»Wir müssen den Gouverneur anrufen und die Bürgerwehr zusammentrommeln!« rief Teece. »Sie hätten uns Bescheid sagen müssen!«
»Da kommt deine Frau, Teece.«
Wieder wandten sich die Männer um.
Und in der windstillen Helle der Straße erschien die erste weiße Frau, gefolgt von anderen; ihre Gesichter waren ratlos, ein paar weinten, die meisten beherrschten sich. Sie alle kamen, um mit ihren Männern zu sprechen. Sie stießen die Schwingtüren der Bars auf und gingen hinein. Sie betraten kühle, stille Lebensmittelläden. Sie verschwanden in Drogerien und Garagen. Und eine, Mrs. Clara Teece, stellte sich zu den Männern auf die staubige Veranda des Eisenwarenladens und sah blinzelnd zu ihrem ärgerlich dreinblickenden Mann auf, während hinter ihr der schwarze Fluß weiterströmte.
»Es geht um Lucinda, Pa; du mußt mitkommen!«
»Wegen einer verdammten Schwarzen gehe ich nicht extra nach Hause!«
»Sie verläßt uns. Was soll ich ohne sie anfangen?«
»Kannst dich mal selbst um den Haushalt kümmern. Ich schmeiße mich nicht auf die Knie, damit sie hierbleibt.«
»Aber sie gehört doch fast zur Familie«, klagte Mrs. Teece.
»Schrei hier nicht so herum! Ich will nicht, daß du in aller Öffentlichkeit herumheulst wegen eines gottverdammten.«
Ein leises Schluchzen seiner Frau brachte ihn zum Schweigen. Sie betupfte sich die Augen. »Ich hab ihr immer wieder gesagt, >Lucinda<, hab ich gesagt, >du bleibst, und ich erhöhe deinen Lohn, und du kannst zwei Abende in der Woche frei haben, wenn du willst<, aber sie war fest entschlossen! Noch nie hab ich sie so gesehen, und ich sagte: >Liebst du mich denn nicht mehr, Lucinda?< Und sie sagte, doch, aber sie müßte gehen, weil es eben sein müßte. Sie hat das Haus saubergemacht und Staub gewischt und das Mittagessen auf den Tisch gestellt, und dann ging sie zur Tür - und stand da mit einem Bündel links und einem Bündel rechts und schüttelte mir die Hand und sagte: >Leben Sie wohl, Mrs. Teece.< Dann ging sie. Und da stand das Mittagessen auf dem Tisch, und wir alle waren viel zu durcheinander, um überhaupt davon zu essen. Es steht jetzt noch da und ist längst kalt.«
Teece ballte wütend die Faust, als wollte er sie schlagen. »Himmel, Herrgott, Frau, mach, daß du nach Hause kommst. Stehst hier herum und machst dich zum Gespött der Leute.!«
»Aber Pa.«
Er marschierte in das heiße Halbdunkel des Ladens. Sekunden später kam er mit einer silberglänzenden Pistole zurück.
Seine Frau war gegangen.
Der schwarze Fluß ergoß sich zwischen den Gebäuden und raschelte und knarrte und schlurfte gleichmäßig dahin. Er strömte überraschend leise, und über allem lag eine große Ruhe und Gelassenheit; kein Gelächter, kein wildes Herumtanzen, nur eine gleichmäßige, zielstrebige, endlos scheinende Flut.
Teece setzte sich auf die Kante seines Stuhls. »Wenn einer der Kerle lacht, bei Gott, bring ich alle um.«
Die Männer warteten.
Leise strömte der Fluß durch den verträumten Mittag.
»Mir scheint, du mußt deine Rüben bald selber hacken, Sam«, sagte Großvater und lachte leise.
»Auf Weiße schießen kann ich auch ganz gut.« Teece sah Großvater nicht an. Großvater wandte den Kopf und hielt den Mund.
»Einen Moment!« Samuel Teece sprang von der Veranda und griff einem Pferd in die Zügel, auf dem ein großer Neger ritt. »Los, Belter, steig sofort ab!«
»Ja, Sir.« Belter glitt herab.
Teece musterte ihn von oben bis unten. »Also, was soll das? Was hast du vor?«
»Nun, Mr. Teece.«
»Du denkst wohl, du kannst absausen wie in dem Lied - wie geht das doch? >Hoch, hoch - mit dem Kopf in die Wolken<, das ist es doch, nicht?«
»Ja, Sir.« Der Neger wartete.
»Du weißt, daß du mir fünfzig Dollar schuldest, Belter?«
»Ja, Sir.«
»Und du willst dich davonmachen? Bei Gott, ich geb dir die Peitsche!« »In der Aufregung ist es mir entfallen, Sir.«
»Ist ihm entfallen.« Teece blinzelte den Männern auf der Veranda boshaft zu. »Bei Gott, Mister, weißt du, was du machst?«
»Nein, Sir.«
»Du bleibst hier und arbeitest die fünfzig Piepen ab, oder ich will nicht mehr Samuel Teece heißen.« Wieder wandte er sich um und lächelte vertraulich zu den im Schatten Sitzenden hinüber.
Belter warf einen Blick auf den Fluß hinter sich, auf jenen dunklen Fluß, der sich endlos zwischen den Läden hindurch ergoß, der von Rädern und Pferden und staubigen Schuhen getragen wurde, jenen dunklen Fluß, dem er entrissen worden war. Er begann zu zittern. »Lassen Sie mich weiterziehen, Mr. Teece. Ich schicke Ihnen das Geld von oben, ich versprech’s Ihnen!«
»Hör zu, Belter.« Teece ergriff die Hosenträger des Mannes und zupfte daran herum wie an zwei Harfensaiten; dabei schnaubte er verächtlich zum Himmel und zeigte mit knochigem Finger direkt auf Gott. »Belter, weißt du überhaupt, wie’s da oben aussieht?«
»Was man so erfährt.«
»Was man so erfährt! Himmel! Habt ihr das gehört? Was man so erfährt!« Er schwang den Mann an seinen Hosenträgern müßig hin und her und schnipste ihm mit den Fingern in das schwarze Gesicht. »Belter, du fliegst höher und immer höher wie eine Feuerwerksrakete, und peng! Da schwirrst du dann in verkohlten Stücken rum, überall im Weltall verstreut. Die verrückten Wissenschaftler wissen doch überhaupt nichts
- sie bringen euch alle um!«
»Das ist mir egal.«
»Freut mich zu hören. Denn du weißt ja sicher, was es da auf dem Planeten Mars gibt! Ungeheuer mit riesigen Augen so groß wie Pilzen. Du hast doch die Bilder auf den utopischen Magazinen gesehen, die’s überall an den Kiosken gibt, nicht? Also! Die Monster springen dich an und saugen dir das Mark aus den Knochen!«
»Das ist mir egal, völlig egal ist mir das.« Belter sah, wie der Strom vorüberglitt und ihn zurückließ. Schweiß glitzerte auf seiner schwarzen Stirn. Er schien kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen.
»Und kalt ist es da oben; Luft gibt es nicht. Du fällst um und zappelst wie ein Fisch auf dem Trockenen und schnappst nach Luft und stirbst, du schnappst nach Luft und stirbst. Magst du das?« »Ich mag vieles nicht, Sir. Bitte, Sir, lassen Sie mich ziehen. Ich bin schon spät dran.«
»Ich laß dich ziehen, wenn ich Lust dazu habe. Wir quatschen hier höflich weiter, bis ich sage, daß du gehen kannst, und das weißt du sehr gut. Reisen willst du, ja? Also Mr. Mit-dem-Kopf-in-die-Wolken, du scherst dich jetzt nach Hause und arbeitest die fünfzig Piepen ab, die du mir schuldest. Kostet dich glatt zwei Monate!«
»Aber wenn ich’s abarbeite, verpasse ich die Rakete, Sir!«
»Wär das nicht schade?« Teece versuchte, bekümmert dreizusehen.
»Ich gebe Ihnen mein Pferd,“ Sir.«
»Ein Pferd ist vor dem Gesetz kein Pfand. Du bleibst hier, bis ich mein Geld habe.« Teece lachte innerlich. Er fühlte sich ausgesprochen wohl.
Eine kleine Gruppe Schwarzer hatte sich inzwischen um sie versammelt und das Gespräch verfolgt. Während nun Belter mit gesenktem Kopf zitternd dastand, trat ein alter Mann vor.
»Mister?«
Teece warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. »Was ist?«
»Wieviel schuldet Ihnen dieser Mann, Mister?«
»Das geht Sie verdammt nichts an!«
Der alte Mann wandte sich an Belter. »Wieviel, mein Sohn?«
»Fünfzig Dollar.«
Der alte Mann streckte den Leuten in der Gruppe seine schwarzen Hände entgegen. »Ihr seid fünfundzwanzig. Jeder gibt mir schnell zwei Dollar, wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.«
»Einen Augenblick!« rief Teece, hochaufgerichtet, starr.
Das Geld kam zusammen. Der alte Mann zählte es in seinen Hut und reichte ihn Belter. »Mein Sohn«, sagte er, »du verpaßt die Rakete nicht!«