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Nach etwa vier Stunden kam endlich Herr Xxx. Sie hatten den Verdacht, daß er schon mindestens drei Stunden lang auf der anderen Seite der Tür gewartet und zu ihnen hereingeschaut hatte, ehe er jetzt in Erscheinung trat und sie heranwinkte und in sein kleines Büro führte.

Nach seiner Maske zu urteilen, die nicht nur ein, sondern gar drei Lächeln zeigte, war er ein jovialer, gutgelaunter Mann. Die Stimme hinter der Maske jedoch war die Stimme eines nicht sehr lächelnden Psychologen. »Was haben wir denn für Sorgen?«

»Sie halten uns für wahnsinnig, aber Sie tun uns unrecht, das sind wir nicht«, sagte der Kapitän.

»Oh, ich halte nicht Sie alle für verrückt.« Der Psychologe deutete mit einem kleinen Stab auf den Kapitän. »Nur Sie, Sie! Die anderen sind sekundäre Halluzinationen.«

Der Kapitän schlug sich auf das Knie. »Das ist es also! Deshalb hat Herr Iii so fürchterlich gelacht, als ich vorschlug, daß auch meine Männer die Papiere unterschreiben sollten.«

»Ja, Herr Iii hat mir davon erzählt.« Der Psychologe lachte durch den geschnitzten, lächelnden Mund. »Ein guter Witz. Wo war ich stehengeblieben? Sekundäre Halluzinationen, ja. Es kommen Frauen zu mir, denen Schlangen aus den Ohren kriechen. Wenn ich sie heile, verschwinden die Schlangen.«

»Wir lassen uns gern heilen. Fangen Sie ruhig sofort an.«

Herr Xxx schien überrascht. »Ungewöhnlich. Nur wenige wollen sich heilen lassen. Denn die Behandlung ist ziemlich drastisch.«

»Scheuen Sie sich nicht. Ich bin sicher, daß Sie uns ganz normal finden werden.«

»Ich möchte mir zuerst noch einmal Ihre Papiere ansehen, ob danach auch wirklich eine >Behandlung< möglich ist.« Er sah in seinen Unterlagen nach. »Ja. Wissen Sie, Fälle wie der Ihre erfordern eine ganz besondere >Behandlung<. Die Leute dort im Saal sind relativ harmlose Fälle, doch wenn man in den Primär-, Sekundär-, Gehör-, Geruchs- und Geschmackshalluzinationen sowie in den Tast- und Sehtäuschungen bereits eine derartige Fertigkeit erlangt hat wie Sie, bleibt uns - darauf muß ich Sie leider hinweisen - als einziges Mittel die Euthanasie.«

Mit einem Aufschrei fuhr der Kapitän hoch. »Hören Sie mal, jetzt haben wir aber genug! Untersuchen Sie uns, hauen Sie uns ans Knie, horchen Sie uns ab, stellen Sie Fragen!«

»Bitte reden Sie, soviel Sie wollen. Machen Sie sich Luft.«

Der Kapitän tobte eine Stunde lang. Der Psychologe hörte geduldig zu.

»Unglaublich«, sagte er. »Die detaillierteste Traumvorstellung, die ich je gehört habe.«

»Verdammt noch mal, wir zeigen Ihnen die Rakete!« brüllte der Kapitän.

»Ja, ich würde sie gern sehen. Können Sie sie hier im Zimmer erscheinen lassen?«

»Oh, selbstverständlich. Sie liegt dort bei Ihren Akten, unter R.«

Ernsthaft schaute Herr Xxx in der bezeichneten Akte nach. Dann machte er »T-t-t« und schloß den Ordner langsam wieder. »Warum haben Sie mir das gesagt? Die Rakete ist nicht dort.«

»Natürlich nicht. Sie Idiot! Ich habe nur einen Witz gemacht! Machen Verrückte Witze?« »Man stößt auf die komischsten Typen. Führen Sie mich zu Ihrer Rakete. Ich will sie sehen.«

Es war Mittag. Der Tag war sehr heiß, als sie die Rakete erreichten.

»So.« Der Psychologe trat dicht an das Schiff heran und klopfte dagegen. Es gab ein leises, hallendes Geräusch. »Darf ich hineingehen?« fragte er listig.

»Bitte.«

Herr Xxx verschwand im Schiff und blieb lange Zeit fort.

»Von allen blöden, verqueren Situationen haben wir uns die denkbar blödeste ausgesucht.« Der Kapitän kaute auf seiner Zigarre herum und wartete. »Ich hätte große Lust, wieder nach Hause zu fliegen und unseren Leuten zu sagen, sie sollten den Mars vergessen. Was für ein mißtrauischer Haufen!«

»Wie ich höre, ist die Geisteskrankheit hier ziemlich verbreitet. Das dürfte der Hauptgrund für die Zweifel sein.«

»Trotzdem ist das alles so verdammt blöd.«

Der Psychologe kam aus dem Schiff geklettert, nachdem er eine halbe Stunde geschaut, getastet, geklopft, gelauscht, berochen und geschmeckt hatte.

»Jetzt werden Sie uns doch wohl Glauben schenken!« rief der Kapitän, als hielte er den anderen für taub.

Der Psychologe schloß die Augen und kratzte sich an der Nase. »Das ist das unglaublichste Beispiel sensorischer Halluzination und Hypnosuggestion, das ich jemals erlebt habe. Ich bin durch Ihre ganze >Rakete< gestiegen, wie Sie es nennen.« Er klopfte an die Außenhülle. »Ich höre sie. Akustische Einbildung.« Er atmete tief ein. »Ich rieche sie. Geruchshalluzination, hervorgerufen durch sensorische Telepathie.« Er küßte das Schiff. »Ich schmecke das Schiff. Labiale Einbildung!«

Er schüttelte dem Kapitän die Hand. »Darf ich Sie beglückwünschen? Sie sind ein psychisches Genie! Sie haben etwas absolut Vollkommenes geschaffen! Ihr psychisches Innenleben auf telepathischem Wege im Geiste eines anderen erstehen zu lassen und die Halluzinationen dort in unveränderter Stärke aufrechtzuerhalten, ist fast unmöglich. Die Kranken im Saal konzentrieren sich gewöhnlich auf visuelle Aspekte, allenfalls wird Visuelles und Akustisches vermengt. Sie dagegen haben die ganze Skala gemeistert! Ihr Wahnsinn ist von einer geradezu herrlichen Totalität!« »Mein Wahnsinn.« Der Kapitän war bleich.

»Ja, ja, was für ein herrlicher Wahnsinn! Metall, Gummi, Schwerkraftgeräte, Nahrungsmittel, Kleidung, Treibstoff, Waffen, Leitern, Nieten, Löffel. Zehntausend verschiedene Dinge habe ich an Bord Ihres Schiffes registriert. Eine solche komplexe Halluzination habe ich noch nicht erlebt. Da waren sogar Schatten unter den Kojen - unter allem! Was für eine Willenskraft! Und jeder Gegenstand - wie oder wann ich ihn auch überprüfte, besaß Festigkeit, Geschmack und Klang! Ich muß Sie umarmen!«

Endlich trat er wieder zurück. »Ich werde das in meiner größten Monographie verarbeiten! Ich spreche im nächsten Monat vor der Marsianischen Akademie der Wissenschaften darüber! Und betrachten Sie sich einmal im Spiegel! Sie haben sogar Ihre Augenfarbe von Gelb zu Blau verändert, und Ihre Haut ist nicht mehr braun, sondern rot. Und dann Ihre Kleidung und Ihre Hände, die keine sechs, sondern nur fünf Finger haben! Biologische Metamorphose durch psychologisches Gestörtsein! Und Ihre drei Freunde.«

Er holte eine kleine Schußwaffe hervor. »Natürlich unheilbar. Sie armer, wunderbarer Mensch. Der Tod wird Sie erlösen. Haben Sie noch etwas zu sagen, bevor ich Sie erlöse?«

»Halt, um Gottes willen! Schießen Sie nicht!«

»Sie armes Wesen. Ich werde Sie von dem Leiden befreien, das Sie so weit in den Wahn getrieben hat, sich die Existenz der Rakete und der drei Männer einzubilden. Es wird ein fesselnder Moment für mich sein, Ihre Freunde und Ihre Rakete verschwinden zu sehen, wenn ich Sie umgebracht habe. Meine Beobachtungen werde ich zu einer schönen Abhandlung über die Auflösung neurotisch bedingter Trugbilder verarbeiten.«

»Ich komme von der Erde! Ich heiße Jonathan Williams, und diese.«

»Ja, ich weiß«, sagte Herr Xxx und drückte ab.

Der Kapitän sank zu Boden, eine Kugel im Herzen. Die drei anderen schrien auf.

Herr Xxx starrte sie an. »Sie existieren weiter? Das ist großartig! Halluzinationen mit zeitlicher und räumlicher Konsistenz!«

»Unglaublich!« Er richtete seine Waffe auf die drei Männer. »Aber auch euch werde ich auflösen!«

»Nein!« riefen die drei.

»Die akustische Halluzination einer flehentlichen Gebärde selbst nach dem Tod des Patienten«, bemerkte Herr Xxx bewundernd und streckte die drei Männer nieder.

Sie lagen im Sand, unverändert, und rührten sich nicht mehr.

Er trat mit den Füßen auf sie ein. Er hämmerte gegen die Schiffshülle.

»Sie vergehen nicht!« Und noch einmal gab er mehrere Schüsse auf die Körper ab. Dann trat er zurück. Die lächelnde Maske fiel ihm vom Gesicht.