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Das Feuer knisterte die Treppe hinauf. Im oberen Flur fraß es Gemälde von Picasso und Matisse, verzehrte sie wie Delikatessen, schälte das ölige Fleisch ab und zerröstete die Leinwände zärtlich zu schwarzen Spänen.

Dann lag das Feuer in den Betten, stand an den Fenstern, veränderte die Farben der Vorhänge.

Dann kam Verstärkung.

Durch Bodenluken starrten blinde Robotergesichter herab, und aus ihren gähnenden Mäulern spritzte eine grüne Flüssigkeit.

Das Feuer wich zurück wie ein Elefant, dem die giftige Schlange trotz seiner Größe gefährlich werden kann. Gleich darauf waren es schon zwanzig Schlangen, die sich am Boden ringelten und das Feuer in einem kühlen klaren giftigen Schaumbad erstickten.

Aber das Feuer war schlau. Es hatte seine Flammen auch vor das Haus geschickt, zum Dachboden hinauf, zu den Pumpen. Das Gehirn unter dem Dach, das die Pumpen steuerte, explodierte; Metallsplitter zersiebten die Dachbalken.

Das Feuer drang sofort wieder vor, huschte in jeden Schrank und befühlte die Kleider, die dort hingen.

Das Haus erzitterte, seine Eichenknochen knirschten, sein freigelegtes Skelett wand sich in der Hitze, seine Leitungen, die Nerven, waren entblößt, als hätte ein Chirurg die Haut abgerissen, damit die roten Venen und Blutgefäße in der brennend heißen Luft erbeben konnten. Hilfe, Hilfe, Feuer! Lauft, lauft! Hitze ließ die Spiegel zerspringen wie dünnes Wintereis. Und die Stimmen wimmerten ihr Feuer, Feuer, lauft, lauft, wie einen tragischen Kinderreim; ein Dutzend Stimmen, laut und leise, wie Kinder, die im Walde sterben müssen, allein, allein. Und die Stimmen erstarben, als die Drähte wie heiße Kastanien aus ihren Umhüllungen sprangen. Eine, zwei, drei, vier, fünf Stimmen erstarben.

Im Kinderzimmer brannte der Dschungel. Blaue Löwen brüllten, purpurne Giraffen galoppierten davon. Die Panther liefen im Kreis und veränderten ihre Farbe, und zehn Millionen Tiere flohen vor dem Feuer auf einen fernen dampfenden Fluß zu.

Und wieder erstarben zehn Stimmen. In den letzten Momenten des gewaltigen Feuersturms waren auch andere Chöre zu hören, Vorrichtungen, die die Zeit ansagten, Musik spielten, die ferngesteuert den Rasen mähten oder in wilder Hast einen Regenschirm durch die sich heftig öffnende und schließende Haustür hinausschafften und gleich wieder hereinholten. Tausend Dinge geschahen, wie in einem Uhrenladen, in dem alle Uhren in verrückter Folge nacheinander die volle Stunde schlagen, eine Szene wahnsinnigen Durcheinanders, doch zugleich eine Szene der Einheit; Singen, Kreischen, übriggebliebene Reinigungsmäuse, die mutig durch das Chaos huschten und die entsetzliche Asche fortzuräumen versuchten. Und eine Stimme, die in majestätischer Mißachtung der Situation in der lodernden Bibliothek Gedichte aufsagte, bis dann doch alle Filmspulen verbrannt, bis alle Bänder zerschmolzen und die Stromkreise kurzgeschlossen waren.

Das Feuer ließ das Haus in sich zusammenfallen und schickte einen hellen Funkenregen und gewaltige Rauchwolken gen Himmel.

In der Küche, noch Sekunden vor dem großen Zusammenbruch, war der Herd damit beschäftigt, in wahnsinnigem Tempo Frühstück zu bereiten - zehn Dutzend Eier, sechs Toastbrote, zwanzig Dutzend Scheiben Speck -, und alles wurde sofort vom Feuer verzehrt, was den Herd veranlaßte, hysterisch zischend sofort ein neues Frühstück zuzubereiten.

Der Krach! Der Dachboden brach in die Küche und den Flur ein. Der Flur in den Keller und den Unterkeller. Tiefkühltruhe, Lehnstuhl, Filmbänder, Schaltungen, Betten - alles wurde tief unten zu einem wirren Haufen zusammengeballt - verkohlt und angesengt.

Rauch und Schweigen. Viel Rauch.

Im Osten zeigte sich die erste Morgendämmerung. Aus den Trümmern ragte noch eine Seitenwand des Hauses. Und in der Wand war eine letzte Stimme zu hören, die immer wieder und wieder die gleichen Worte sagte, während die Sonne aufging und auf die rauchgeschwärzte, schwelende Ruine herabschien: »Heute ist der 5. August 2026, heute ist der 5. August 2026, heute ist.«

  

Oktober 2026: Das ewige Picknick

Irgendwie kam Mama auf den Gedanken, daß die Familie vielleicht Spaß an einem Angelausflug hätte. Aber das waren nicht Mamas Worte; Timothy wußte das. Es waren Paps Worte, die Mama nur aus irgendeinem Grunde für ihn vorbrachte.

Paps trat unruhig auf den marsianischen Kieseln hin und her und stimmte zu. Sofort gab es ein großes Durcheinander und Geschrei, und in Windeseile wurde das Lager in Kapseln und Behälter verstaut, Mama zog ihre Wanderhose und eine Bluse an, Paps stopfte sich mit zitternder Hand seine Pfeife, die Augen zum marsianischen Himmel gerichtet, und die drei Jungen drängten sich schreiend in das Motorboot, wobei sie Mama und Paps gar nicht anschauten; nur Timothy blickte zurück.

Paps bewegte einen Hebel. Das Motorboot schickte ein Summen zum Himmel. Das Wasser teilte sich, das Boot glitt dahin, und die Familie schrie: »Hurra!«

Timothy saß hinten im Boot neben Paps. Er hatte seine kleine Hand auf die großen behaarten Finger seines Vaters gelegt und sah zu, wie sich der Kanal krümmte und wie die kahle Stelle zurückblieb, wo sie mit ihrer kleinen Familienrakete nach der langen Reise von der Erde gelandet waren. Er erinnerte sich an den Abend vor dem Start, das Hasten und Eilen, die Rakete, die Paps irgendwo gefunden hatte, und das Gerede von einem Ferienaufenthalt auf dem Mars. Ein langer Anlauf für einen Urlaub, aber Timothy hatte wegen seiner jüngeren Brüder nichts gesagt. Nun waren sie da, und als erstes - so sagten die Eltern jedenfalls - wollten sie zum Angeln fahren.

Paps hatte einen seltsamen Ausdruck in den Augen, während das Boot kanalaufwärts führ, einen Ausdruck, den Timothy nicht enträtseln konnte. Es war ein entschlossener Ausdruck, in dem vielleicht auch Erleichterung zu finden war. Ein Ausdruck, der den tiefen Falten in Paps Gesicht etwas Fröhliches gab, so daß es nicht sorgenvoll oder traurig aussah.

Und schon verschwand die sich langsam abkühlende Rakete hinter einer Biegung des Kanals und war nicht mehr zu sehen.

»Wie weit fahren wir?« Robert tauchte eine Hand ins Wasser. Sie sah aus wie eine kleine Krabbe, die im violetten Wasser dahinsprang.

Paps atmete aus. »Eine Million Jahre.«

»Mann!« sagte Robert.

»Schaut mal, Jungens.« Mutter hob den Arm. »Eine tote Stadt.«

Sie starrten in erregter Spannung hinüber, und die tote Stadt war tot nur für sie, und sie träumte im heißen Schweigen eines marsianischen Sommers, der von einem marsianischen Wettergott gemacht wurde.

Und Paps sah aus, als ob er froh wäre, daß die Stadt tot war.

Sie war eine sinnlose Aneinanderreihung rosafarbener Felsen, die auf einem Sandhügel schlummerten, ein paar umgestürzte Säulen, ein einsamer Tempel, und dann wieder die Wüste. Meilenweit alles eine weiße Wüste zu beiden Seiten des Kanals, eine blaue Wüste darüber.

In diesem Augenblick flog ein Vogel auf. Wie ein Stein, der in einen blauen Teich geworfen wird und tief hinabsinkt und verschwindet.

Paps schreckte auf, als er das Tier erblickte. »Dachte schon, es sei eine Rakete.«

Timothy starrte in den tiefen Ozeanhimmel und versuchte alles zu sehen - die Erde und den Krieg und die zerstörten Städte und die Menschen, die einander seit dem Tag ihrer Geburt getötet hatten. Aber es war nichts zu sehen. Der Krieg war so fern und sinnlos wie der Todeskampf von Fliegen hoch oben in der Kuppel einer großen alten Kathedrale.

William Thomas wischte sich den Schweiß von der Stirn und spürte Timothys kleine Hand auf seinem Arm wie eine junge aufgeregte Tarantel. Er sah seinen Sohn strahlend an. »Wie fühlst du dich, Timmy?«

»Prima, Paps.«

Timothy war sich noch nicht klar darüber, was den gewaltigen erwachsenen Mechanismus neben ihm bewegte, diesen Mann mit der großen sonnenverbrannten Hakennase, von der sich die Haut abschälte, und mit den heißen blauen Augen wie achatfarbene Murmeln, mit denen man auf der Erde im Sommer nach der Schule spielte, und mit den langen dicken Säulenbeinen in den weiten Reithosen.