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»Du bist dran«, sagte Forkbeard.

»Ich habe schon gezogen«, erwiderte ich. »Ich habe die Axt auf Jarl Sechs gesetzt.«

»Ah!« lachte Forkbeard. Dann setzte er sich und musterte das Spiel.

Die Sonne Torvaldslands brannte heiß auf uns herab. Nach dem Kalender Port Kars standen wir im Frühjahr des Jahres 3 der Herrschaft des Kapitänsrats. Nach dem Kalender Ars, der allgemein auf Gor gültig ist, schrieben wir das Jahr 10121 C. A. oder Contasta Ar, nach der Gründung Ars. Die große Seeschlacht vom 25. Se'Kara hatte 10120 C. A. stattgefunden, und im gleichen Jahr, im Frühling, hatte in Port Kar der Kapitänsrat die Macht übernommen und die neue Kalenderzählung ausgelöst. In den meisten goreanischen Städten gilt der Tag der Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche als Neujahrstag – so auch in Torvaldsland, wo die Runenpriester über den Kalender wachen. Ihre Jahreszählung beginnt mit dem Augenblick, da Torvald den warmen Meeresstrom von Thor zum Geschenk erhielt. Nach den Berechnungen der Runenpriester befanden wir uns demnach im Jahr 1006.

Forkbeard und ich saßen im Schatten unter einer zeltartigen Plane aus zusammengenähten Boskhäuten, fast zehn Meter im Quadrat. Sie beginnt hinter dem Mast, der sich ziemlich weit vorn im Schiff erhebt, und wird von vier Stangen gehalten, die zwei weitere zusammengesteckte Stangen als »Dachfirst« tragen. Die Stangen können auch als Bootshaken verwendet werden. Die Unterkanten der großen Plane sind stramm gespannt und mit Klampen an der Reling festgemacht. Sie beginnt etwa einen Fuß über der Reling, so daß man gute Sicht nach allen Seiten hat.

Die Männer Forkbeards, die jetzt nicht rudern mußten, vergnügten sich nach Lust und Laune. Etliche hatten sich auf oder zwischen den Bänken schlafen gelegt, mehrere auch unter der Zeltbahn oder auf dem erhobenen Vorderdeck. Da und dort saßen Männer beisammen und unterhielten sich. Zwei folgten unserem Beispiel und spielten Kaissa. Zwei andere vergnügtien sich mit dem Steinspiel, bei dem man raten mußte. Der riesige Torvaldsländer, der fast acht Fuß groß war, saß auf einer Ruderbank, starrte ins Leere und schärfte mit gemessenen Bewegungen die Klinge seiner großen Axt. Dazu verwendete er einen runden flachen Wetzstein. Drei andere Torvaldsländer beschäftigten sich mit Fischfang – zwei mit einem Netz, das sie an der Bordwand hinabließen und im Wasser mitzogen, um Parsitfische zu fangen, der dritte in der Nähe des Bugs mit einer Angelleine, wobei er Vuloleber als Köder verwendete. Er hatte es auf den weißbäuchigen Grunt abgesehen, einen großen zahmen Fisch, der in den Planktonbänken zu finden ist und sich von Parsitfischen ernährt. Nur zwei Männer ruhten sich nicht aus – der Steuermann, der auf das Meer hinaus schaute, und der Mann oben im Mast, der Ausschau halten mußte. Der Steuermann betrachtet den Himmel und das Wasser vor dem Schlangenschiff; unter Wolken gibt es gewöhnlich Wind, und er meidet Gebiete, in denen die Wellen zu ruhig sind, denn dort besteht die Gefahr einer Flaute. Der Ausguck stand auf einem breiten flachen Holzring, der in Leder eingefaßt und mit dem Fell des See-Sleen bezogen sich um den Mast zieht. Der Ring hat einen Durchmesser von etwa fünfundsiebzig Zentimetern. Das Gebilde befindet sich fast an der Spitze des Masts, so daß der Mann über das Segel hinwegschauen kann. Auf dem Ring stehend, sichert er sich ab, indem er einen breiten Gürtel um den Mast windet und am eigenen Gürtel befestigt. Normalerweise hält er sich auch mit einer Hand am Mast fest. Der Holzring ist über ein Knotenseil zu erreichen. Der Mast ist nur etwa fünfunddreißig goreanische Fuß hoch und erlaubt damit einen Blick von etwa zehn Pasang über das Meer.

Forkbeard zog seinen Ersten Sänger auf seine Axt Vier und bedrohte damit meine Axt. Ich deckte die Figur mit meinem Ersten Sänger, den ich auf meine Axt Fünf setzte. Er tauschte, schlug meine Axt auf Jarl Sechs, und ich seinen Ersten Sänger mit meinem Ersten Sänger. Ich hatte jetzt einen Sänger auf einem mittleren Quadrat, doch er hatte seine Axt Vier freigekämpft, wo er nun seinen Jarl unterbringen und einen Angriff auf Axt Fünf der Frau des Jarl beginnen konnte.

Ich bestimmte im Augenblick den Spielzug. Er hatte die Situation öffnen wollen, doch ich hatte meine Position aufgebaut. Die Axt ist natürlich eine wichtige Figur, doch vordringlich zu Beginn und in der Mitte des Spiels, wenn das Brett noch ziemlich dicht bestanden ist; im Schlußkampf erscheint mir der Sänger oft wertvoller, weil er eine größere Anzahl von Feldern beherrscht. Kenner beurteilen die beiden Figuren als gleichwertig, doch da bin ich, auf die verschiedenen Phasen des Spiels bezogen, anderer Ansicht.

»Du hättest deine Axt nicht opfern dürfen«, sagte Forkbeard.

»Hätte ich sie geschützt, wäre mir die Initiative verlorengegangen. Außerdem ist die Axt im letzten Teil des Spiels nicht so wichtig.«

»Du setzt die Axt gut ein«, sagte Forkbeard. »Die Waffe, auf die man sich versteht, sollte man nicht aufgeben.«

Voller Unbehagen stellte ich fest, daß er seinen Jarl auf das freie Feld Axt Vier vorschob.

Die beiden Männer an der Bordwand holten ihr Netz ein. Silbrig gestreifte Parsitfische zappelten darin. Die Torvaldsländer warfen das Netz auf die Planken und begannen den Tieren Köpfe und Schwänze abzuschneiden und sie auszunehmen.

»Gorm«, sagte Forkbeard. »Binde die erste Sklavin los. Sie soll das Boot ausschöpfen!«

Gorm war bis zur Hüfte nackt und ging ohne Schuhe. Er trug Hosen aus See-Sleen-Fell. Um seinen Hals lag eine goldene Kette mit einem Schmuckstück, das sicher früher einer freien Frau des Südens gehört hatte.

Die erste Sklavin an der Fessel war das schlanke blonde Mädchen, das nun entsetzt vor dem Torvaldsländer zurückwich. Er zerrte sie am Arm hoch, band sie los und stieß sie nach hinten. Eine hölzerne Schöpfkelle wurde ihr in die Hand gedrückt.

Dann entfernte Gorm einige lose Decksplanken. Etwa einen Fuß unter dem Deck stand eine Spanne tief das schwarze Bilgewasser. Ich war überrascht, wie gering der Wasserstand war. Für ein Klinkerschiff war das Schlangenboot Ivar Forkbeards erstaunlich dicht. Bisher hatte man es überhaupt nicht ausschöpfen müssen, was in einem Schiff aus Torvaldsland normalerweise einmal am Tag erforderlich ist. Ein Schiff, bei dem man sich womöglich dreimal am Tag um das eingedrungene Wasser kümmern muß, gilt als seeuntüchtig.

Schluchzend kniete die blonde Sklavin neben der Öffnung nieder und begann zu schöpfen. Forkbeard ging zu ihr und zeigte ihr, wie sie mit der linken Hand das ausgeschöpfte Wasser nach Schnecken absuchen mußte, die nicht über Bord geworfen werden durften.

Als er zu mir zurückkehrte, hielt er eine Schnecke in der Hand. Er knackte das Schneckenhaus, schlürfte den Inhalt heraus und schluckte ihn hinunter. Die Reste des Schneckenhauses warf er über Bord.

»Die Schnecken sind eßbar«, sagte er. »Und wir verwenden sie als Köder.«

Dann kehrten wir zu unserem Spiel zurück.

Einmal stieß das blonde Mädchen einen Schrei aus. »Seht doch!« rief sie und deutete nach Backbord.

Hundert Meter entfernt spielte eine Walfamilie – ein Männchen, zwei Weibchen und vier Jungtiere.

Dann wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu.

»Deine Halle ist erobert«, sagte Forkbeard. Sein Jarl hatte den entscheidenden Zug getan.

Die Eroberung der Halle entspricht im Kaissaspiel des Nordens der Eroberung des Herimsteins, dem Siegzug des Südens.

»Du hättest deine Axt nicht opfern sollen«, sagte Forkbeard.

»Offenbar hast du recht«, sagte ich. Wir hatten noch nicht einmal die Endphase des Spiels erreicht; der Sieg war während der mittleren Züge gekommen. In Zukunft würde ich mir überlegen müssen, ob ich die Axt opfern wollte.

»Ich bin nun fertig«, sagte die Sklavin.

»Gib Gorm die Schöpfkelle zurück«, sagte Forkbeard. »Dann bringst du meinen Männern Wasser.«