwarzen Satinanzug gekleidet war. Der Menge hatte ein Anführer gefehlt – jetzt hatte sie ihn.

Daraufhin packte Ivar Forkbeard Aelgifu am Haar und drehte sie herum, damit die Verfolger sie sehen konnten.

»Halt!« rief Gurt seinen Leuten zu.

Die scharfe Klinge der großen Axt lag an Aelgifus Hals. Ihr Kopf war zurückgelegt. Forkbeard grinste Gurt an.

»Halt!« rief der Vater des Mädchens entsetzt. »Laßt sie ziehen!«

Ivar Forkbeard ließ das Mädchen los und stieß sie von sich. »Beeilt euch!« rief er seinen Männern zu.

In diesem Augenblick stürzte hinter uns das Tempeldach ein. Dunkler Rauch stieg auf.

Hundert Meter vor der Anlegestelle sahen wir eine Gruppe aufgebrachter Männer, die uns den Weg versperrten; es mochten zweihundert sein. In den Händen hielten sie Fischhaken, Harpunen und angespitzte Stangen. Andere hatten sich mit Stauerhaken, Hebeisen und Brechstangen bewaffnet.

»Siehst du!« rief das blonde Mädchen triumphierend. »Meine Sklaverei dauerte nicht lange!«

»Bürger von Kassau!« rief Ivar Forkbeard fröhlich. »Seid gegrüßt von Ivar Forkbeard!«

Die Männer starrten ihn an, zum Sprung geduckt, die Waffen kampfbereit erhoben.

Grinsend warf Forkbeard seine Axt über die linke Schulter und steckte sie in die breite Lederschlaufe, die die Waffe so festhielt, daß ihr Griff links hinter dem Kopf emporragte.

Dann griff er mit beiden Händen zu und nahm einem seiner Männer die Schale mit Opfermünzen ab.

Lächelnd schleuderte er das Geld mit vollen Händen links und rechts in die Menge.

Die Männer beobachteten ihn starr. Die Münzen waren zwar nicht von hohem Wert, doch stellte jede von ihnen im Hafen von Kassau immerhin einen Tagesverdienst dar.

»Kämpft!« schrie das blonde Mädchen sie an. »Kämpft!«

Einer der Männer bückte sich plötzlich und las eine Münze vom Boden auf, dann eine zweite und dritte. Gleich darauf machten es ihm einige andere Männer nach, und schließlich konnten die übrigen der Versuchung nicht widerstehen. In unentwirrbarem Durcheinander krochen sie auf dem Boden herum, balgten sich und rafften zusammen, was sie erwischen konnten. Ihre Waffen waren vergessen.

»Feiglinge! Sleen!« schluchzte das blonde Mädchen.

Wir drängten uns zwischen den beschäftigten Dockarbeitern hindurch und sahen vor uns den Hafen und das schmale schnelle Schlangenschiff Ivar Forkbeards. Zehn Männer waren an Bord geblieben. Acht bewachten das Schiff mit gespannten Bögen und aufgelegten Pfeilen. Niemand hatte sich dem Wasser genähert, denn der kurze, schußstarke Bogen der Torvaldsländer ist überall gefürchtet.

Die Torvaldsländer warfen ihre gefüllten Mäntel über die Bordwand.

Ivar Forkbeard blickte zurück.

In der Ferne ertönte ein Krachen. Eine Außenmauer des Tempels war eingestürzt, gleich darauf folgte eine zweite. Dunkler Rauch wallte über Kassau auf.

»Ich hole meine Sachen«, bemerkte ich, »und bin gleich zurück.«

»Bleib nicht zu lange«, ermahnte mich Ivar Forkbeard.

Ich lief in den Hinterhof einer Taverne, die in der Nähe des Hafens lag. Dort sattelte ich meinen Tarn ab, mit dem ich nach Norden geflogen war, und befreite ihn von den Zügeln. »Flieg!« befahl ich. Das große Wesen schlug mit den Flügeln und stieg in den raucherfüllten Himmel Kassaus auf. Es wandte sich nach Südwesten.