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Diese fünf hellen Flecke der ursprünglichen Farbschicht - der Mann, die Frau, die Kinder, der Ball - waren geblieben. Der Rest war eine dünne geschwärzte Schicht.

Der sanfte Regen des Sprengers füllte den Garten mit herabfallendem Licht.

Wie vorzüglich hatte das Haus bis heute durchgehalten! Wie sorgsam hatte es immer wieder gefragt: »Wer ist da? Wie lautet das Kennwort?« Und wenn die herumstreunenden Füchse und jaulenden Katzen keine Antwort gaben, hatte es Fensterläden und Vorhänge in altjüngferlichem Schutzbedürfnis geschlossen, das fast einer mechanischen Paranoia gleichkam.

Das Haus erzitterte bei jedem Geräusch. Wenn ein Spatz ein Fenster berührte, schnappte sofort der Laden zu. Der erschreckte Vogel flog davon. Nein, kein Spatz durfte das Haus berühren.

Das Haus war ein Heiligtum mit zehntausend Tempeldienern - mit Scharen von Bediensteten aller Größen und Arten. Aber die Götter waren verschwunden, und das religiöse Ritual setzte sich fort, sinnlos, nutzlos.

Zwölf Uhr. Mittagszeit

Ein Hund jaulte und wartete zitternd auf der vorderen Veranda.

Die Haustür erkannte die Stimme des Hundes und öffnete sich. Der Hund, einst groß und massig, doch jetzt zum Skelett abgemagert und mit zahlreichen Wunden bedeckt, trottete durchs Haus und hinterließ in allen Räumen eine breite Schmutzspur. Hinter ihm wurde das ärgerliche Surren der Mäuse laut - ärgerlich über den Schmutz, den sie wegzuschaffen hatten, ärgerlich über die Störung.

Kein Blattfetzen wehte unter der Tür hindurch, ohne daß sich Wandklappen öffneten und die metallenen Ratten blitzschnell herausfuhren. Das beleidigende Stück - ein Staubkorn, ein Haar oder ein Stück Papier - wurde von den winzigen stählernen Kiefern ergriffen und in Windeseile in die Höhlen geschafft. Dort wurde es in ein Röhrensystem gestopft, das in den Keller und dort zu einem Verbrenner führte, der wie der böse Baal persönlich in einer dunklen Ecke hockte.

Der Hund rannte nach oben, bellte hysterisch vor jeder Tür und erkannte schließlich, was auch das Haus schon erkannt hatte - daß niemand anwesend war außer der Stille.

Das Tier schnüffelte herum und kratzte an der Küchentür. Hinter der Tür machte der Herd gerade Eierkuchen, die das Haus mit herrlichem Duft erfüllten, einem Duft nach Gebackenem und nach Ahornsirup.

Speichel rann aus dem Maul des Hundes, und mit glühenden Augen lag er vor der Tür und schnüffelte. Dann rannte er wie wild im Kreis und versuchte, sich in den Schwanz zu beißen, jagte immer schneller herum, Schaum stand ihm vor dem Maul, er winselte - und starb. Eine Stunde lang blieb er im Flur liegen.

Zwei Uhr, sang eine Stimme.

Die empfindlichen Geruchsorgane der Mäuseregimenter registrierten endlich die einsetzende Verwesung und summten leise wie graue Blätter in einem elektrischen Wind.

Zwei Uhr fünfzehn.

Der Hund war verschwunden.

Im Keller glühte der Verbrenner plötzlich auf, und der Schornstein sprühte Funken.

Zwei Uhr fünfunddreißig.

Bridge-Tische sprossen aus den Wänden zum Hof, Spielkarten flatterten herab. Martinis erschienen auf einer Eichenbank, Sandwiches mit Eiersalat. Musik ertönte.

Doch an den Tischen blieb es still, und niemand bewegte die Karten.

Um vier Uhr falteten sich die Tische wie riesige Schmetterlinge wieder in die Wände.

Vier Uhr dreißig.

Die Wände des Kinderzimmers glühten auf.

Tiere nahmen Gestalt an: Gelbe Giraffen, blaue Löwen, rosafarbene Antilopen, lila Panther, die in der kristallenen Substanz herumtobten. Die Wände wurden zu Glas. Sie gaben den Blick frei auf Landschaften aus Farbe und Fantasie. Versteckte Filme rasteten in Zahnräder, und die Wände gerieten in Bewegung. Der Boden des Kinderzimmers war so gestaltet, daß er einer frischen Wiese glich. Aluminium-Käfer und eiserne Grillen rannten darüber hin, und in der ruhigen, heißen Luft flatterten zarte rote Schmetterlinge im scharfen Geruch tierischer Fährten. Geräusche klangen auf, die an das Summen eines großen gelben Bienenstocks in einer dunklen Höhle erinnerten, das Grollen eines Löwen. Und der Tritt von Okapihufen und das Murmeln des tropischen Regens, der wie Hufgetrappel auf das ausgedörrte Gras niederging. Jetzt lösten sich die Wände zu gewaltigen Grassteppen auf, meilenweit, und endloser warmer Himmel war zu sehen. Die Tiere zogen sich in Dornendickichte und Wasserlöcher zurück. Kinderstunde.

Fünf Uhr. Die Wanne füllte sich mit klarem heißem Wasser.

Sechs, sieben, acht Uhr. Das Geschirr des Abendessens kam und ging wie von Zauberhänden bewegt, und in der Bibliothek ertönte ein Klicken. Aus einem Metallständer am Kamin, in dem jetzt ein warmes Feuer loderte, kam eine Zigarre hervor, an einem Ende weiche, graue Asche, qualmend, wartend.

Neun Uhr. Durch versteckte Stromkreise wurden die Betten angewärmt, denn die Nächte waren kalt.

Neun Uhr fünf. Eine Stimme tönte von der Decke der Bibliothek: »Mrs. McClellan, welches Gedicht möchten Sie heute abend gern hören?«

Keine Antwort.

Dann sagte die Stimme: »Da Sie keinen Wunsch äußern, werde ich einfach ein Gedicht aussuchen.« Leise Musik untermalte die Stimme. »Sara Teasdale. Ihre Lieblingsdichterin, ich erinnere mich. «

Leise Regen werden kommen und frischer Duft, und Schwalben werden jagen hoch in der schimmernden Luft, Und Froschkonzerte wird’s geben am Wasser in der Nacht, Und Bäume werden blühen in ihrer kalten Pracht, Und Rotkehlchen werden sitzen in feurigem Federkleid auf niedrigen Zäunen und zwitschern, als gäbe es kein Leid. Denn sie alle wissen, sei es Tier oder Baum  nichts vom Krieg, sie bemerken ihn kaum. Und wäre auch nicht ein Mensch mehr auf Erden, Was sollte für sie wohl anders werden? Ja ahnt der Frühling, der erwacht,  daß wir verschwanden über Nacht?

Das Feuer flackerte im steinernen Kamin, und die Zigarre verbrannte in der Schale zu einem Aschehaufen. Die leeren Stühle standen zwischen den stummen Wänden und sahen sich an, und es spielte Musik.

Um zehn Uhr schlug die Todesstunde des Hauses.

Der Wind draußen war zum Sturm geworden. Ein fallender Baum krachte durch das Küchenfenster und ließ einige Flaschen Reinigungslösung auf dem Herd zerschellen. Augenblicklich stand der Raum in Flammen.

»Feuer!« kreischte eine Stimme. Im Haus blitzten Lichter, Pumpen ließen Wasser von der Decke rieseln. Doch die Lösung floß über das Linoleum und fraß und leckte sich unter der Küchentür hindurch, während die Stimmen zum Chor wurden: »Feuer, Feuer, Feuer!«

Das Haus versuchte sich zu retten. Türen schlossen sich, doch die Fenster zersprangen unter dem Ansturm der Hitze, und der Wind fachte das Feuer an, trieb es weiter.

Das Haus verlor an Boden gegenüber der Feuersbrunst, die in zehn Milliarden wütenden Funken mit tänzerischer Leichtigkeit von Zimmer zu Zimmer vordrang und schließlich auch die Treppe erfaßte. Unterdessen huschten Löschratten aus den Wänden, verspritzten ihr Wasser und rannten davon, um Nachschub zu holen, und die Wandsprenger erzeugten künstliche Regenschauer.

Aber es war zu spät. Irgendwo blieb seufzend eine Pumpe stehen. Der kühlende Regen hörte auf. Das Wasserreservoir, das an zahlreichen ruhigen Tagen die Badewannen und den Geschirrspüler gespeist hatte, war erschöpft.