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Spender schaute zum Kanal hinüber. »Ich weiß nicht. Ich schämte mich. Wegen Biggs und dem Krach - eben unseretwegen. Himmel, was für ein Schauspiel!«

»Es war eine lange Reise. Die Leute müssen sich mal austoben.«

»Wo ist aber ihr Respekt geblieben, Sir? Wo ihr Sinn für das rechte Maß?«

»Spender, Sie sind müde und Sie sehen die Dinge sowieso anders. Macht fünfzig Dollar Strafe.«

»Jawohl, Sir. Mir machte nur der Gedanke zu schaffen, daß die hier sehen, wie närrisch wir uns aufführen.«

»Die?« fragte Wilder verwundert.

»Die Marsianer, ob sie nun tot sind oder nicht.«

»Aber ganz bestimmt sind sie tot«, sagte der Kapitän. »Glauben Sie, daß sie von unserem Besuch wissen?«

»Weiß das Alte nicht stets, wenn etwas Neues kommt?«

»Ja, vermutlich. Man könnte aber fast annehmen, Sie glauben an Geister.«

»Ich glaube an die Dinge, die tatsächlich vollbracht worden sind, und es gibt Beweise für viele vollbrachte Taten auf dem Mars. Es gibt Straßen und Häuser, und ich denke mir, daß es auch Bücher und große Kanäle und Uhren und Gebäude gibt, in denen vielleicht keine Pferde, aber andere Haustiere untergebracht waren - vielleicht mit zwölf Beinen, wer will das wissen? Wohin ich auch schaue, sehe ich Dinge, die in Benutzung gewesen sind. Die jahrhundertelang angefaßt und herumgereicht wurden.

Ja, wenn Sie mich fragen, ob ich an das Wesen der Dinge glaube, die hier in Gebrauch gewesen sind, werde ich das bejahen. Sie sind hier überall. All die Dinge, die einmal einen Zweck hatten. All die Berge, die Namen hatten. Wir werden nichts in Gebrauch nehmen können, ohne dabei ein ungutes Gefühl zu haben. Und irgendwie werden sich die Namen der Berge niemals richtig anhören; wir geben ihnen zwar neue Namen, doch die alten Bezeichnungen sind noch vorhanden, irgendwo in der Zeit verschüttet, und die Berge wurden unter diesen alten Namen geformt und angeschaut. Die Namen, die wir den Kanälen und Bergen und Städten geben, werden vom Wesen des Mars abgleiten wie Wasser vom Gefieder einer Ente. Wie sehr wir auch den Mars in Besitz nehmen werden, wir werden ihn niemals wirklich berühren. Und dann wird uns der Ärger überkommen, und wissen Sie, was wir dann tun? Wir werden ihn umkrempeln, werden ihm die Haut abziehen und ihn nach unseren Bedürfnissen verändern.«

»Wir werden den Mars nicht zugrunde richten«, sagte der Kapitän. »Er ist zu groß und zu gut.«

»Oh, glauben Sie? Wir Menschen haben ein besonderes Talent, große, schöne Dinge zugrunde zu richten. Daß wir nicht mitten im ägyptischen Karnak-Tempel Würstchenbuden errichteten, lag allein daran, daß er zu abgelegen war und keinen wesentlichen kommerziellen Wert hatte. Dabei ist Ägypten nur ein kleiner Teil der Erde. Aber hier ist alles anders, der ganze Planet ist alt und anders, und wir werden uns irgendwo niederlassen und mit der Verpestung beginnen. Wir werden den Kanal Rockefellerkanal und den Berg King-George-Berg und den See den Dupontsee nennen, und es wird Städte geben, die Roosevelt und Lincoln und Coolidge heißen - und das alles wird niemals stimmen, da es eben doch nicht die richtigen Namen für diese Berge und Seen, Kanäle und Städte sind.«

»Das wäre dann Ihre Arbeit als Archäologe. Sie müssen die alten Namen herausfinden, die wir dann gebrauchen werden.«

»Ein paar Leute gegen die ganzen kommerziellen Interessen.« Spender sah zu den eisernen Bergen hinüber. »Die wissen, daß wir heute abend hier sind, um ihre Ruhe zu stören, und ich kann mir vorstellen, daß sie uns hassen.«

Der Kapitän schüttelte den Kopf. »Hier gibt es keinen Haß.« Er lauschte in den Wind. »Nach ihren Städten zu urteilen, waren sie ein schönes und philosophisches Volk. Sie akzeptierten, was auf sie zukam. Sie nahmen den Tod ihrer Rasse hin, das wissen wir zumindest, und zwar ohne Verzweiflungskrieg in letzter Minute, der noch ihre Städte in Schutt und Asche gelegt hätte. Bis jetzt ist jede Stadt, die wir gesehen haben, völlig intakt gewesen. Wahrscheinlich stehen sie uns so wenig ablehnend gegenüber wie Kindern, die auf ihrem Rasen spielen und deren Wesen sie kennen und verstehen. Ganz abgesehen davon werden wir vielleicht noch zum Guten verändert.

Haben Sie die seltsame Stille unter den Männern bemerkt, Spender, ehe Biggs ihnen seine Fröhlichkeit aufzwang? Sie sahen recht bescheiden und erschreckt aus. Im Angesicht all dieser Relikte erkennen wir, daß es mit uns gar nicht so weit her ist; wir sind doch nur windelbepackte Kinder, die laut und unbekümmert mit Raketen und Atomen spielen. Aber eines Tages wird auch die Erde so sein wie der Mars heute. Diese Erkenntnis wird uns ernüchtern, eine Lektion in Zivilisation aus erster Hand. Wir werden vom Mars lernen. Und jetzt Kopf hoch und zurück ins lustige Spiel. Die Fünfzig-Dollar-Strafe gilt.«

Mit der Party stand es nicht allzu gut. Der Wind wehte von der toten See herein. Er umstrich die Männer und umstrich den Kapitän und Jeff Spender, die zur Gruppe zurückkehrten. Der Wind wehte den Staub auf und zerrte an der schimmernden Rakete und zerrte am Akkordeon, und der Stäub drang in die verbogene Mundharmonika. Der Staub geriet den Männern in die Augen, und der Wind legte einen hohen singenden Ton in die Luft. So plötzlich wie er gekommen war, erstarb er wieder.

Aber auch die Party war gestorben.

Die Männer standen steif vor dem dunklen, kalten Himmel.

»Los, Herrschaften, weiter!« Biggs kletterte munter aus dem Schiff; er hatte eine frische Uniform angezogen und mied Spenders Blick. Seine Stimme verlor sich wie in einem leeren Saal. Sie war mit einemmal allein. »Los doch!« ermunterte er seine Kameraden.

Niemand rührte sich.

»Mach schon, Whitie, deine Mundharmonika!«

Whitie blies einen Akkord, der sich komisch und falsch anhörte. Whitie wischte seine Harmonika ab und steckte sie in die Tasche.

»Was für’ne Party soll denn das sein?« wollte Biggs wissen.

Jemand drückte das Akkordeon zusammen. Das Instrument gab einen klagenden Laut von sich wie ein sterbendes Tier. Das war alles.

»Na gut, dann mach ich mit meiner Pulle eben allein weiter.« Biggs lehnte sich an die Rakete und trank aus seiner Flasche.

Spender beobachtete ihn. Lange Zeit rührte er keinen Muskel. Dann krochen seine zitternden Finger langsam an seinem Bein entlang zu der Pistole im Halfter und streichelten und beklopften die Lederklappe.

»Wer Lust hat, kann mit mir in die Stadt kommen«, verkündete der Kapitän. »Wir lassen bei der Rakete eine Wache zurück und nehmen vorsichtshalber unsere Waffen mit.«

Die Männer zählten ab. Vierzehn wollten mit, einschließlich Biggs, der sich lachend und seine Flasche schwenkend in die Gruppe einordnete. Sechs blieben zurück.

»Los geht’s!« brüllte Biggs.

Die Gruppe marschierte schweigend ins Mondlicht hinaus und näherte sich den Außenbezirken der träumenden toten Stadt unter dem dahineilenden Doppelmond. Die Männer hatten zwei Schatten. Minutenlang atmeten sie überhaupt nicht, oder glaubten nicht zu atmen, während sie darauf warteten, daß sich etwas in der toten Stadt rührte, daß sich eine graue Gestalt erhob, irgendein alter geschichtsträchtiger Schemen, der auf einem alten gepanzerten Roß von unmöglichem, unglaublichem Geschlecht über den leeren Seegrund herangaloppierte.

Spender belebte die Straße mit Gestalten seiner Fantasie. Wie blaue Nebel bewegten sich Figuren durch die gepflasterten Gassen, und da waren murmelnde Geräusche und seltsame Tiere, die über den grauroten Sand huschten. Jedes Fenster füllte er mit einer Person, die sich herauslehnte und langsam, wie in einem zeitlosen Gewässer, irgendeiner sich bewegenden Form in den Tiefen unter den mondversilberten Türmen zuwinkte. Ein inneres Ohr vernahm Musik, und Spender versuchte sich die Form der Instrumente vorzustellen, die solche Töne hervorbringen konnten. Das Land war voller Gespenster.