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Ich war dort gewesen, hatte die Station mit ihren verschachtelten, sich durchdringenden Schichten besucht, hatte gesehen, wo Strigan gearbeitet und gelebt hatte, und was sie zurückgelassen hatte, als sie eines Tages ohne erkennbaren Grund Passagen für fünf verschiedene Raumschiffe kaufte und dann verschwand. Einen Kasten voller Saiteninstrumente, von denen ich nur drei benennen konnte. Fünf Regale voller Ikonen, eine schwindelerregende Sammlung von Gottheiten und Heiligen aus Holz, aus Muscheln und Gold. Ein Dutzend Waffen, jede sorgfältig mit der Zulassungsnummer der Station markiert. Es waren Sammlungen, die mit einem einzelnen in Zahlung genommenen Objekt begonnen hatten, das sie neugierig gemacht hatte. Strigans Miete war 150 Jahre im Voraus bezahlt worden, weshalb die Verwaltung der Station ihre Wohnung nicht angerührt hatte.

Ich bestach jemanden, um hineinzukommen und die Sammlung sehen zu können, wegen der ich gekommen war. Ein paar fünfeckige Fliesen, deren Farben nach tausend Jahren immer noch hell leuchteten. Eine flache Schale mit vergoldetem Rand, mit einer Inschrift rundum in einer Sprache, die Strigan unmöglich hatte lesen können. Ein flaches Rechteck aus Plastik, von dem ich wusste, dass es ein Aufnahmegerät war. Auf Knopfdruck produzierte es Gelächter, Stimmen, die in der gleichen toten Sprache redeten.

Die Sammlung war zwar klein, aber bestimmt nicht leicht zusammenzustellen gewesen. Artefakte der Garseddai waren selten, denn als Anaander Mianaai klar geworden war, dass die Garseddai imstande waren, Radchaai-Schiffe zu zerstören und Radchaai-Rüstungen zu durchdringen, hatte sie die komplette Vernichtung von Garsedd und seiner Bewohnerinnen angeordnet. Die fünfeckigen Plätze, die Blumen, alles Leben auf allen Planeten, Monden und allen Stationen des Systems waren verschwunden. Niemand würde dort jemals wieder leben. Niemand sollte jemals vergessen, wozu es führte, wenn man die Radch herausforderte.

Hatte ihr vielleicht eine Patientin die Schale gegeben, und wollte sie daraufhin nach mehr Informationen suchen? Und wenn ein Gegenstand der Garseddai dort gelandet war, was könnte es sonst noch geben? Vielleicht hatte eine Patientin sie damit bezahlt, die gar nicht wusste, was es war — oder sie wusste es und wollte es unbedingt loswerden. Vielleicht hatte es dazu geführt, dass Strigan flüchten musste, dass sie verschwand und fast ihren gesamten Besitz zurückließ. Vielleicht war es etwas Gefährliches, und sie konnte sich nicht durchringen, es zu zerstören, um sich endlich davon zu befreien.

Etwas, das ich unbedingt haben wollte.

Ich wollte so schnell wie möglich so weit wie möglich kommen, weshalb wir stundenlang marschierten und nur ganz kurze Pausen machten, wenn es unbedingt nötig war. Obwohl es am Tag klar und so hell war, wie es auf Nilt werden konnte, fühlte ich mich auf eine Weise blind, die ich, wie ich gedacht hatte, inzwischen zu ignorieren gelernt hatte. Einst hatte ich zwanzig Körper gehabt, zwanzig Augenpaare und ein paar Hundert weitere, auf die ich bei Bedarf oder auf Wunsch zurückgreifen konnte. Jetzt konnte ich nur in eine Richtung blicken, konnte die große Weite hinter mir nur sehen, wenn ich den Kopf drehte und das, was vor mir lag, ausblendete. Um dem zu entgehen, mied ich gewöhnlich zu offene Flächen und achtete darauf, was hinter mir lag; aber hier war das unmöglich.

Mein Gesicht brannte trotz der sehr sanften Brise, wurde dann gefühllos. Zuerst taten mir die Hände und Füße weh — ich hatte weder Handschuhe noch Stiefel mit der Absicht gekauft, sechzig Kilometer in der Kälte zu gehen —, dann wurden sie schwer und taub. Ich hatte Glück, dass ich nicht im Winter gekommen war, wenn die Temperaturen noch sehr viel tiefer sinken konnten.

Seivarden fror bestimmt genauso, aber sie ging Schritt für Schritt apathisch voran, während ich sie mitzog, schleifte die Füße durch Moos und Schnee, starrte zum Boden, ohne sich zu beklagen oder überhaupt zu sprechen. Als die Sonne fast den Horizont erreicht hatte, verlagerte sie leicht die Schultern und hob den Kopf. »Ich kenne das Lied«, sagte sie.

»Was?«

»Das Lied, das Sie summen.« Träge wandte sie mir den Kopf zu, ihr Gesicht wirkte weder verängstigt noch verwirrt. Ich fragte mich, ob sie sich bemüht hatte, ihren Akzent zu verbergen. Vermutlich nicht — so wie sie auf Kef war, kümmerte es sie wohl kaum. Im Hoheitsgebiet der Radch erkannte man an diesem Akzent Angehörige von wohlhabenden und einflussreichen Häusern, Personen, die mit fünfzehn Jahren die Eignungsprüfung ablegten und später eine prestigeträchtige Stellung übernehmen würden. Außerhalb des Hoheitsgebietes assoziierte man mit diesem Akzent reiche, korrupte und kaltherzige Schurken, wie sie in tausend Unterhaltungsprogrammen auftraten.

Das leise Geräusch eines Fliegers erreichte uns. Ich drehte mich um, ohne stehen zu bleiben, suchte den Horizont ab und sah ihn ganz klein in der Ferne. Er flog tief und langsam, folgte offensichtlich unserer Spur. Es war mit Sicherheit kein Rettungsflieger. Die Münzen waren falsch gefallen, und nun waren wir diesen Leuten schutzlos ausgeliefert.

Wir gingen weiter, während sich das Geräusch des Fliegers näherte. Wir wären ihm auch dann nicht entkommen, wenn Seivarden nicht gestolpert wäre. Sie fing sich wieder, aber sie war eindeutig am Ende ihrer Kräfte. Wenn sie unverhofft redete, etwas von ihrer Umgebung wahrnahm, kam sie wahrscheinlich allmählich herunter. Ich hielt an, ließ ihren Arm los, und sie blieb neben mir stehen.

Der Flieger zog über uns hinweg, drehte ein und landete etwa dreißig Meter vor uns auf unserem Weg. Entweder hatten sie keine Möglichkeit, uns aus der Luft zu erschießen, oder sie wollten es gar nicht. Ich legte meinen Rucksack ab und löste die Verschlüsse meines Außenmantels, um besser an meine Waffe zu kommen.

Vier Leute stiegen aus dem Flieger — die Inhaberin, von der ich das Fahrzeug gemietet hatte, zwei Leute, die ich nicht kannte, und die Person aus der Bar, die mich »tapferes kleines Mädchen« genannt hatte und die ich eigentlich hatte töten wollen. Ich ließ meine Hand in den Mantel gleiten und griff nach der Waffe. Meine Möglichkeiten waren eingeschränkt.

»Haben Sie den Verstand verloren?«, rief die Inhaberin, als sie fünfzehn Meter entfernt waren. Alle vier blieben stehen. »Man bleibt beim Flieger, wenn er defekt ist, damit wir Sie finden können.«

Ich schaute die Person aus der Bar an, sah, dass sie mich erkannte und merkte, dass auch ich sie erkannt hatte. »In der Bar sagte ich, wer versuchen sollte, mich auszurauben, würde sterben«, rief ich ihr in Erinnerung. Sie zog eine Grimasse.

Eine der Personen, die ich nicht kannte, zog plötzlich von irgendwo eine Waffe hervor. »Wir werden es nicht nur versuchen«, sagte sie.

Ich zog meine Waffe, feuerte und traf sie im Gesicht. Sie brach im Schnee zusammen. Bevor die anderen reagieren konnten, erschoss ich die Person aus der Bar, die ebenso zu Boden ging, dann die Person neben ihr, alle drei schnell hintereinander in weniger als einer Sekunde.

Die Inhaberin stieß einen Fluch aus, drehte sich um und wollte flüchten. Ich schoss ihr in den Rücken. Sie machte noch drei Schritte, bevor sie zusammenbrach.

»Mir ist kalt«, sagte Seivarden neben mir seelenruhig und völlig unbeteiligt.

Sie hatten den Flieger unbewacht gelassen. Alle vier Insassen hatten sich mir genähert. Dumm. Die ganze Unternehmung war dumm und völlig planlos gewesen, wie es schien. Ich musste nur Seivarden und meinen Rucksack in ihren Flieger laden und starten.

Der Wohnsitz von Arilesperas Strigan war aus der Luft kaum zu erkennen, ein Kreis von wenig mehr als fünfunddreißig Metern Durchmessern, in dem das Schneemoos sichtlich heller und dünner war. Ich landete außerhalb des Kreises und wartete einen Moment, um die Lage einzuschätzen. Aus diesem Blickwinkel war offensichtlich, dass es zwei Gebäude gab, schneebedeckte Hügel. Es hätte auch ein unbewohntes Hirtenlager sein können, aber wenn ich mich auf meine Informationen verlassen konnte, war es das nicht. Es waren weder eine Mauer noch ein Zaun zu sehen, aber ich wollte daraus keine Schlüsse auf die Sicherheitsvorkehrungen ziehen.